Carte blanche für die Studierenden und Lehrenden des Programms Master in Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien: Ab dem 10. September 2015 zeigen sie unt er dem Titel Blühendes Gift. Zur feministischen Appropriation des österreichischen Unbewussten ihren Blick auf die Sammlung des mumok. Auf zwei Ebenen werden fünf einander überlagernde und durchkreuzende Ausstellungen präsentiert: Imitating the Imitations of the Imitators, Schlachten Material Prothesen, Taking Pictures of the Boys, Love und Taking Care: Capitalistic Yoga and Anger Issues. Vorrangig aus den Sammlungsbeständen der Kunst nach 1945 ausgewählt, zeigen sich in den präsentierten Arbeiten Motive, Gesten und Bewegungen, die mit den fünf Kapiteln zu einem thematischen Vexierbild gefasst werden. Im kuratorischen Prozess wurde die widersprüchliche Vielfalt der Bestände nicht einer übergeordneten Fragestellung geopfert. Vielmehr wurden Impulse und Affek te, die vom Material ausgehen, benannt und gebündelt, um neben den ausgewählten Werken auch bezeichnende Leerstellen und Häufungen sowie deren Funktion innerhalb des Sammlungsarrangements im mumok zum Sprechen zu bringen.Das Gift der Kunst und ihrer Inst itutionen „Das Verhältnis zu Kunst und ihren Institutionen bleibt zwiespältig: Wie bei Luxusgütern und Pharmaprodukten fällt es nicht leicht, sich eindeutig zu diesem Gift zu positionieren “ , geben die Kurator_innen zu bedenken. Zwar bleibt die Kritik an d er bürgerlichen, heteronormativen und eurozentrischen Kunst für die Kuratierenden aus dem Studienprogramm Master in Critical Studies ebenso selbstverständlich wie das Begehren nach ihren Formulierungen, Oberflächen, Verstrickungen, Rollenzuweisungen, Fluch tangeboten, Fehltritten und Richtigstellungen. „Aber weder die Askese noch die bekannten Rezepte der Kritik reichen als Maßnahmen aus, um der Kunst in der institutionelle n Situation gegenüberzutreten. “
Um nicht in bereits bekannte Klischees der Kritik zu verfallen, überprüft die Ausstellung daher bestehende Diskurse auf ihre Konventionen und Automatismen. Sie entgegnet und entgeht diesen, indem sie ambivalente Dosierungsverhältnisse und Mixturen von Themen, Formen und damit verbundenen Ideologien anbietet und damit allzu deutlichen, simplifizierenden Konturierungsversuchen und Rezepten widersteht.
Beispielhaft für diese ambivalente Grundhaltung der Kuratierenden steht Larry Rivers ’ Bleistiftzeichnung Frank O’Hara (1956): Die Hommage an den geliebten Dich ter O’Hara erzählt von dem Versuch einer subversiven Entgrenzung inmitten der Konvention.
Historische Dokumente und Zeugen der Gegenwart Im kuratorischen Zugriff auf die Sammlung, ihre Struktur und Geschichte sowie in der Auswahl der einzelnen Arbeiten begegnen sich zwei Spielarten feministischer Aneignung: So können die ausgewählten Arbeiten in ihrer historischen und dokumentarischen Funktion als Entgegnungen, Kommentare oder auch Angriffe auf die vorherrschenden Verhältnisse ihrer Entstehungszeit geles en werden. Aus den sich darin abzeichnenden Linien und Begriffsfeldern ergibt sich der Titel der Ausstellung , Blühendes Gift. Zur feministischen Appropriation des österreichischen Unbewussten . Arbeiten wie jene von Margherita Spiluttini, Zoe Leonard, Nancy Graves, Yto Barrada oder Madame d’Ora verweisen nicht nur auf künstlerische Praxen in Bezug auf ökonomische Realitäten und soziale Bewegungen, sondern erweisen sich darüber hinaus auch als Kommentare zu Leerstellen und Ausschlüssen in einer männlich domin irrten Kunstwelt
Die aktuelle Interpretation und bewusste Aneignung durch die Kurator_innen bringt auch die in der Geschichte erfolgten Vereinnahmungen und deren Ursachen zum Vorschein. „So orientiert sich der Auswahlprozess nicht an der vermeintlichen E indeutigkeit klassischer Qualitätsprüfung oder historischer Relevanzkriterien (noch werden diese komplett umgangen) . Stattdes s en “, so die Kurator_innen über ihre Sammlungslektüren, „ gibt es in der Ausstellung Arbeiten, die begeistern. An anderen scheint et was klar zu werden. Wieder andere Arbeiten sind so unfassbar, dass ihre bloße Existenz der Rede wert ist.“
Durch Fokussierung und Verstärkung mit historischer Distanz rück en die Auswahl und ihre thematische Gliederung Fehlstellen und Abwesenheiten, Verdi chtungen, Wiedererscheinungen und mehrdeutige Spuren innerhalb der Sammlung wie auch der Kunstgeschichte seit der Moderne in den Mittelpunkt. Dabei werden Begriffe und Bewegungen, mit denen Kunst nach 1945 diskutiert wird – zwischen Nachkriegserfahrung und kapitalistischem Realismus – neu verhandelt.
Kuratiert von Studierenden und Lehrenden des Programms Master in Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien: Mirela Baciak, Maren Blume, Diedrich Diederichsen, Marius Ertelt, Jannik Franzen, L eander Gussmann, Ipek Hamzaoglu, Ruth Lang, Sarah Lehnerer, Dominik Mayer, Linnéa Meiners, Inka Meissner, Natalie Ofenböck, Matteo Patti, Florian Pochlatko, Constanze Ruhm, Juliane Saupe, Flora Schausberger, Angela Strohberger, Alain Volpe, Sara Wahl, Mich ael Wonnerth - Magnusson
In Kooperation mit der Aka demie der bildenden Künste Wien