München, 24. Oktober 2018 (kk) – „Herbstwolken, Friesland“ ist ein gewaltiges Naturschauspiel und ein absolutes Meisterwerk. Nun wird der Blick aus Emil Noldes Wohnhausfenster in den Auktionen vom 6.-8. Dezember bei Ketterer Kunst in München versteigert. Die Taxe liegt bei € 1.200.000-1.500.000.Mit leuchtenden Farben und sich auflösenden Formen bringt dieses Ölgemälde in ganz einzigartiger Weise die mystische Naturauffassung Emil Noldes zum Ausdruck. Grünes Marschland schmiegt sich an die Spiegelung der abendroten Sonne im Wasser, während am Himmel wilde Naturgewalten toben. Über dem tiefen, schwefelgelb beregneten Horizont wirbeln in kraftvollen Pinselstrichen grelloranges Leuchten, schwarzgraue Wolkentürme und gleißendes Himmelsblau ineinander.
Das gewaltige Naturschauspiel weckt nicht nur den Assoziationsreichtum im beziehungsreichen Kraftfeld menschlicher Gefühle. Es lassen sich in den Wolkengebilden auch die Gesichter zweier urtümlicher, feuerspeiender Wesen erahnen. Und könnte deren Kampf die verunsicherte Umbruchszeit zwischen Blutmai und Schwarzem Freitag illustrieren, in der dieses Werk entstand? Was auch immer der Betrachter in diesem fulminanten Meisterwerk lesen mag, es wird ihn in keinem Fall unberührt lassen.
Unberührt ließ hingegen Gerda Schilling wohl Ernst Ludwig Kirchner, zumindest verlieh der Künstler 1915 seinem „Selbstporträt mit Gerda (Mann und Sitzende im Atelier)“ diesen Anschein. Die farbige Kreidezeichnung ist von einem sitzenden Rückenakt bestimmt, in dem unschwer Erna Schillings jüngere Schwester Gerda zu erkennen ist. Ihre erotische Ausstrahlung scheint sogar auf die Dinge überzugreifen und wie ein Fluidum den ganzen Raum zu erfüllen. Nur der Künstler selbst schafft mit seinem verschlossenen Gesicht und seinen übereinander gelegten Arme eine abschirmende Distanz, was seinen Grund auch darin haben könnte, dass nach drei Sommeraufenthalten mit Erna auf Fehmarn die Entscheidung für sie als Lebensgefährtin bereits gefallen ist. Die Atelierszene, in der die Verbindung von spontanem dynamischem Entwurf und atmosphärischem Zusammenklang der Farben für eine vollendete Komposition sorgen, kommt mit einer Schätzung von € 400.000-600.000 zum Aufruf.
Aus der spannenden Zeit der Scheibenbilder stammt die „Schwarze Sternenbahn“ von Ernst Wilhelm Nay. Diese Periode zählt innerhalb der zehn Schaffensphasen im Œuvre des Künstlers zur national und international gefragtesten. Ein perfektes Beispiel, das diesen Typus in seiner reinsten Form verkörpert, ist dieses 1955 entstandene Ölgemälde, eine bis ins Detail durchdachte Farbchoreographie, die ein ausgeklügeltes Wechselspiel von Leichtigkeit und Schwere erzeugt. Der Künstler verzichtet hier fast vollständig auf linienförmige Gestaltungselemente und so lebt die Komposition allein von den auf unterschiedlichen Bildebenen schwimmenden Farbkörpern. Die zarten Türkis-, Taupe- und Koralletöne auf der einen Seite und die kräftigen Blautöne mit Farbgloriolen auf der anderen Seite werden von schwarzen und weißen Farbfeldern umrahmt. Die dunklen Flächen betonen dabei die bildbestimmende Diagonale, die der Arbeit den entscheidenden Impuls gibt und sich im Titel wiederfindet. Der Schätzpreis für diese über die Leinwand geradezu schwebende und dahinfließende Komposition liegt bei € 400.000-600.000.
Bemerkenswerte Lose kommen neben Werken Gerhard Richters (u.a. „Porträt Schniewind“, € 800.000- 1.200.000), Günther Ueckers (u.a. „Zärtlicher Garten“, € 600.000-800.000) und Ernst Wilhelm Nays auch von Erich Heckel („Badende am Stein“, 1914, Taxe: € 500.000-700.000) und August Macke („Begrüssung“, 1913, Taxe: € 350.000-450.000) sowie von Georg Baselitz, Joseph Beuys, Max Bill, Lovis Corinth, Tony Cragg, Otto Dix, Karl Hofer, Alexej von Jawlensky, Asger Jorn, Wilhelm Lehmbruck, Sol LeWitt,Roy Lichtenstein, Max Liebermann, und László Moholy-Nagy.