Dieses Zitat gibt Einblick in die Gedankenwelt des wichtigen österreichischen Malers Leopold Ganzer, dessen uvre wir mit einer umfangreichen Sonderschau im Wiener Künstlerhaus würdigen. Die Ausstellung soll interessierte Besucher und Sammler teilnehmen lassen am Empfindungsreichtum und an der Formensprache des Künstlers, in dessen Schaffen das Thema „Natur“ im Mittelpunkt steht.
Leopold Ganzer begann seine Ausbildung an der Innsbrucker Kunstgewerbeschule in der Klasse für Bildhauerei bei Hans Pontiller, musste diese aber kriegsbedingt schon nach kurzer Zeit abbrechen. Zu Beginn der 1950er Jahre lebte der junge Maler in der Schweiz, wo er durch den regen Ausstellungsbetrieb in den Metropolen Zürich und Basel mit zeitgenössischen Kunstströmungen in Kontakt kam. Ab 1952 setzte Ganzer seine Studien an der Akademie der bildenden Künste in Wien im legendären Abendakt von Herbert Boeckl sowie in der Meisterklasse von Robin Christian Andersen fort, die er 1958 mit der Verleihung des Staatspreises abschloss. Anschließend kehrte er für einige Jahre in seine Heimat zurück, um sich zunächst in größter Abgeschiedenheit auf einem Bauernhof in Thal bei Lienz ganz seiner künstlerischen Tätigkeit zu widmen. Wenn er hier den Blick aus dem Fenster warf, sah er nichts anderes als gewaltige Berge. Er beobachtete ihre Veränderungen im Laufe des Tages und im Wechsel der Jahreszeiten, und die Vielfalt ihrer Erscheinungsformen erfüllte ihn mit Staunen. Er versuchte seine Erkenntnisse durch einfache Farbschraffuren auf die Leinwand zu bannen und so Dinge zu gestalten, die das nicht Fassbare, sich ständig Verändernde vermitteln sollten.
Nach seiner Heirat folgte 1962 die Übersiedlung nach Lienz, in eine Kleinstadt, die für moderne Malerei wenig Verständnis aufbrachte. Ganzer arbeitete in dieser Zeit als Kunsterzieher, engagierte sich darüber hinaus aber schon bald für die Schaffung einer Ausstellungsplattform für Osttirols Künstler (Städtische Galerie Lienz), die 1964 ihren Betrieb aufnahm und deren ehrgeiziges Ziel es war, zeitgenössische Malerei in Osttirol zu etablieren. Sein Schaffen der späten sechziger Jahre zeigt einen tiefgreifenden Stilwandel. An die Stelle von spontanen und farbintensiven abstrakten Kompositionen traten nun strenge Linien und monochrome Flächen. Die Inspirationen kamen nicht mehr aus der lebendigen, bewegten Natur, sondern aus der künstlichen Welt der Technik. Diesen Weg setzte Ganzer auch nach einem Studienaufenthalt in Paris im Jahr 1966 und einer Tätigkeit als Dozent an der Kunstschule Mannheim von 1970 bis 1971 fort.
Im Jahr 1971 übersiedelte Leopold Ganzer schließlich mit seiner Frau und seinem Sohn nach Wien. Seine Werke der 1970er Jahre atmen ganz den Geist der damals aktuellen Pop-Art. Die präzise Malweise, die häufig geometrische Tendenzen aufweist, die kräftigen Farben sowie die generelle Nähe zum Design sind für eine Malerei charakteristisch, die damals stark von den neuen Medien wie Fotografie, Film und Werbegrafik beeinflusst wurde. Für den Künstler stellte diese Periode eine Rückbesinnung auf die wesentlichen Gestaltungsmittel der bildenden Kunst dar, die da sind: Punkt, Linie und Fläche, Rhythmus, Hell-Dunkel-Kontraste sowie das Verhältnis der Proportionen zueinander. Seine Gemälde jener Jahre vermitteln Farbbewegung von erstaunlicher Vielfalt und bekräftigen eine Aussage von Wassily Kandinsky: „Wenn unser Sehen sich nicht mehr ausschließlich an gegenständliche Formen klammert, erleben wir Farbe und farbige Zusammenhänge, aber auch die Formenwelt auf eine völlig neue Art und Weise.“
Zusätzlich zu seiner freischaffenden Tätigkeit begann Ganzer an der Kunstgewerbeschule Herbststraße zu unterrichten und engagierte sich vermehrt für die Rechte der Künstler. Er wurde zum Präsidenten des Berufsverbands und zum Vorstandsmitglied der Verwertungsgesellschaft für bildende Kunst gewählt.
