Im Sog der 1968er-Bewegung kommt es zu einem Wandel in der Wiener Sozialpolitik. Baulich manifestiert sich die Aufbruchsstimmung mit der Eröffnung der Stadt des Kindes 1974.Die im Typus einer Idealstadt ausgebildete Anlage des Architekten Anton Schweighofer verkörpert die neuen Leitideen des Wohlfahrtsstaats: Durchlässigkeit und Gemeinschaft. Die Abkehr von einer Verwahrungs- und Versorgungsmentalität in der Fürsorge und der Aufbruch in Richtung eines partnerschaftlichen Ansatzes verdeutlicht sich in der Unterbringung der Kinder in familienähnlichen Wohngruppen. Der offene Zugang zu den Freizeiteinrichtungen wie Hallenbad, Turnsaal, Theater und Keramikwerkstatt steht für die soziale Integration der Bewohner*innen in ihr Umfeld.
Die Stadt des Kindes avancierte zu einem Vorzeigeprojekt für die Politik. Als neues Modell für die „Unterbringung“ gefährdeter Kinder und Jugendlicher blieb sie eine Ausnahmeerscheinung und erreichte ihre selbstgestellten Ansprüche nicht. 2002 wurde sie geschlossen und trotz massiver Proteste zu einem großen Teil abgerissen. Erhalten und saniert wurden zwei Familienhäuser, das Hallenbad und der Turnsaal. Auf dem mit großzügigen Freiflächen versehenen Areal entstanden zwischen 2011 und 2013 über 250 Wohnungen (Architekten: Walter Stelzhammer, Peter Weber). Im zweiten SammlungsLab treffen rund um die Stadt des Kindes beeindruckende Objekte aus der Sammlung des Az W auf die institutionskritischen Erinnerungen von ehemaligen Bewohner*innen. Dabei stellt sich in mehrfacher Hinsicht die Frage nach dem ambivalenten Verhältnis zwischen Architektur und gesellschaftlicher Praxis.
Kuratorin: Monika Platzer, Az WGestaltung: Robert Rüf
Dank an: Wien Holding