Supermarket of the Dead. Brandopfer in China und der Kult des globalisierten Konsums. Präposition IIIEine der ältesten Formen chinesischen Volksglaubens erweist sich als lebendiger Brauch, der überall in der Kultur Chinas praktiziert wird: Brandopfer papierener Nachbildungen von Geld und Gütern, die mit dem Verbrennen Ahnen, Göttern und Geistern übergeben werden, um sie günstig zu stimmen oder ihre Nöte zu lindern, denn die chinesische Jenseitsvorstellung verbürgt eine Spiegelung der wirklichen Welt, und die Geister der verstorbenen Verwandten sind als empfindungsfähige gedacht.
Diese Papiermodelle haben sich jüngst von der Nachahmung traditioneller Erzeugnisse zu Abbildungen des westlichen Warenhauses gewandelt, denn man will den Angehörigen in der Nachwelt eben jene Güter zukommen lassen, die man selbst begehrt. So entstand eine Gegenwelt aus Papier, in der heute fast alle globalisierten Fetische des Markenkonsums, Gucci-Taschen, Prada-Schuhe, Louis Vuitton-Koffer, Chanel-Accessoires, Mobiltelephone, Apple-Computer, aber auch Heineken-Bierdosen und lebensgroße Autos dem Feuer übergeben werden, um sie den Vorfahren zu widmen.
Ein Supermarket of the Dead in der Festetage des Dresdner Residenzschlosses zeigt diesen gleichermaßen vertrauten wie verfremdeten Warenberg. Sein Anblick gewährt wesentliche Einsichten: Man erkennt die mit dem totalen Weltmarkt erreichte weltweite Verbindlichkeit der westlichen Verehrung von Markennamen und Luxusgütern. Man sieht, wie schnell sich die chinesische Gesellschaft an einer globalen Ordnung der Bedürfnisse ausgerichtet hat und sie zugleich mit einem mindestens 1300 Jahre alten Ritual verknüpft. Und man wird hingewiesen auf den quasi-sakralen Fetischismus im eigenen Konsum namhafter Markenprodukte, deren Nutzen nicht im Gebrauch, sondern in der ideellen Teilhabe an einem System von Bedeutung besteht – einem magischen Verhältnis also. Brandopfer und Markengeltung eint die Logik der Repräsentationsmagie, in der man der Befriedigung seiner Bedürfnisse nur mehr stellvertretend im Bild genügt.
Den zeitgenössischen Exponaten, die in der Form der Warenauslage eines abstrahierten Supermarkts gezeigt werden, stehen in der Ausstellung sehr seltene historische Beispiele von diesen für das Feueropfer dienenden Papiermodellen aus den Depots der Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden gegenüber, in denen die lange Tradition des Kults anschaulich wird. In der Ausstellung wird auch die Sammlung der Hongkonger Künstlerin Rosanna Li präsentiert, die über mehrere Jahrzehnte hinweg viele hundert Papierfaksimiles von Schuhen zusammentrug, an denen sich die jüngere Entwicklung der Simulakra für die Ahnenverehrung ablesen lässt.
Das Projekt wurde durch die Museum & Research Foundation ermöglicht.