Die Ngaanyatjarra Lands sind eine 160.000 Quadratkilometer große Region im Osten von Western Australia an der Grenze zum Northern Territory und zu South Australia. Etwa 1.800 Menschen der Sprachgruppe Ngaanyatjarra haben hier seit jeher ihre Heimat und leben heute in elf Gemeinden zusammen. Um ihre eigene Kultur zu erhalten und zu pflegen, gründeten die Ngaanyatjarra People 1990 das Warburton Arts Project. Die Malerei der Ngaanyatjarra Lands hat inzwischen große Aufmerksamkeit erregt, obwohl sie eine vergleichsweise junge Tradition ist. Werke aus Holz (purnu) und Flechtarbeiten aus Gras (tjanpi) wurden hier immer schon hergestellt. Mitglieder von fünf in der Gegend aktiven Kunstzentren sind in der Ausstellung vertreten.Die Besonderheit an diesen jungen Künstler-Communities ist: Vor allem Maler im letzten Lebensabschnitt haben sich hier zusammengefunden. Ihre Werke sprechen eine ganz eigene Bildsprache. Denn das fortgeschrittene Alter gibt diesen Malern die Freiheit, ihre Vorstellung von der tjukurrpa, jener Zeit, in der die Welt nach dem Glauben der Aborigines so geschaffen wurde, wie sie heute ist, mit einem anderen und reduzierten Blick umsetzen zu können. Die altersbedingte Fülle an mythologischem Wissen erlaubt es ebenfalls, auszuwählen und sich auf wesentliche Kerninhalte zu konzentrieren. Die tjukurrpa erklärt, welche Schöpferahnen das Land einst gestaltet haben und gibt die Gründe an, warum es seitdem so aussieht. Durch sie kann man eine geografische Gegebenheit immer mit einer Handlung eines oder mehrerer bestimmten Schöpferahnen erklären. In dieser mythischen „Traumzeit“ wurden von den Schöpferahnen auch die rituellen Handlungen vorgegeben, die mit einem bestimmten Ort in Verbindung stehen. Menschen, die durch uralte Überlieferungen Kenntnis davon besitzen, können also Vergangenheit und Gegenwart zu einem Zeitraum zusammensetzen – und diese „Zeitgeschichte“ natürlich auch malen.
Die tjukurrpa hat also ihren Ursprung an in der Wirklichkeit existierenden Orten. So ist zum Beispiel Wanarn einerseits ein Ortsname, an dem heute eine Gruppe alter Künstler lebt und malt. Bevor hier 1988 mit dem Bau von Gebäuden zur Beherbergung einer Gemeinschaft alter Leute begonnen wurde, bezeichnete der Name aber schon lange eine Art Knotenpunkt verschiedener „Traumzeit“-Wege, der als idealer Ort empfunden wurde, um genau hier die Geschichten davon auf die Leinwand zu bringen. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Kunstzentrums der Ngaanyatjarra Lands gehört immer, dass seine Mitglieder sowohl an ihrem Wohnort wie auch am Ursprungsort der jeweils zu malenden Geschichte gleichsam ununterbrochen arbeiten. Sie sind davon überzeugt, traditionelles Wissen an die jüngere Generation weitergeben zu müssen. So ist ein Kunstzentrum auch das Zentrum des Gemeindelebens, wo sich bis zu vier Generationen zum Malen und Singen versammeln und Auszüge aus der mythischen Urzeit (tjukurrpa) wieder und wieder erzählen.
Niemals wird in diesen Kooperativen die Frage gestellt, wofür Kunst da ist, sondern immer nur, für wen. Sie dient dem Menschen, und das nicht nur, indem sie alten Leuten die Gelegenheit gibt, möglichst viel ihres unermesslichen Fundus an Wissen für die Nachwelt zu erhalten. Die Kunstzentren verstehen sich zusätzlich ganz praktisch als Dienstleister für das Altenheim der Region und fördern das Malen zu therapeutischen Zwecken. Viele der Künstlerinnen und Künstler sind an Demenz erkrankt.
Eine weitere Besonderheit innerhalb der Ngaanyatjarra-Kunst sind die so genannten History Paintings. Ihre Vertreter dokumentieren markante Ereignisse aus der Geschichte ihrer Region in figürlichem Stil.
Mit der Kunst australischer Aborigines aus den Ngaanyatjarra-Lands gastiert die Galerie ARTKELCH aus Freiburg erneut im Museum Fünf Kontinente. Die Bilder kommen von den Künstlerkooperativen Papulankutja Artists, Kayili Artists, Warakurna Artists, Tjarlirli Art und The Minyma Kutjara Arts Project. Die Ausstellung ist Teil der Reihe „Pro Community“, die jährlich indigene Kunst einer Region Australiens an verschiedenen Standorten vorstellt. Die Kunstwerke können als Unterstützung für die Aboriginal-Künstler erworben werden.
„Die Menschen in Wanarn sind sehr alt, aber ihre Gemälde erzählen Geschichten über ihr Land, um sich daran zu erinnern. Und sie erzählen die Geschichten, damit die Jungen sie verstehen können“, sagt Eunice Porter vom Kunstzentrum Warakurna Artists. Eileen Giles von der Kooperative Tjarlirli Art macht klar: „Viele junge Menschen gehen heute neue Wege beim Malen. Sie sehen die Welt um sich herum und in der Schule, so dass sie stärker figurativ arbeiten. Aber sie beobachten die Älteren, die eher im traditionellen Stil malen und sehen auch das. Sie hören Kunst in Form von Gesang, Tanz und Geschichten-Erzählen. Und sie fühlen sie in ihren Körpern. Das ist sehr wichtig für unsere Kultur.“