Die Personale fokussiert auf Inés Lombardis dicht gewobenen Werkkorpus der vergangenen fünf Jahre, der sich unter anderem durch eine verstärkte Auseinandersetzung mit Aspekten und Akteur(inn)en der brasilianischen Moderne auszeichnet. Wohn-, Landschafts- und Ausstellungsarchitekturen von Rino Levi, Roberto Burle Marx und Lina Bo Bardi bilden die Grundlage für Lombardis Reflexionen der künstlerischen und kulturellen Vergangenheit, um aktuelle Entwicklungen zu begreifen.
„So stand Levis Architektur in all ihrer modernistischen Formensprache im Dialog mit lokalen Bautraditionen, während Burle Marx seine bahnbrechenden Gartengestaltungen aus einem Dialog zwischen zeitgenössischen Gestaltungsmoden und seiner Kenntnis der lokalen Flora entwickelte und sich auch nicht scheute, als Respondent auf historische bauliche Gegebenheiten zu reagieren. Bo Bardi schließlich strebte in ihren Ausstellungsdisplays eine strukturelle Revision der Begegnung mit Kunst an und propagierte unter anderem eine Öffnung des Kunstbegriffs hin auf kulturelle Artefakte. Diese Absage an hierarchische Überformungen und absolute, zeitgenössische Setzungen zugunsten eines offenen Dialoges mit Vergangenem, Aktuellem und Künftigem spiegelt sich in Lombardis künstlerischer Arbeit wider.“
Verena Gamper, aus dem Katalog zur AusstellungBereits in ihrer Einzelausstellung Past Present – Close and Distant in der Wiener Secession 2011 führte Inés Lombardi ihr Interesse für die brasilianische Moderne anhand einer Auseinandersetzung mit einem modernistischen Gebäude von Rino Levi und Gartenanlagen von Roberto Burle Marx vor Augen. Zwei Jahre später inszenierte sie in der New Yorker 80 WSE Gallery eine Fortsetzung dieses Dialoges rund um eine Videoprojektion und ein Künstlerbuch, in dem unter anderem die in der Secession gezeigten Fotografien abgebildet waren. 2014 schließlich bezog sich Lombardi mit ihrer Präsentation auf der Biennale im kolumbianischen Cartagena auf ein Display der italo-brasilianischen Architektin Lina Bo Bardi, die seit den späten 1940er-Jahren in diversen brasilianischen Museen wegweisende Ausstellungsgestaltungen in der Tradition von Friedrich Kiesler entwickelt hatte. In ihrer kurz darauf stattfindenden Einzelausstellung transient stage bei Georg Kargl Fine Arts in Wien griff Lombardi das rudimentäre Holzgerüst als Präsentationsfläche für ihre Bilder wieder auf und nahm eine weitere Ausdehnung und Verdichtung ihrer Reflexionen über das Verhältnis von Natur und Kultur, individueller und kollektiver Erinnerung, Präsenz und Repräsentation vor.
Inés Lombardis Einzelausstellung in der Kunsthalle Krems stellt keinen gemeinhin mit einer Retrospektive assoziierten Überblick über das bisherige Schaffen der Künstlerin dar, sondern ermöglicht vielmehr einen Einblick in ihr künstlerisches Denken, das geprägt ist von einer andauernden Reflexion, Rekontextualisierung und Erweiterung ihres engmaschig gewobenen und beziehungsreichen Œuvres.
