„Joanneum Neu“ Ein rund 14 Jahre währender Entwicklungs- und Umsetzungsprozess hat somit einen vorläufigen Schlusspunkt erreicht: Ausgehend vom Masterplan „Joanneum Neu“ (vorgelegt vom Museumsberater Bogner + LORD), der im Jahr 1997 den Startpunkt für eine bislang noch nie dagewesene Sanierungs- und Neuaufstellungswelle innerhalb des ältesten Museums Österreichs markiert hat, begann die Bereitstellung der dafür notwendigen finanziellen Mittel. Seit 2003 wird das Joanneum – bis 2009 als Landesmuseum, in der Folge als Universalmuseum bezeichnet – als gemeinnützige GmbH geführt, als Geschäftsführer fungieren seitdem Peter Pakesch als künstlerischer Intendant und Wolfgang Muchitsch als wissenschaftlicher Direktor. Unter ihrer Führung sind die Sammlungen und Ausstellungshäuser des Universalmuseums Joanneum systematisch neu bearbeitet und aufgestellt worden, wofür das Land Steiermark eine Summe von rund 114 Millionen Euro investiert hat. Die Konzeption des Joanneumsviertels, wie es im Jubiläumsjahr 2011 präsentiert wird, dauerte im Wesentlichen sechs Jahre, folgende Meilensteine können rückblickend festgehalten werden:
Meilensteine des Joanneumsviertels 2005 wurde gemeinsam mit Architekt DI Hermann Eisenköck, Architektur Consult ZT GmbH, Graz, unter dem Arbeitstitel „Museumsquadrant“ ein Masterplan erstellt, der die inhaltliche Grundlage sowie eine entsprechende Kostenbasis formulierte. Dieser Masterplan umfasste die Generalsanierung des Baubestandes der Objekte Raubergasse 10, Neutorgasse 45 und Kalchberggasse 2 ebenso wie einen zwischen den Gebäuden liegenden Tiefbau zur gemeinsamen Erschließung der musealen Institution des Universalmuseums Joanneum und der Steiermärkischen Landesbibliothek. Ebenfalls berücksichtigt wurde der dringende Depotbedarf sowohl der Bibliothek als auch des Museums. Auf dieser Basis wurde ein Kostenpunkt von 48,5 Millionen Euro genannt.
2006 wurden die politischen Weichen für die Finanzierung dieses Projekts gestellt, auch das Kuratorium des Joanneums sprach einstimmig seine Unterstützung aus. In der Folge wurde am 24. Mai 2006 vom Steiermärkischen Landtag die Feststellung getroffen, dass das vorgelegte Projekt zu realisieren sei. Noch im gleichen Jahr erfolgte der Liegenschaftsankauf durch die Landesimmobiliengesellschaft Steiermark (LIG), die als Bauherr auch mit der Realisierung des Projekts betraut wurde. Auf Basis eines von allen Beteiligten gemeinsam erstellen Raum- und Funktionsprogrammes wurde von der LIG Steiermark im Juli 2006 ein zweistufiges Verhandlungsverfahren zur Vergabe der Architektenleistungen EU-weit ausgeschrieben. In einer ersten Verfahrensstufe lud die Jury unter dem Vorsitz des Wiener Architekten DI András Palffy aus 41 interessierten Architekturbüros 12 Büros zur Ausarbeitung eines konkreten Projektes ein, in einer zweiten Stufe wurde am 16. und 17. November 2006 das gemeinsame Projekt der Architekturbüros Nieto/Sobejano, Madrid, und eep architekten, Graz, zur Realisierung ausgewählt. Am 18. Dezember 2006 beschloss die Landesregierung einstimmig, das Gesamtprojekt „Museumsquadrant“ zu realisieren und die Kosten von 48,5 Millionen Euro bereitzustellen.
Da das Siegerprojekt einen Tiefbau vorsah, und dieser Tiefbaubereich im Areal der früheren Stadtbefestigung von Graz bzw. auf Teilen des späteren Joanneumgartens errichtet werden sollte, fanden von Herbst 2006 bis August 2007 intensive archäologische Prospektionen statt, die vom Land Steiermark, dem Verein Archäologieland Steiermark und dem AMS Steiermark getragen wurden.
Im Zeitraum März bis Juni 2007 wurde das Gesamtprojekt einer Prüfung durch den Landesrechnungshof unterzogen, was zur politischen Vorgabe einer Redimensionierung führte. Für diese redimensionierte Projektversion, deren Kostenpunkt nunmehr auf 38,5 Millionen Euro (inkl. Studien- und Sammlungszentrum Andritz) reduziert war, konnte im November 2007 eine politische Einigung erzielt werden. Die maßgeblichen Einsparungen konnten durch Verlegung der Museumsdepots sowie der naturwissenschaftlichen Arbeits- und Laborplätze auf die „grüne Wiese“, den Entfall eines dritten Untergeschosses sowie von Dachgeschossausbauten erzielt werden. Der entsprechende Regierungsbeschluss erfolgte am 10. Dezember 2007, und auch im Landtag fand das Projekt am 15. Jänner 2008 schließlich die notwendige Zustimmung, die in einen entsprechenden Beschluss mündete. Die Bestellung des Gesamtprojekts erfolgte tags darauf, am 16. Jänner 2008, durch die Abteilung 9 – Kultur an die LIG.