Als Leopold Ganzer 1980 auf der Pedarnig Alm in Osttirol Urlaub machte, wurde er erneut von der Bergwelt inspiriert. Er war ergriffen von der Vielfalt der Strukturen in der felsigen Landschaft und suchte nach Möglichkeiten, ihr im Bild Form zu geben. Ganzer gelangte über die Vereinfachung zur Auseinandersetzung mit der Kleinstruktur und damit „zum Kleinen, das für das Große steht“. Er verteilte kleinteilige Elemente über die ganze Fläche der Leinwand und wiederholte sie. Dabei entstand eine unruhig bewegte Malerei, die sich über den Rand der Leinwand hinweg fortzusetzen scheint.
Diese neue Gestaltungsweise rückte die subjektive Handschrift des Künstlers wesentlich stärker als bisher in den Vordergrund. Das Motiv der Landschaft, das fortan sein Schaffen begleiten sollte, wurde in verschiedene Techniken und immer neue Farb- und Formkreationen übersetzt. Die großzügigen, in lockeren Pinselschwüngen auf Leinwand oder Papier hingeworfenen Kompositionen nehmen ihren Ausgangspunkt stets im Erlebnis der Natur und verwandeln das Geschaute in eindrucksvolle Gemälde, die in zunehmendem Maß jegliche Gegenständlichkeit hinter sich lassen. In seinen abstrakt erscheinenden Werken bleibt das Naturerlebnis für den Betrachter aber dennoch latent spürbar und vermittelt so einen unmittelbaren Bezug zur Schöpfung. In ihrer Darstellungsweise zeigen diese Arbeiten Leopold Ganzers eine deutliche Verwandtschaft mit den Gemälden von Herbert Boeckl, Max Weiler, Wolfgang Hollegha und Peter Krawagna und können mit dem Begriff „Naturabstraktion“ trefflich charakterisiert werden.
Die letzte Schaffensphase des Künstlers wurde 1989 mit der Übernahme eines Gartens am Schafberg eingeleitet, der – auf einer Anhöhe am Rande des Wienerwalds zwischen Neuwaldegg und Pötzleinsdorf gelegen – in Kontrast zur schroffen Tiroler Bergwelt stand. Leopold Ganzers Bildthemen drehten sich nun nicht mehr um gewaltige Berge und Felsen, sondern um den Kreislauf der Natur. Dieser Prozess der Veränderung fand seinen Ausdruck in einer dynamischen Malerei mit gänzlich aufgelösten Formen. Ganzer interessierte sich nun nicht mehr für das konkrete Abbild eines Objektes, sondern versuchte vielmehr, ein Sinnbild dafür zu schaffen. Befreit von den äußeren Erscheinungsformen, wandte sich der Maler zunehmend seinen persönlich erlebten Innenwelten zu und orientierte sich in der Farbwahl an seinem geistigen, seelischen und körperlichen Befinden. So stellen die Gemälde jener Jahre eine gelungene Synthese von Natur, Mensch und Abstraktion dar.
Öffnungszeiten/Eintrittspreise:
18. - 26. April 2015 - Täglich 11 - 19 Uhr
für geladene Gäste:Preview - Freitag, 17. April um 17 UhrVernissage - Freitag, 17. April um 19 Uhr
EINTRITTSPREISE€ 13,- /ermäßigt € 10,- (für Studenten und Senioren)
Einmalig freier Eintritt mit NÖ-Card
Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre
Freier Eintritt für Studenten am Montag, 20.4.Freier Eintritt für Damen am Donnerstag, 23.4.Freier EIntritt für Herren am Freitag, 24.4.
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