„Es gibt keine moderne Kunst, es gibt nur eine Kunst und die ist immerwährend.“ Mit diesem legendären Einleitungssatz, der drei Jahre später im Manifest „Die Kunst – der Neukünstler“ in leicht veränderter Form publiziert werden sollte, eröffnet Egon Schiele seine furiose Beschwörung der Genialität, der Subjektivität und der absoluten Freiheit des Künstlers und der Kunst.Der Satz entstammt Schieles vier Seiten umfassendem Kunstmanifest, welches das Dorotheum am 26. November 2019 im Rahmen der Auktion „Moderne Kunst“ versteigern wird. Der Schätzwert beträgt 20.000 bis 40.000 Euro.
Das Schreiben an einen unbekannten Adressaten vom 17. Juli 1911 gerät ihm, der als gerade 21-Jähriger bereits zu seiner ureigenen expressionistischen Bildsprache gefunden hat, zu einem Manifest der Kreativität und der Göttlichkeit der Kunst: „Das Kunstwerk kann man nicht besehen, sondern man kann nur hineinschauen können, und dazu sind wenige begabt, ich danke Gott. Die Menge ist natürlich unmaßgebend für das Kunstwerk, der Große ist einzig. Immer ein großer Mensch führt die Masse. Das wirkliche Kunstwerk ist die Offenbarung einer speziellen Künstlernatur, der Gegenstand ist gleichgiltig, er ist unsterblich […] Die Göttlichkeit der großen Kunst wird deshalb immer unsichtbarer, weil man glaubt die Masse könne urteilen […] Urteilen muss der Künstler selbst über sich, ein Zweiter kann überhaupt nicht urteilen, weil er zu klein ist dazu! Nur ein Größerer könnte urteilen, also muss der ein höherer Künstle
Das kalligrafisch streng stilisierte Schreiben bietet uns, wie kaum etwas anderes, tiefe Einblicke in das Selbstverständnis und in die Psyche des Menschen und Künstlers Egon Schiele.