RA Nathan Scheftelowitz erläutert im Namen der Erbengemeinschaft: „Wir fühlen uns allen Vertretern der Pinakotheken gegenüber, die uns nach viel Mühe und historischer und familiärer Forschung dieses schöne Bild zurückgeben, sehr verpflichtet. Wir hoffen, dass diese Angelegenheit auf der ganzen Welt verbreitet wird, damit auch zukünftige Generationen die Geschichte der Familie Adelsberger-Isay während des schrecklichen Holocaust kennenlernen sowie die großartigen Forschungsarbeiten, die derzeit an der Freien Universität Berlin in einer Studie des Abraham Adelsberger Art Research Project (AAARP) durchgeführt werden. Denn die Sammlung Isay-Adelsberger enthielt noch eine Fülle von Gemälden und Porzellangegenständen, die zu unserem Bedauern noch nicht restituiert worden sind.“
Kunstminister Bernd Sibler betonte: „Ich bin froh, dass wir Joseph Wopfners Gemälde an seine rechtmäßigen Besitzer zurückgeben können. Den Familien Adelsberger und Isay wurde von den Nationalsozialisten großes Leid zugefügt: Sie wurden verfolgt, aus ihrer Heimat vertrieben und in Konzentrationslager verschleppt. Diese unsäglichen Gräueltaten können wir mit der Rückgabe des Kunstwerks nicht ungeschehen machen, sie soll aber zu mehr Gerechtigkeit beitragen.“
Der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Prof. Dr. Bernhard Maaz bekräftigt: „Jede Restitution dient der Bewusstmachung einstigen Unrechts, einstiger Lebensschicksale und oft auch der Verluste, Vertreibungen und Ermordungen. Dies zeigt die Rekonstruktion der Biografien der Familien Adelsberger und Isay im Rahmen der Provenienzforschung unseres Mitarbeiters Dr. Johannes Gramlich in eindrücklicher Weise. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind froh, das Gemälde von Joseph Wopfner an die Erbengemeinschaft nach Alfred Isay restituieren zu können. Die Onlinestellung sämtlicher Bestände und historischer Unterlagen sowie die Zugänglichmachung aller diesbezüglichen Unterlagen im Bayerischen Hauptstaatsarchiv waren auch in diesem Fall hilfreiche und wesentliche Schritte hin zur maximalen Transparenz. Die Forschungen zu Kunstgegenständen aus NS-Besitz im Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen konnten die bisherigen Erkenntnisse vertiefen, und aus deren Zusammenhang resultierte auch die vorliegende Restitution.“
Zum SachverhaltDas Gemälde gehörte einst dem Nürnberger Spielwarenfabrikanten und Kunstsammler Abraham Adelsberger (1863–1940). Da Adelsberger im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, übereignete er das Werk 1933 seinem Schwiegersohn Alfred Isay (1885–1948) in Köln als Sicherheit für einen Kredit. Die Familie von Alfred Isay, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft früh von der nationalsozialistischen Verfolgung betroffen war, emigrierte bereits 1933/34 von Köln nach Amsterdam. Das Gemälde von Wopfner führte sie dabei mit sich. Auch Abraham Adelsberger und seine Familie gerieten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft unter zunehmenden Verfolgungsdruck im Deutschen Reich. Im Jahr 1939 folgten sie der Familie Isay in die Niederlande, wo Adelsberger am 24. August 1940 im Alter von 77 Jahren verstarb. Die weiteren Familienmitglieder waren infolge der deutschen Besatzung der Niederlande ab Mai 1940 wieder von den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen. Sie mussten untertauchen oder wurden in Konzentrationslager verschleppt. Wann genau Isay das Gemälde von Wopfner veräußerte, konnte nicht geklärt werden. Die Indizien sprachen aber dafür, dass er es zur Zeit der deutschen Besatzung unter dem Druck der Verhältnisse in den Niederlanden (not)verkaufte. Auch andere mögliche Verkaufsszenarien hätten mit der erheblichen Verfolgung der Familien Adelsberger und Isay in Verbindung gebracht werden können.Im März 1942 erwarb Martin Bormann das Bild für die NSDAP-Parteikanzlei bei einer Auktion des Münchner Kunstversteigerungshauses Adolf Weinmüller. Nach Kriegsende wurde es von der amerikanischen Militärregierung sichergestellt und in den Münchner Central Collecting Point überführt. Auf Basis alliierter Direktiven konnte sich der Freistaat Bayern das Gemälde 1956 zu Eigentum übertragen. Er überwies es seinerseits anschließend gleich anderen damals als nicht restitutionsbehaftet erachteten Kunstwerken in den Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Das Werk gehört zu dem Themenkomplex, dem aktuell Band 4 der Schriftenreihe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gewidmet ist: Johannes Gramlich: Begehrt, Beschwiegen, Belastend. Die Kunst der NS Elite, die Alliierten und die bayerischen Staatsgemäldesammlungen (ausführlich zu den Restitutionsgrundlagen des Wopfner-Gemäldes: Jahresbericht der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 2019, Aufsatz von Dr. Johannes Gramlich, S. 100–111 sowie online unter https://www.pinakothek.de/publikationen).
Zum KünstlerDer österreichische Maler Joseph Wopfner kam 1860 nach München, wo er in die Münchner Akademie eintrat. Dort war er zeitweise Schüler von Karl Theodor von Piloty, nahm aber auch Impulse der Freilichtmaler, wie von Eduard Schleich d.Ä. auf.Neben vielen anderen Ehrungen wurde er 1888 mit dem Professorentitel und 1890 mit einer Goldmedaille auf der Glaspalast-Ausstellung ausgezeichnet. Wopfner gehörte zu jenem Kreis von Künstlern, die beim Prinzregenten Luitpold als Jagdgäste verkehrten. Auch mit Wilhelm Leibl war er befreundet. 1914 nahm der Künstler die bayerische Staatsbürgerschaft an.1872 entdeckte Wopfner die Fraueninsel im Chiemsee, wo sich um Karl Raupp eine Malerkolonie gebildet hatte. Bis ein Jahr vor seinem Tod verbrachte er dort die Sommer, zeichnete und malte den See, die Landschaft, den Alltag der Fischer und Bauern. Seine Bilder waren auf dem Kunstmarkt begehrt und verkauften sich bis in die USA.Von 2005 bis 2018 befand sich das Gemälde „Fischerboote bei Frauenchiemsee“ als Dauerleihgabe an die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zur Ausstellung im Alten Schloss Herrenchiemsee (Augustiner-Chorherrenstift Herrenchiemsee).
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