Der neue Vertrag zwischen der Stiftung Sammlung E.G. Bührle und der ZürchEugène DelacroixStiftung Sammlung E.G. Bührle, Züricher Kunstgesellschaft ersetzt die im Februar 2006 verfasste Grundsatzvereinbarung und besiegelt die damals erklärte Absicht der Parteien, die Kunstwerke der Sammlung Bührle künftig in der Kunsthaus-Erweiterung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit Abschluss des Vorprojekts im Sommer 2011 war der Weg frei für die detaillierte Ausgestaltung der Kooperation zwischen der Stiftung Sammlung E.G. Bührle, die in Zürich mit einem derzeit nur eingeschränkt zugänglichen Privatmuseum beheimatetet ist, und dem Kunsthaus, das im Zentrum der Stadt durchschnittlich 300‘000 Besucher pro Jahr empfängt.
190 WERKE UND EIN KONTINUUM DER EPOCHENDie Kunsthaus-Erweiterung soll 2017 eröffnet werden. Das künstlerische Konzept sieht vor, die Werke der Sammlung Bührle an diejenigen der Klassischen Moderne anzulagern und dem Publikum ein Kontinuum der Epochen anzubieten. Dank der kürzlich erfolgten glücklichen Rückführung des Knaben mit der roten Weste von Paul Cézanne und eines Bildes von Edgar Degas umfasst die Sammlung Bührle wieder 166 Gemälde und 25 Skulpturen. Diese werden auf rund 1000 m2 in einem auf sie zugeschnittenen Raumgefüge dauerhaft präsentiert. Vorgesehen sind Oberlichtsäle im zweiten Stock mit besten Lichtverhältnissen, vor allem für die impressionistischen Meisterwerke. Durch die räumliche Anbindung der Sammlungen des Kunsthauses und der Stiftung, wird neben Paris das bedeutendste europäische Zentrum für französische Malerei des Impressionismus entstehen.
AUFWAND UND ERTRAG IM BUSINESSPLAN ENTHALTEN Das Kunsthaus verpflichtet sich, die Sammlung Bührle als Einheit permanent zu zeigen und sorgt für deren Sicherheit. Die Kosten für Unterhalt, Erhalt und Vermittlung sind im Businessplan der Kunstgesellschaft veranschlagt. Die Einnahmen aus Eintritten und aus dem Verkauf von Waren mit Motiven der Sammlung Bührle fallen dem Kunsthaus zu. Diese Berechnungen sind in den Subventionsanträgen enthalten, über die der Zürcher Gemeinderat – neben dem Beteiligungskredit an den Bauinvestitionen und einem Zuschuss an die Vorlaufkosten der Kunsthaus-Erweiterung – im Juni 2012 verhandeln wird.
ENTSCHEIDEND: DIE KUNSTHAUS-ERWEITERUNGDie hochbedeutende Sammlung gelangt nur dann als Dauerleihgabe ans Kunsthaus, wenn die Zürcherinnen und Zürcher bei der Volksabstimmung Ende November «Ja» zum neuen Kunsthaus sagen. Die Stiftung müsste sonst im bestehenden Gebäude bleiben, dessen Lage am Stadtrand namentlich für durchreisende Touristen nicht ideal ist. Für das Kunsthaus Zürich geht es bei der Abstimmung für das Neue Kunsthaus um mehr als um die Bildung eines Schwerpunkts «Französische Malerei und Impressionismus» (der knapp 20 Prozent der Galeriefläche im erweiterten Kunsthaus ausmachen wird). Es geht um die Möglichkeit, zukünftig 20 statt bisher 10 Prozent der eigenen Sammlung zeigen zu können. Vordringliches Ziel ist eine anteilsmässig höhere Gewichtung der Kunst ab 1960 und eine dynamische, sich regelmässig ändernde Präsentation der Sammlung. Diesem Zweck dient auch die im April 2012 vereinbarte langfristige Kooperation zwischen der Zürcher Kunstgesellschaft und der Fondation Hubert Looser, die eine markante Stärkung des abstrakten Expressionismus, der Minimal Art und der Arte Povera im Dialog mit der Kunsthaus-Sammlung vorsieht. Kunsthistorische Schwergewichte (Alberto Giacometti, Cy Twombly) und Zürcher Bewegungen mit internationaler Ausstrahlung (Dada, Konkrete) sollen im bestehenden Gebäude wie in der Erweiterung mehr Raum erhalten. Die Schaffung zeitgemässer Bedingungen für temporäre Wechselausstellungen und neue Formen der Kunstvermittlung ist essentiell, um für internationale Kooperationspartner (Museen, Leihgeber, Mäzene) attraktiv zu bleiben und die gestiegenen Erwartungen eines sich diversifizierenden Publikums zu erfüllen. Die Entgegennahme von Schenkungen und die Kooperation mit Dauerleihgebern soll auch in Zukunft möglich sein.
