Im Rahmen der Berlin-Auktion werden bei Lempertz in Berlin am 30. April sowjetische Porzellanfiguren aus der Sammlung Grigorij Schargorodskij sowie russische Theaterkostümzeichnungen alter österreichischer Provenienz versteigert. Am 30. April um 14.30 Uhr beginnt der zweite Teil der Berlin-Auktion, der sich auch in diesem Jahr auf Russland konzentriert. In einem Sonderkatalog werden 67 zu versteigernde Porzellane aus der Sammlung Schargorodskij gezeigt.Die hochwertigen Porzellane aus der Sammlung des Grigorij Schargorodskij zeigen einen repräsentativen Querschnitt durch die Entwicklung der russischen Figurenproduktion des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und spiegeln dabei beispiellos den historischen Wandel von Land und Volk in dieser ereignisreichen Epoche wider. Die Befreiungskriege Anfang des 19. Jahrhunderts beförderten in Russland eine nationalistisch gesinnte Stimmung, die auch in der Gestaltung der Plastiken klar erkennbar ist. Exemplarisch zu nennen sei das Porzellanpärchen Russische Bauersleute (Schätzpreis 6.000–8.000 €) aus der Manufaktur Gardner, das deutlich den Stolz und die Selbstsicherheit des russischen Volks in der vorrevolutionären Zeit veranschaulicht.
Mit der Revolution Anfang des 20. Jahrhunders wurde die Kaiserliche Porzellanmanufaktur in Staatliche Porzellanmanufaktur umbenannt und änderte unverzüglich das Produktionsrepertoire. Das neue Figurenprogramm wurde weitgehend von der Künstlerin Natalija Danko getragen, deren Schaffen den Wandel zur modernen Porzellanfigur repräsentiert. Danko wurde 1919 als Leiterin der Skulpturenabteilung der Staatlichen Manufaktur ernannt und entwarf den neuen, politischen Stil. Sie kreierte das revolutionäre Frauenbild in Porzellan und schuf eine Reihe von Frauenplastiken wie Eine Rede haltende Arbeiterin (8.000–10.000 €) oder Psyche (4.000–6.000 €), die besonders deutlich die Revolutionsbegeisterung und Freude über die neu gewonnene Gleichberechtigung der Frau verkörpern.
Schargorodskijs umfangreiche Sammlung zeigt, dass auch die kleineren Manufakturen den revolutionären Gedanken in ihre Werke aufnahmen und Arbeiterdarstellungen produzierten. "Der auf 3.000 bis 4.000 Euro geschätzte Bergmann aus der Manufaktur Dmitrovsk posiert stolz nach vollendeter Arbeit mit geschulterter Hacke; seine Haltung eine moderne sowjetische Interpretation des Davids von Michelangelo, aber sein Gesicht eben nicht von klassischer Schönheit geprägt sondern von Willensstärke, physischer und mentaler Kraft", so Dr. Ingrid Gilgenmann, Lempertz-Expertin und Leiterin der Abteilung Kunstgewerbe. Kunsthaus Lempertz KG