STUTTGART. Ein großformatiges Gemälde mit Blick auf das neapolitanische Volksleben ist ein Blickfang im Angebot der 687. Auktion Kunst und Antiquitäten, die am 10. und 11. Oktober 2012 bei Nagel in Stuttgart stattfindet. „Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkner Selbstvergessenheit. Mir geht es ebenso, ich erkenne mich kaum, ich scheine mir ein ganz anderer Mensch“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe einst in sein Reisetagebuch. Ein Maler des 19. Jahrhunderts hat diese Beschaulichkeit auf seine Weise und ganz naturalistisch in Öl auf Leinwand festgehalten. Die Erinnerung an das unbekümmerte Treiben auf dem Land mit einer schönen Wasserträgerin im Zentrum und weiteren Figuren ist hier in einer dekorativen Fassung zu kaufen (Maße 145 x 182 cm, Schätzpreis 9.000 €).Exotische Akzente setzt Max Nonnenbruch (1857-1922) mit seiner „Jungen Bacchantin“. Sie hält einen Thyrosstab, welcher der griechischen Mythologie entlehnt ist und dort als Attribut des Dionysos und seiner Begleiter auftaucht. Der weibliche Halbakt mit selbstbewusstem Blick und lediglich mit einem um die Hüfte geschlungenen Tuch bekleidet mutet auf diese Art an wie eine antike Priesterin. Max Nonnenbruch, über den relativ wenig bekannt ist, malte mit Vorliebe Frauengestalten, die auf dem internationalen Kunstmarkt hoch gehandelt werden (130 x 79 cm, Schätzpreis 4.800 €). Eindeutig orientalisches Flair verbreiten ein „Ponthieux“ signiertes Gemälde mit Blick auf eine orientalische Hafenstadt am frühen Morgen (3.500 €) sowie ein Aquarell mit der Darstellung von Istanbul im Morgenlicht (2.500 €).
Unter den Gemälden Alter Meister gehören zwei Gegenstücke von Michele Marieschi (1710- 1743) zu den Höhepunkten. Die Darstellung von Flusslandschaften mit Ruinen gehören zu den charakteristischen Werken des Venezianers und befinden sich zudem in sehr gutem Zustand (Öl auf Leinwand, jeweils 59 x 92 cm, Schätzpreis 180.000 €). Auch der ältere Italiener Ippolito Scarsella, gen. Scarsellino (um 1550-1620), war schon von der venezianischen Malerei beeinflusst, was seine „Madonna mit dem Christusknaben in felsiger Landschaft zeigt (Öl auf Leinwand, 137 x 115 cm, Schätzpreis 25.000 €).
Das Skulpturenangebot umfasst niederrheinische, süddeutsche und alpenländische Werke ebenso wie spanische und französische. Herausragend ist etwa eine niederrheinische Figur der Anna Selbdritt, um 1490, mit Resten der originalen Fassung (Höhe 82 cm, Schätzung 30.000 €). Ebenso steht ein Hl. Bernhard aus dem Umkreis von Hans Klocker zum Verkauf (Höhe 92 cm, Schätzung 28.000 €). Auch eine Sammlung früher europäischer Kleinbronzen des 16. und 17. Jahrhundert gelangt mit der Auktion zur Auflösung (Schätzpreise bis 25. 000 €), darunter ein „Herkules“ in Bronze aus einer Florentiner Werkstatt (15.000 €).
Bei den Möbeln fällt ein prächtiger Bibliotheksschrank mit feiner Boulle-Marketerie ins Auge. Die Teile dazu stammen wohl aus dem frühen 18. Jahrhundert, wurden aber erst im 19. Jahrhundert aufgebaut (Schätzung 25.000 €). Die Sparte wartet sowohl mit einem gotischen, deutschen Stollenschrank des 16. Jahrhunderts auf (12.000 €) als auch mit einem prächtigen, italienischen Barockkabinett der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf (8.000 €). Ein Zierkästchen aus der Werkstatt von Abraham Roentgen (8.000 €), ein Reliquienschrein aus Oberitalien mit Halbedelsteinbesatz (70.000 €) sowie ein Paar bedeutender italienischer Fauteuils (25.000 €) runden das Angebot ab.
Zur Versteigerung kommt auch eine Uhrensammlung, die in einem gesonderten Katalog beschrieben wird. Bei den Objekten handelt es sich überwiegend um Uhren vom Ende des 18. Jahrhunderts und aus dem 19. Jahrhundert. Moderate Schätzungen von 500 € bis 4.500 € machen diese Offerte für ein breites Sammlerpublikum interessant. Weitaus ungewöhnlicher ist eine Sammlung von Uhrenschlüsseln, die mit dieser Auktion ebenfalls zur Auflösung gelangt. Dabei handelt es sich um Uhrenschlüssel von Groß- und Taschenuhren, deren Griffe aus verschiedensten Materialien gearbeitet worden sind. Sie stammen aus dem Besitz des Wiener Gastwirts Franz Gareiss, der nach dem Börsenkrach von 1929 zahlungsunfähige Gäste ersuchte, Uhren oder Uhrenschlüssel als Pfand zu hinterlassen.
Auch die Sparte Kunsthandwerk kann auf eine ganze Sammlung verweisen. Es handelt sich um die Sammlung Neuner, die Krüge unterschiedlichster Materialien umfasst. Zu den Besonderheiten zählen ein Silber-Email-Deckelhumpen von Pawel Owtschinnikow (35.000 €), ein Deckelhumpen aus Meerschaum, zweite Hälfte 19. Jahrhundert (28.000 €) und ein Jagdhumpen aus geschnitztem Buchbaumholz von Johann Rint (1814-1900). Rint stammte aus Böhmen und war 1865 zum Hofschnitzer ernannt worden (32.000 €).
Tafelsilber ist ebenfalls zu erstehen, unter anderem mit Monogramm von Herzog Leopold IV. von Anhalt-Dessau versehene Teller, Terrinen und Saucieren, welche von den Berliner Firmen Hossauer und Friedländer Mitte des 19. Jahrhunderts gearbeitet wurden. Aus der Jugendstil-Zeit stammen eine von Peter Strang für die Meißener Manufaktur gearbeitete „Groteske Figur“ sowie eine Kaminuhr mit Putti, die Paul Scheurich für Meißen entworfen hat (je 2.500 €).
Vorbesichtigung 5. bis 8. Oktober 2012