In der dreizehnten Meisterwerke im Fokus-Ausstellung widmet sich das Belvedere dem Wiener Künstler Gerhart Frankl (1901–1965), der wie sein Vorbild Paul Cézanne etwas Bleibendes, etwas von Bedeutung schaffen wollte. So schrieb Frankl 1925 an seine spätere Ehefrau: „Ich will kein ‚berühmter‘ Mann sein. [...] Wohl aber will ich ein wahrhaft großer Mensch sein. Ganz und gar verantwortlich. Das ist das Wesentliche. [...] Ich will kein Feuerwerk sein, wohl aber jeden Augenblick mit meinem Gewissen ‚à jour‘ sein.“ Obwohl Autodidakt und nur kurz – von 1920 bis 1922 während der Sommermonate – Schüler Anton Koligs in Nötsch, schuf er ein ungemein abwechslungsreiches und spannendes Œuvre, durchsetzt mit stilistischen und thematischen Sprüngen.Die immaterielle Darstellung der Alpen in den späten Schaffensjahren zählt zu seinen künstlerischen Höhepunkten. Vom 18. November 2015 bis 3. April 2016 fokussiert die Ausstellung Gerhart Frankl – Rastlos im Oberen Belvedere auf Aspekte der Entwicklung in seiner Landschaftsdarstellung hin zu den formauflösenden Bergphantasien. Seine enge Beziehung zum Belvedere – das Ehepaar Frankl wohnte nach der Rückkehr aus dem Londoner Exil ab 1947 im Unteren Belvedere, und Gerhart Frankl war in der Restaurierwerkstatt des Hauses tätig – ist ebenfalls Thema der Schau. Frankls Auseinandersetzung mit dem barocken Areal rund um die beiden Schlösser sowie dem Blick über Wien fand in einer Werkserie, die in den Jahren 1947 bis 1949 entstand, ihren künstlerischen Niederschlag.
Besonderen Anlass zu dieser Ausstellung gibt u. a. das umfangreiche Konvolut von Werken Gerhart Frankls, das durch das Legat des Sammlers Peter Parzer 2012 dem Belvedere übergeben wurde. Peter Parzer interessierte sich schon zu Studienzeiten für das Werk von Gerhart Frankl. Neben Cézanne zählten die Alten Meister wie Tizian oder Rubens zu Frankls großen Vorbildern. Aber auch expressionistische und kubistische Elemente sowie abstrakte und naturgetreue Studien prägten das Schaffen des Künstlers. Ungefähr zwei Drittel seines Œuvres bestehen aus Arbeiten auf Papier, ein Medium, das Frankl besonders schätzte und das ihm eine Plattform für einen freien künstlerischen Ausdruck bot. Frankl gelang es mit seiner selbstentwickelten Mischtechnik aus Pastell, Gouache und teilweise Kohle, persönliche Erlebnisse in den Bergen künstlerisch einzufangen. Landschaftliche Motive und Ansichten der Alpen tauchen bereits in Frankls frühem Schaffen auf und durchziehen grosso modo sein gesamtes Œuvre. Die Ferne des Alltags, die Loslösung von Raum und Zeit sowie das damit verbundene Freiheitsgefühl machten die Berge für Frankl zu einem magischen Sehnsuchtsort. Als leidenschaftlicher Motorradfahrer und Bergsteiger durchquerte er mit seiner späteren Ehefrau Christine Büringer – Nichte des Malers und Mitglieds des Nötscher Kreises Sebastian Isepp – die Dolomiten mit seiner BMW-Maschine und nach 1949 von London aus mit einer Triumph Contessa.
Aufgrund Gerhart Frankls jüdischer Wurzeln floh das Ehepaar im Juli 1938 nach London. Nach neun entbehrungsreichen und unsicheren Jahren kehrten die beiden 1947 nach Wien zurück. Die Rückkehr war für sie keineswegs leicht, da der Verlust seiner Eltern Gerhart Frankl sehr quälte. In den nächsten Wochen und Monaten folgten eine Odyssee unzähliger Behördenwege mitsamt allerlei Schikanen sowie zahlreiche Besichtigungen von Wohnungen, deren Anmietung meist aus finanziellen Gründen scheiterte. Durch die Intervention des Kunsthistorikers Fritz Novotny und Karl Garzarolli-Thurnlackh, Direktor der Österreichischen Galerie von 1947 bis 1959, konnten die Frankls für ein Jahr in Räumlichkeiten im Unteren Belvedere wohnen. Damit wurde das Wiener Belvedere wichtigster Bezugspunkt des Künstlers – sowohl hinsichtlich seiner neuen Aufgabe als Restaurator an der Österreichischen Galerie als auch als wesentliche Inspirationsquelle seines künstlerischen Schaffens.
Frankl war entschlossen, in Wien wieder Fuß zu fassen, und versuchte sein soziales Netzwerk auf beruflicher wie privater Ebene wieder zu beleben und zu erweitern. Er hielt Vorträge und Vorlesungen, bewarb sich um eine Professorenstelle an der Akademie der Bildenden Künste, wurde Mitglied der Beratungs- bzw. Tauschkommission an der Österreichischen Galerie und fungierte als künstlerischer Leiter der Vierten Internationalen Hochschulwochen 1948 in Alpbach. Trotz dieser zahlreichen Beschäftigungen und bürokratischen Hürden war Frankl in den insgesamt 16 Monaten seines Wienaufenthalts künstlerisch höchst produktiv. Besonders die in jenen Monaten entstandene Belvedere-Serie besticht durch ihren formalen und stilistischen Variantenreichtum. Die barocke Umgebung des Belvedere bot Frankl ein optimales Spannungsfeld an Inspiration und führte zu einem intensiven und kreativen Schaffensprozess. Die Serie umfasst sechs Leinwände und über vierzig Studien, Zeichnungen und Aquarelle. Motivisch überwiegen der Blick über Wien sowie skulpturale Motive. Des Weiteren beschäftigte sich Frankl in dieser Werkserie intensiv mit kubistisch- konstruktivistischen Elementen und erreichte einen Höhepunkt im Gemälde Wien III.
Im Oktober 2015 wurde der bis zu diesem Zeitpunkt von Julian Sofaer geleitete Frankl Memorial Trust gemäß dem Wunsch und dem Testament von Christine Frankl aufgelöst und sämtliche Gemälde an das Belvedere übergeben. Das Belvedere, das für diesen wunderbaren Zugewinn sehr dankbar ist, besitzt nun das größte museale Konvolut von Leinwänden des Künstlers. Gerhart Frankl, dem es zu Lebzeiten nicht vergönnt war, nach dem Krieg seinen Lebensmittelpunkt wieder in seine Wiener Heimat zu verlegen, kehrt nun mit seinem Œuvre in seine Geburtsstadt zurück.