2008 wurde eine Einigung darüber hergestellt, für die notwendigen Depot- und Arbeitsflächen des Universalmuseums Joanneum „auf der grünen Wiese“ das Studien- und Sammlungszentrum Graz-Andritz zu erwerben, und bis Ende 2009 konnten sämtliche notwendige Verfahren, die für die Realisierung des Joanneumsviertels notwendig waren, erfolgreich abgeschlossen werden.
Ende 2009 erfolgte der Umzug jener Institutionen, die in den zu sanierenden Gebäuden verortet waren, in entsprechende Provisorien, sodass am 13. Jänner 2010 der Spatenstich durchgeführt werden konnte. Nachdem der Rohbau des Besucher/innen-Zentrums fertiggestellt war, konnte am 9. Dezember 2010 die Gleichenfeier begangen werden, und am 26. November 2011 findet mit der Eröffnung des Besucher/innen-Zentrums sowie des Gebäudes Neutorgasse dieses visionäre Projekt seinen vorläufigen Schlusspunkt. Mit dem Vollbetrieb der Steiermärkischen Landesbibliothek im Gebäude Kalchberggasse, der bis zur Mitte des Jahres 2012 wiederhergestellt sein wird, und mit der Eröffnung des Naturkundemuseums (2013) im Gebäude Raubergasse wird das inhaltliche Profil des Joanneumsviertels seine endgültige Form annehmen.
Neuer Kulturbezirk Die architektonische Gestaltung des Joanneumsviertels durch die ARGE Nieto Sobejano Arquitectos/eep architekten, Madrid/Graz, räumt nicht nur den historischen Gebäuden den ihnen gebührenden Stellenwert ein, sie berücksichtigt auch die räumlichen und funktionalen Ansprüche moderner Museums- und Bibliotheksarbeit.
Während das historische Zentrum von Graz vor allem wegen seiner Dachlandschaft geschätzt wird, entwickelt sich der Neubau direkt unter dem Boden. Ein mineralischer Belag, der sich zwischen den drei Gebäuden erstreckt, verbirgt in seinem Inneren die neuen Räume mit den gewünschten Funktionen. Diese Entscheidung hebt die Wertschätzung der historischen Bauwerke ebenso hervor wie die neue Architektur der Erweiterung. Der zentrale Platz wird perforiert von runden Öffnungen, aus denen transparente Kegelstümpfe ragen – sie bringen Licht in die darunter liegenden Räume. Ein großer, zentral im Hof gelegener Kegel mit 13 Metern Durchmesser bildet den Haupteingang des Ensembles und führt in das Besucher/innen-Zentrum. Hier finden sich im Foyer verschiedene Servicezonen sowie ein Museums-Shop, ein separates Auditorium bietet Raum für Veranstaltungen. Von hier aus gelangt man sowohl in die Museumsbereiche der Neuen Galerie Graz im Gebäude Neutorgasse als auch in die Ausstellungs- und Service-Räume der Multimedialen Sammlungen. Ebenfalls im Besucher/innen-Zentrum gelegen sind die Freihand- und Entlehnbereiche der Steiermärkischen Landesbibliothek.
Das Gebäude Neutorgasse ist nun mit zwei Ausstellungs- und einem Verwaltungsgeschoss ausgebaut, ein Anlieferungszugang befindet sich im nördlichen Bereich des Hauses und ermöglicht eine gute Anbindung an Speicher-, Archiv- und Ausstellungsflächen. Auch die neuen Aufzugskerne gewährleisten eine gute Erschließung des gesamten Gebäudekomplexes. Das Bibliotheksgebäude in der Kalchberggasse wird durch den Umbau nun mehr Licht und Luft erhalten und somit aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden, in dem sich das Haus zuvor befand. Der Lesliehof in der Raubergasse erhielt im Zuge der Generalsanierung neue Stiegenhauskerne und Lifte, außerdem gelang es, eine Entflechtung der Ausstellungsräume zu erwirken. Die Ausstellungsfläche hat sich durch die Auslagerung der Arbeits- und Depoträume in das Studienzentrum Naturkunde in Graz-Andritz deutlich erhöht.
Ausgestattet mit einer modernen, technischen Infrastruktur bietet das Joanneumsviertel nun die idealen Voraussetzungen für einen verantwortungsbewussten, zeitgemäßen und publikumsfreundlichen Umgang mit den dort untergebrachten Sammlungen. Mit der großzügigen Platzgestaltung erfährt auch das urbane Umfeld des Joanneumsviertels eine wichtige Aufwertung. Dieser bewusst gesetzte städtebauliche Akzent wird gemeinsam mit dem abwechslungsreichen kulturellen Angebot dazu beitragen, einen zuletzt glanzlos gewordenen Innenstadtbereich wieder mit vitalen Impulsen aufzuwerten und als „Kulturbezirk“ in das Stadtzentrum zurückzuholen.
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