Mit der feierlichen Eröffnung des neuen „Museums im Palais“ am 11. Mai 2011 wird die Kulturhistorische Sammlung des Joanneums nach einer intensiven Vorbereitungs- und Übersiedelungsphase im Palais Herberstein wieder öffentlich zugänglich sein. Dieses Bauwerk zählt zu den bedeutendsten Adelspalais in der Grazer Altstadt und wurde im letzten Jahr umfassend saniert. Die barocke Raumausstattung – wie zum Beispiel der eindrucksvolle Spiegelsaal - wird als authentisches Original-Ensemble in den Rundgang der neuen Dauerausstellung integriert, die dem Thema „Statussymbole“ folgt. Die ausgestellten Exponate repräsentieren politische Macht, adeligen Lebensstil und höfische Bildung und haben zumeist einen engen historischen Bezug zur Steiermark oder zu Graz. Zu den Höhepunkten des Museums im Palais zählen zum Beispiel der sogenannte „Steirische Herzogshut“ (um 1400), der gotische Prunkwagen Friedrichs III. (um 1452) oder die weltweit einzige in ihrer Echtheit unumstrittene Traversflöte des bedeutenden französischen Instrumentenbauers und Flötisten Jean Hotteterre (um 1680). Ein Sonderausstellungsraum in der Mitte des Rundgangs zeigt in jährlichem Wechsel ein Objekt, das themengebend für Sonderausstellungen ist – das erste dieser ausgewählten Stücke ist eine Klappsonnenuhr des Hofastronomen und Sterndeuters Georg von Peuerbach (datiert: 1455), der für seine Uhren erstmals die „Missweisung“ – die Differenz zwischen geografischem und magnetischem Nordpol – beachtete und damit eine exakte Zeitmessung ermöglichte. Dieses Objekt stimmt ein auf die Sonderausstellung Die Zeit. Vom Augenblick zur Ewigkeit, die dieses schwer fassliche Phänomen – passend zum 200-Jahr-Jubiläum –aus kulturellen und sozialen Perspektiven beleuchten wird, und thematisch mit anderen Jubiläumsausstellungen, wie zum Beispiel ZeitZeitZeit. Vom schnellen Leben und der Kunst des Verweilens im Volkskundemuseum oder Zeitenwende. Rund um Dürer in der Alten Galerie, korrespondiert.
In den Studiensammlungen, deren Eröffnung zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet, werden die zentralen Objektkategorien des Museums im Palais – Schmiedeeisen, Möbel, Glas, Keramik, Schmuck, Textilien und Zunftobjekte – anhand besonders herausragender Exponate vorgestellt. Besonders der Vergleich historischen Kunsthandwerks mit zeitgenössischen Stücken führt die Entwicklung diverser Modeerscheinungen deutlich vor Augen. Ganz in diesem Sinne startet im Erdgeschoss des Museums eine Serie zeitgenössischer Ausstellungen mit Schmuckstücken von Giampaolo Babetto, der seit den späten 1960er-Jahren zur Avantgarde der internationalen Goldschmiedeszene zählt. Geometrische Formen sowie spezielle Goldlegierungen und charakteristische Oberflächenstrukturen prägen den besonderen Reiz seiner Arbeiten.
Die Kulturhistorische Sammlung am Universalmuseum Joanneum geht auf eine Initiative des Bildhauers Karl Lacher (1850–1908) zurück und wurde erstmals im Jahr 1895 öffentlich präsentiert. Das sogenannte „Kulturhistorische und Kunstgewerbemuseum“ war ursprünglich im neobarocken Museumsgebäude in der Grazer Neutorgasse beheimatet, das ab November 2011 in das Joanneumsviertel integriert sein wird. Karl Lacher war fasziniert von jener Bewegung, die sich ausgehend von der ersten Weltausstellung (London, 1851) gegen die Macht der Industrialisierung und die damit verbundenen Verfallserscheinungen des Handwerks auflehnte. Davon inspiriert entstanden zahlreiche Kunstgewerbemuseen in Europa, wie zum Beispiel das Victoria & Albert Museum oder das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das Lacher nachhaltig beeinflusste. Diese neugeschaffenen Sammlungen lieferten den Handwerkern Vorbilder und stellten neben dem wirtschaftlichen Nutzen der kunstgewerblichen Produkte vor allem deren ästhetische Qualität in den Vordergrund. Schon im Jahr 1884 formulierte Lacher erste Gedanken für das Kunstgewerbemuseum in Graz, das „ein übersichtliches ethnographisches Bild von dem Wohnen, dem häuslichen Leben und Schaffen der Bewohner der Steiermark“ geben sollte. Im Jahr der Museumseröffnung durch Kaiser Franz Joseph I. (1895) konnte die Kulturhistorische Sammlung bereits 5.394 Objekte aufweisen – bis heute ist diese Zahl auf rund 35.000 Exponate angewachsen. Eine Auswahl davon ist im Museum im Palais nach Material und Funktion sowie chronologisch geordnet in den „Studiensammlungen“ zu sehen.