Im Boom der Gründerzeit entstand entlang der Wiener Ringstraße eine Fülle an Palais und öffentlichen Prunkbauten. Mit der Ausstellung Klimt und die Ringstraße widmet sich das Belvedere im Sommer 2015 jenen charismatischen Ringstraßenmalern, die ihre Zeit maßgeblich geprägt haben. Ausgehend vom Oeuvre des Künstlerfürsten Hans Makart spannt sich der Bogen bis zum Triumph des jungen Malerkollektivs der Künstler-Compagnie rund um Gustav Klimt. Rekonstruktionen ganzer Dekorationsensembles führen dem Besucher den glanzvollen Lebensstil der Ringstraßenära vor Augen. Neben sinnlich-erzählerischen Einzelwerken werden erstmals auch Arbeiten des jungen Klimt gezeigt, die bislang noch nie öffentlich zu sehen waren. Die Wiener Ringstraße ist als eines der prägenden und markantesten architektonischen Ensembles der Stadt essenzieller Bestandteil des Weltkulturerbes Historisches Zentrum von Wien. Sie ist im ausgehenden 19. Jahrhundert Ausdruck des Anspruchs Wiens, das alleinige Zentrum der Donaumonarchie zu sein. Zugleich dokumentiert sie die Donaumonarchie als politische Großmacht auf dem europäischen Kontinent.Die Bebauung beginnt in den 1860er-Jahren und ist erst bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs weitgehend abgeschlossen. Mit ihr zeigt sich Wien als neues, dynamisch-repräsentatives Wirtschafts- und Handelszentrum.
Die Ringstraße als Abbild der Modernisierungsbestrebungen der k. u. k. Monarchie vermittelt auch architektonisch den Übergang von der mittelalterlichen Bürgerstadt zu einer modernen, industriell geprägten Metropole. Auf der einen Seite repräsentieren Bauten wie das Burgtheater oder das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum den kulturellen Führungsanspruch der Monarchie und die Neue Hofburg die politische Macht des Kaiserhauses, auf der anderen Seite dokumentieren die Palais des Großbürgertums, das Parlament, die Börse oder der Musikverein das wirtschaftlich wie kulturell erwachte Selbstverständnis der großbürgerlichen Gesellschaft.
Diese Doppelfunktion der Kultur im Fall des Kaiserhauses als Symbol politischer Autorität, im Fall des Großbürgertums als Zeichen wirtschaftlicher Macht lässt sich an der Architektur der Ringstraße ablesen. Demzufolge können die Raumausstattungen der Gebäude als Ausdruck des jeweiligen kulturellen Selbstverständnisses verstanden werden. Mit der Ausstellung Klimt und die Ringstraße beabsichtigt das Belvedere daher, die Kunst der Ringstraßenzeit, ihre Sammler und ihre Sammlungen zu beleuchten. Da die einzelnen Aspekte der Malerei, Plastik und Architektur bisher überwiegend isoliert in wissenschaftlichen Darstellungen aufgearbeitet wurden, fehlen die Zusammenhänge mit den Sammlernnd Mäzenen der Ringstraße, die weitgehend ausgeblendet wurden.
Anhand von Ausstattungsbildern für öffentliche Gebäude und Privatwohnungen lassen sich die unterschiedlichen künstlerischen Positionen vergleichen, Ausstellungsobjekte vermitteln Stilwandel und Kontinuitäten. Gezeigt werden Werke der am Historienbild orientierten Schule Carl Rahls, des Farbenmagiers Hans Makart und des jungen, aufstrebenden Malers Gustav Klimt, der in der Ausstellung mit frühen Referenzwerken vertreten ist, die Höhepunkt und Abschluss der Malerei der Ringstraßenzeit repräsentieren.
Mit der Ausstellung zum 150. Jubiläum der Eröffnung der Ringstraße unternimmt das Belvedere daher den Versuch, den künstlerischen Wandel während der sich über 50 Jahre hinziehenden Bebauung der Ringstraße erkennbar zu machen. Stetige Veränderung, Diskrepanz und Kontinuität sind letztlich die Kennzeichen dieser Zeit des rasanten industriellen Aufbruchs, der alle Bereiche, sei es Ökonomie, Politik, Gesellschaft oder Kunst, betraf.
So werden in der Ausstellung Ausstattungsbilder für das Burgtheater und das Kunsthistorische Museum, Entwürfe für die prunkvollen Räume des Palais Epstein, Makarts Gemälde für Nikolaus Dumbas Arbeitszimmer, Teile der Ausstattung von Dumbas Musikzimmer von Gustav Klimt und der Künstler-Compagnie wie auch Mobiliar aus Makarts Besitz zu sehen sein. Stücke aus dem Besitz von Mäzenen wie Friedrich von Leitenberger und Nikolaus Dumba werden ebenso präsentiert wie Pretiosen aus den Sammlungen der Familie Bloch-Bauer. Die Ausstellung erlaubt einen differenzierten Blick auf eine Epoche, die mit ihren industriellen Produktions- und Reproduktionsmitteln die Möglichkeiten handwerklicher Erzeugung vielfach übertraf und sich auf der Suche nach einem neuen künstlerischen Wertekanon befand.