Aus seiner hochkarätigen Spielzeugsammlung zeigt das Bayerische Nationalmuseum rund 60 oft- mals vielteilige Objekte – vom laienhaft geschnitzten Holztier bis zur kostbaren Porzellanpuppe.Der Struktur der Sammlung entsprechend liegen die Schwerpunkte auf Objekten aus großbürger- lichem Besitz – Zeugnisse für die hochstehende Spielkultur des 19. Jahrhunderts in gutsituierten Kreisen, und der handwerklichen Massenproduktion aus Schnitzer-Orten wie Oberammergau.
Viele der fragilen Kostbarkeiten lassen Zweifel aufkommen, ob sie je in Kinderhände gegeben wurden oder ob nur unter Anleitung Erwachsener damit gespielt werden durfte. Noch heute ist an- spruchsvoller Modellbau Männersache und so mag es auch mit den ausgestellten Eisenbahn- modellen des 19. Jahrhunderts gewesen sein, die aus gedruckten Modellbaubögen in unendlicher Geduld, mit Sorgfalt sowie Geschicklichkeit gebaut wurden. Der ebenfalls präsentierte Druck- bogen eines Tenders lässt die Anforderungen an den Modellbauer erahnen.
Wichtig waren, wie auch heute bei pädagogisch wertvollem Spielzeug, erzieherische Inhalte. Bezaubernd schöne Spiele für „Höhere Töchter“ bereiteten diese auf ihre Rolle in der Gesellschaft vor, als Vorstand eines Haushalts und als Dame. Anziehpuppen präsentierten die Regeln der Mode, die „Sprache der Blumen“ erlernten die Mädchen mit einer Art Lottospiel. Buben wurden spielerisch mit ihren späteren Aufgaben in Wirtschaft und Technik vertraut gemacht, die Geogra- phie mit Karten von Kontinenten oder dem ganzen Globus als Puzzle vermittelt. Ein Spiel mit Bezug zum Rohstoffhandel ist der „Kleine Holzkenner“, bei dem anhand von Klötzchen verschie- dener Holzarten deren Eigenschaften, Verwendung und Herkunft erlernt und abgefragt wurden. Am Spielaltar probte der angehende Nachwuchs mit liturgischem Gerät in Miniatur aus Zinnguss die Zeremonien des geistlichen Standes. In Österreich konnten künftige Bildungs- und Staatsbür- ger durch die Historienbilder des „Kleinen Belvedere“, dem Papiermodell der berühmten Bilder- galerie samt zugehörendem Buch mit Erzählungen der dargestellten Ereignisse an die vaterlän- dische Geschichte herangeführt werden.
Auch Knobel-, Geschicklichkeits- und Glücksspiele für Kinder werden gezeigt. Für die beeindru- ckenden Entwicklungen optischer Spielzeuge stehen die „Lebenden Bilder“, ein verbessertes Daumenkino, das als Hands-On-Station zum Ausprobieren einlädt. Staunen erregt ein Mikado – auch „Federspiel“ genannt – aus kleinen Harken, Sensen, Leitern, Hopfenstangen, Ofenschiebern und weiteren schmalen, langen Geräten.
Schließlich sind mit einfachen geschnitzten Soldaten, Pferden mitsamt Knecht im Stall oder einer Erzgebirgischen Arche Noah Gegenstände des freien Nachahmungsspiels ausgestellt, dem freilich aus heutiger Sicht auch ein erzieherischer Sinn beigemessen wird. Eher frei von pädagogischen Hintergründen sind die heute noch beliebten Oberammergauer Hampelmänner, Akrobaten und an- dere einfache, mechanische Spielzeuge.
Seltener in musealen Sammlungen vertreten sind schlichtere, vom Dorfhandwerker oder von El- tern selbst gemachte Spielzeuge, deren Zustand belegt, dass sie intensiv benutzt wurden. Auf- schlussreich sind Gegenüberstellungen von edlen Porzellanpuppen und Lumpenpuppen oder von im Schnitzer-Ort Oberammergau fabrizierten, filigranen Pudeln und robuster hergestellten Art- genossen von weniger geübter Hand. Einzigartig ist die Begegnung zweier Rollenpferde – dem Vorläufer des Bobby-Cars – die von sehr unterschiedlichen Geschichten zu zeugen scheinen.
Manche der rund 60 ausgestellten Spielzeuge aus weit über 200 Einzelteilen mögen zum Nach- basteln anregen, andere zum kreativen Spielen – eine Generationen übergreifende Freude ist die kleine, feine Präsentation in jedem Fall.