„Der ganze Raum scheint sich mit unendlicher Geschwindigkeit in der subjektiven Zeit der Wahrnehmung zu bewegen. Lombardi entwickelt ein Spiel mit visuellen Resonanzen und multiplen Zugängen. Darin falten und entfalten sich die Bilder in den Räumen zwischen Präsentabilität und Repräsentativität, auf Trägern von unterschiedlicher Transparenz, Reflexivität und Opazität; diese bewirken, dass `das Davor und Danach das gegenwärtige Bild durchdringen ́, wodurch das Paradoxon der zeitlichen Simultaneität zum Vorschein gebracht wird.“
Guilherme Pires Mata, aus dem Katalog zur AusstellungDie eigens für die Kunsthalle Krems entwickelte, komplexe Rauminszenierung gewährt einerseits einen Rückblick auf frühere Präsentationszusammenhänge von Inés Lombardis Werken, zum anderen stellt sie aber auch eine Weiterentwicklung ihres prozessorientierten Arbeitens und ihrer Auseinandersetzung mit Wahrnehmung und Zeitlichkeit dar: eine Retroprospective im geschichteten und umfassenden, transitorischen Raum der Gegenwart, in dem sich Vergangenes im Aktuellen manifestiert.
„Die Installationen von Inés Lombardi sind Paradebeispiele solcher Strategien, Narrative und Kompositionen zu bilden. Lombardi untersucht die dem Zwischenort innewohnenden Zweifel, um uns unerwartete Wege aufzuzeigen. Die zeitgebundene Form der Spirale kombiniert mit der raumgebundenen Form des Puzzles: Kartografie von spiralförmigen Linien auf der beweglichen Fläche eines Puzzles und/oder das Puzzle einer Landkarte, die sich an die Kurven einer Spirale anpasst. Sie sind wie komplexe visuelle Sinfonien, die im Ausstellungsraum entstehen.“
Guilherme Pires Mata, aus dem Katalog zur AusstellungDas Überschreiben oder Einverleiben von Geschichte, das die Gegenwart immer auch zur Trägerin von Vergangenem macht, reflektiert Inés Lombardi auch in der Verzahnung und Überlappung zwischen ihren einzelnen Arbeiten. In ihren Ausstellungen verfolgt sie den Verzicht auf ein standardisiertes Narrativ und bindet das Publikum als Akteur des kreativen Prozesses mit ein. Durch die Bewegung im Raum entstehen aus Fragmenten, Überlappungen, Verschiebungen und Relationen zusammengesetzte Bilder, wodurch die multiple Perspektive als wiederkehrender Topos im Œuvre der Künstlerin vor Augen geführt wird.
„Phänomenologische Wahrnehmung, das leibliche Erleben von räumlichen Situationen und das sinnliche Verstehen von Relationen [...] sind von grundlegender Bedeutung für Inés Lombardis künstlerische Arbeit. So überzeugt ihre Rauminszenierung in der Kunsthalle Krems durch präzise Setzungen, die zum einen das Gefüge zwischen den im Rahmen der Ausstellung präsentierten einzelnen Werke herstellen und so Situationen zwischen Objekt, Raum und Betrachtenden ermöglichen, zum anderen und mindestens ebenso wirkmächtig aber auch Strukturen und Relationen der Räume offenlegen.“
Verena Gamper, aus dem Katalog zur AusstellungNeben der bereits in der Secession 2011 und in New York 2013 gezeigten Videoarbeit Untitled (abertura) und dem 2014 bei Georg Kargl Fine Arts präsentierten 54-teiligen Bilderzyklus transient stage werden ausschließlich neue, speziell für die Kunsthalle Krems konzipierte Arbeiten zu sehen sein. Eingebettet in eine ausgeklügelte räumliche Inszenierung sind sie zu einem umfassenden Bild des künstlerischen Kosmos von Inés Lombardi verwoben und laden zur Begegnung und Auseinandersetzung mit ihrem vielschichtigen und beziehungsreichen Œuvre ein.
Kuratorin: Verena GamperZur Ausstellung erscheint ein 104 Seiten umfassender Katalog, der von Hans-Peter Wipplinger herausgegeben wurde, mit Beiträgen von Verena Gamper und Guilherme Pires Mata. Erhältlich um 19,90 € im Shop der Kunsthalle Krems sowie im Buchhandel.
Öffnungszeiten:Di - So und Mo wenn Feiertag 10.00 bis 18.00 UhrTICKETPREISEErwachsene € 10,00Ermäßigt € 9,00
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