Regelmäßig sind seine Bilder im Fernsehen, auf den Titelblättern großer Tageszeitungen und auf Nachrichtenportalen zu sehen. Zahlreiche seiner Aufnahmen wurden preisgekrönt. Seit über 20 Jahren arbeitet der Frankfurter Boris Roessler als Foto-Journalist bei der Deutschen Presse-Agentur, dokumentiert das aktuelle Nachrichtengeschehen. Im Podcast-Interview „Heiliger Bimbam!“ von Kloster Eberbach erzählt der 53-Jährige über seinen Alltag, seine spektakulärsten Einsätze, was den Menschen hinter der Linse bewegt, wie er mit Grenzsituationen umgeht und welche Linie er nie überschreiten würde.Das Erdbeben in der Türkei. Die Flutkatastrophe im Ahrtal. Der Amoklauf von Hanau. Boris Roessler war immer hautnah dabei. Sah dort Tod und Verzweiflung, Zerstörung und Trauer.
Nach seinem Soziologie-Studium an der Universität Bielefeld mit Diplomarbeit zum Thema Bildjournalismus absolvierte der Ostwestfale ein zweijähriges Fotovolontariat bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Düsseldorf und Frankfurt am Main.
Dass die aktuelle Berichterstattung einmal sein Beruf werden könnte, wusste er schon als junger Mann. „Für meine erste Kamera habe ich mir die Nase wochenlang am Schaufenster des Fotofachgeschäfts plattgedrückt, um dann die 598 Mark für die ,Nikon‘-Spiegelreflexkamera zusammenzukratzen. Zwei Wochen später habe ich einen Bagatell-Unfall fotografiert und ihn an die Lokalzeitung für 22,50 Mark verkauft – das fand ich lukrativ“, erzählt er lachend.
Eines seiner ersten Bilder als festangestellter Fotograf zeigt eine geschockte New Yorkerin nach den Terroranschlägen des 11. September. Mit dieser Aufnahme gewann er den ersten Preis beim damals noch jungen Wettbewerb zum „dpa-Bild des Jahres“.
Was macht ein gutes Bild für ihn aus? „Ein gutes Foto ist eines, an dem der Betrachter hängenbleibt und bei dem sich das Gezeigte bei ihm festsetzt“, erklärt Boris Roessler. „Ich mache mir vorher sehr wenig Gedanken, um unvoreingenommen an die jeweilige Situation oder an das Motiv heran zu gehen. Vielmehr versuche ich vor Ort zu realisieren, worum die Geschichte geht.“
Bis heute beschäftigen ihn die Flutkatastrophe im Ahrtal und die Schicksale der Familien, die er im Rahmen einer Langzeitdokumentation regelmäßig besucht.
„Ich werde das meinen Lebtag nicht vergessen. Es hatten sich schnell die Hinweise verdichtet, dass die Geschehnisse ein größeres Ausmaß hatten als zunächst befürchtet“, erinnert sich Roessler. „Als wir dort waren und über einen Hügel gefahren sind, driftete vor uns der komplette Berghang über die Straße und mit dem Hang talabwärts. Wir haben uns in Etappen runtergekämpft in diese Orte und waren an einigen Stellen die ersten Journalisten, die da waren. Wenn man dann die weinenden Menschen sieht, erschließt sich Stück für Stück, wie schlimm die letzte Nacht gewesen sein muss…“
Die Grenzen seiner Tätigkeit fasst er in klare Worte.
„Es gibt von mir nur sehr wenige Bilder, wo die Menschen nicht zugestimmt haben“, sagt Boris Roessler. „Es ist sehr schwierig, die individuelle Würde der Menschen, der Opfer, die man zeigt, nicht zu verletzen. Das ist eine Gratwanderung, die nur gelingt, wenn man nicht hektisch arbeitet, mit den Leuten ins Gespräch kommt, abwartet, bis sie sich trotz ihrer Anspannung, trotz ihres Traumas öffnen. Es gibt Grenzsituationen, wo ich weiß, dass das Motiv repräsentativ ist und gezeigt werden muss. Das sind Momente, wo auch ich mit mir ringe.“
„Heiliger Bimbam!“ – den Kloster-Eberbach-Podcast gibt‘s überall dort, wo man Podcasts anhören kann, und über die Webseite.