PRIVATRECHTLICHER LANGFRISTIGER VERTRAG
Über die privatrechtlichen Details der Vereinbarung geben die Parteien keine Auskunft. Der Vertrag ist auf Dauer angelegt und eine Kündigung nur mit langjährigen Vorlaufzeiten möglich – erstmals per Ende 2034.
MODERNE FORTSETZUNG EINER MÄZENATISCHEN TRADITION Für Zürich und die Kunstgesellschaft war die aktive Anteilnahme Emil Bührles am Geschick des Kunsthauses immer ein Gewinn. Geschenke wie die grossformatigen Seerosenbilder von Claude Monet oder das Höllentor von Auguste Rodin sind aus der Sammlung des ältesten Schweizer Sammlungs- und Ausstellungsinstituts nicht mehr wegzudenken. Und mit der Finanzierung des Ausstellungstraktes ermöglichte Emil Georg Bührle in den 1950er Jahren eine Plattform für einmalige Anlässe, wo sich Kunst und Publikum bis heute unmittelbar begegnen.
FINANZIELLE BETEILIGUNG DER STIFTERFAMILIEDafür, dass der vor zwei Generationen eingeschlagene Weg in eine dauerhafte Partnerschaft mündet, setzt sich neben der Zürcher Kunstgesellschaft und dem Stiftungsrat der Sammlung E.G. Bührle auch die Familie ein. Neben der Einbringung der Werke leistet die Stifterfamilie einen namhaften Beitrag an die Erstellungskosten der Kunsthaus-Erweiterung.
ENTSTEHUNG DER SAMMLUNG UND DOKUMENTATIONWie die Zusammenarbeit in Zukunft funktionieren wird und was das Publikum erwarten darf, wurde im Jahr 2010 mit der Ausstellung «Van Gogh, Cézanne, Monet. Die Sammlung Bührle zu Gast im Kunsthaus Zürich» vorgestellt. In diesem Rahmen wurde die Geschichte der Sammlung E.G. Bührle umfassend dokumentiert und zur Diskussion über eine gemeinsame Zukunft an der Seite der Zürcher Kunstgesellschaft eingeladen. Über 130‘000 Besucherinnen und Besucher zeigten mit ihrem Interesse, dass dieser neue Schwerpunkt unter dem Dach des Kunsthauses eine grosse Anziehungskraft entfalten wird. Die Entstehung der Sammlung um die Mitte des 20. Jahrhunderts, die Biographie des Industriellen und Kunstsammlers Emil Bührle (1890–1956), seine Tätigkeit als Unternehmer in Zürich und Inhaber der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, Bührle & Co., die auch Waffen produzierte, wird auch künftig in einer Dokumentation dargestellt werden.
MEISTERWERKE DER EUROPÄISCHEN KUNSTGESCHICHTE 60 Jahre nach ihrer Entstehung gilt die Sammlung, die der in Zürich lebende Emil Bührle zum grössten Teil nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat, noch immer als eine der wichtigsten Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts. Sie umfasst neben der impressionistischen Malerei Werke der Nabis, der Fauves, der Kubisten und anderer Vertreter der französischen Avantgarde nach 1900. Ältere Kunst ist mit dem holländischen «Goldenen Zeitalter» und mit venezianischen Meistern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert vertreten sowie mit einer Gruppe gotischer Holzfiguren. Zur Stiftung Sammlung E.G. Bührle gehören weltbekannte Werke wie van Goghs «Sämann bei Sonnenuntergang», Renoirs «Petite Irène», das «Mohnfeld bei Vétheuil» von Claude Monet, «Der Knabe mit der roten Weste» von Paul Cézanne und Picassos «Italienerin». Zu den wichtigsten Künstlern zählen ausserdem Frans Hals, Canaletto, Ingres, Delacroix, Manet, Degas, Gauguin, Signac, Vlaminck und Braque.
BEREICHERNDER ANSATZ FÜR ZUKÜNFTIGE VERMITTLUNGSARBEITZentrales Thema der Sammlung ist die sich durchsetzende neue künstlerische Freiheit als Voraussetzung für die Kunst der Moderne; ihre Bedeutung liegt in der konsequenten Auswahl, mit der Emil Bührle diese Entwicklung mit Meisterwerken der führenden Künstler belegte. Die Nachbarschaft zur museal über Jahrhunderte und unter anderen Prämissen gewachsenen Sammlung des Kunsthauses bietet einen Erkenntnisgewinn weit über das einzelne Werk hinaus. Es wird dem Besucher ermöglicht, private und öffentliche Sammlungskonzepte miteinander zu vergleichen – ein bereichernder Ansatz für die zukünftige Vermittlungsarbeit im erweiterten Kunsthaus Zürich.
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