Gestern Abend strömten mehr als 650 Besucher/innen zur Eröffnung der Ausstellung Erwin Wurm. Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach im Kunsthaus Graz, die in Anwesenheit des Künstlers sowie von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, Kulturlandesrat Christian Buchmann und Kulturstadträtin Lisa Rücker eröffnet wurde. Dem aus der Steiermark stammenden Künstler Erwin Wurm wurde nach der Verleihung des Würdigungspreises des Landes Steiermark für bildende Kunst 2015 nun erstmals eine Personale im Kunsthaus Graz gewidmet. Dabei ging es nicht darum, das Werk des wohl renommiertesten österreichischen Gegenwartskünstlers retrospektiv zu zeigen, sondern aktuelle – darunter auch nie zuvor gezeigte – Kunstwerke in Beziehung zur Architektur des Hauses zu setzen. „Ich bin sehr zufrieden mit der Ausstellung, weil sie es mir erlaubte, zu experimentieren und Verbindungen zwischen verschiedenen Künstlern, Ausstellungen und Orten herzustellen“, zeigte sich Erwin Wurm bei der Eröffnung erfreut.Die Ausstellung, die bis 20. August zu sehen ist, nimmt ihren Ausgangspunkt bei der offenen architektonischen Struktur des Kunsthauses. Diese bespielt der Künstler zusammen mit Kurator Günther Holler-Schuster mit Werken, welche die Grenze zwischen den Kategorien Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand verschwimmen lassen, wie etwa beim Weltraumschwitzer, der irgendwo zwischen Kunstwerk, Pullover und Trennwand eingeordnet werden kann. Die Besucherinnen und Besucher können die Werke auf unterschiedlichste Arten rezipieren: Manche von ihnen werden sowohl als Bilder als auch als Skulpturen wahrgenommen, einige betrachtet man, während andere berührt werden sollen. Speziell für diese Ausstellung setzte sich Wurm mit Skulpturen von Josef Pillhofer oder Fritz Wotruba aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz auseinander: Beiden nimmt er die schwere Ernsthaftigkeit und kratzt an der Souveränität der klassischen Skulptur, indem er aus Wotrubas Liegender Figur eine Ablage für eine Wurstsemmel macht und Pillhofers Figur auf fast vier Meter Höhe vergrößert und sie als Styroporobjekt mit Klettergriffen als fragile Kletterwand interpretiert, die einer Besteigung niemals standhalten würde.
Bei den Wortskulpturen tragen auf Podesten stehende Personen Texte vor. Ausgehend von diesen Beschreibungen entstehen Skulpturen einzig und allein durch die Vorstellungskraft der Betrachtenden. Die kurzen, teils absurd wirkenden Sätze reichen von Materialangaben über Situationen bis zur Poesie. Eine dieser Wortskulpturen ist auch der Ausstellungstitel Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach. Die große satirische Kraft von Wurms Arbeiten ermöglicht einen vergnüglichen Zugang zu seinen vielschichtigen und komplexen Arbeiten. Der Humor als Teil des Paradoxen, des Absurden, ist der Köder, der das Publikum in Erwin Wurms Werke gleichsam hineinzieht. Dort angekommen muss man jedoch erkennen, dass hinter jeder Arbeit ein dichtes Netz an phsychologischen, philosophischen und soziokulturellen Aspekten auftut.