München, 15. Mai 2020 (KK) – Sie haben bedeutende Provenienzen und spannende Geschichten. Zudem sind die beiden Arbeiten von Lovis Corinth und Max Liebermann Paradebeispiele für gute Lösungen im Umgang mit Raubkunst. Nun werden die beiden Werke anlässlich der 500. Jubiläums-Auktion am 17./18. Juli 2020 bei Ketterer Kunst in München versteigert.Lovis Corinths „Tiroler Bauernstube“ vereint mit dem Berliner Architekten Leo Nachtlicht und dem Textilfabrikanten Robert Graetz gleich zwei wichtige jüdische Sammlerpersönlichkeiten in ihrer Provenienz. Letzterer erwarb das Ölgemälde 1932, noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, von seinem Freund Leo Nachtlicht, der im Zuge der Weltwirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Doch in den Jahren bis 1941 wurde die renommierte Sammlung Robert Graetz aufgrund von nationalsozialistischer Verfolgung zerstreut, durch Plünderungen ebenso wie durch eine Zwangsversteigerung, die kurz vor der Deportation des Sammlers erfolgte. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt „Rekonstruktion der Sammlung Robert Graetz und Forschung zum Verbleib der vermissten Werke“ konnte nun eine gerechte und faire Lösung zwischen dem Privateigentümer und den Erben nach Robert Graetz vermittelt werden. Das Werk geht mit einem Schätzpreis von € 40.000-60.000 an den Start.
Einen absoluten Glücksfall für die Provenienzforschung stellt Max Liebermanns „Brink (Dorfanger) in Laren” dar. Die Arbeiten dieses zentralen jüdischen Künstlers, vor allem seine beliebten Zeichnungen, fanden sich in fast allen renommierten jüdischen Sammlungen. Da Liebermann aber keine Titel vergab und immer wieder ähnliche Motive variierte, ist es ohne fotografische Dokumentation kaum möglich, Raubkunst klar zu identifizieren.
Umso erfreulicher ist in diesem Fall die Existenz eines alten Fotos aus der Wohnung des bekannten Berliner Unternehmers Max Cassirer. Es zeigt die Kreidezeichnung Liebermanns prominent neben dem Kamin. Cassirer war in den goldenen 1920er Jahren ein sehr anerkanntes Mitglied des gesellschaftlichen Lebens in der Hauptstadt und so kann man davon ausgehen, dass zahlreiche Honoratioren schon vor diesem Werk standen.
Die Nationalsozialisten zwangen den jüdischen Sammler jedoch ins Exil und beschlagnahmten seine wertvolle Wohnungseinrichtung. Aus den Händen des Oberfinanzpräsidenten erwarb 1942 der Kunsthändler Hans W. Lange das Blatt – ein zweites in dem von den Besatzungsmächten eingerichteten Central Collecting Point München angefertigtes Foto vervollständigt die Provenienzkette. Heute wird die Kreidezeichnung mit Einverständnis der Erben Max Cassirers nach einer gütlichen Einigung im Sinne aller betroffenen Parteien mit einem Schätzpreis von € 8.000-10.000 angeboten. Da sich Max Cassirer zeitlebens als Förderer der Reformpädagogik engagiert hat, kommt ein Teil des Versteigerungserlöses einem Schulprojekt zugute.