Zum Artikel von Catrin Lorch und Jörg Häntzschel: „MÜNCHNER RAUBKUNST-BASAR“, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG VOM 25./26. JUNI 2016Die in dem SZ-Artikel angesprochenen Überweisungen aus Staatsbesitz stehen besonders im Fokus der Provenienzforschung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Diese aus den Kunstsammlungen der NS-Führungselite und Parteibesitz stammenden Werke wurden von der US-Armee zunächst in den Central Collecting Point in München verbracht. Hier erfolgten umfangreiche Untersuchungen mit dem Ziel, Raub- und Beutekunst den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Befindet sich also heute noch Raub- oder Beutekunst unter den „Überweisungen aus Staatsbesitz“, so handelt es sich um komplexe Fälle, die von den Experten im Collecting Point nicht geklärt werden konnten. Mit der Auflösung der NSDAP und der Enteignung der hochrangigen Nationalsozialisten gingen die Kunstwerke je nach Auffindungsort an den Bund oder in das Eigentum des Freistaates Bayern über. Diese Vorgehensweise betraf im Übrigen nicht nur Kunstwerke. Der Freistaat erhielt beispielsweise auch die Parteibauten, Hitlers Privatwohnung am Prinzregentenplatz oder die Rechte an „Mein Kampf“. Die bayerische Staatsregierung überließ die Kunstwerke als „Überweisungen aus Staatsbesitz“ den Pinakotheken.
Die Staatsgemäldesammlungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiv der Provenienzrecherche gewidmet und kamen zu klaren Ergebnissen:
Bereits 2004 erschien der Provenienzbericht „Die Kunstsammlung Hermann Görings“, der jene 142 Werke umfasst, die den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen seit der Nachkriegszeit als sogenannte „Überweisungen aus Staatsbesitz“ überantwortet wurden. Alle Werke sind seit 2007 wegen Raubkunstverdacht bei www.lostart.de gemeldet. Seit 2013 werden weitere 740 Werke aus den Sammlungen der NSDAP und hochrangiger Nationalsozialisten von zwei aus dem Museums- und Ministeriumsetat finanzierten Wissenschaftlerinnen bearbeitet. Aufgrund kontinuierlicher Forschungen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen konnten sich die Zahl der auf www.lostart.de gemeldeten Werke seit 2007 verdoppeln und bis heute auf 236 gemeldete Werke erhöhen. Gleichzeitig wird über die Rekonstruktion und Kontextualisierung der Entscheidungsprozesse geforscht, die nach dem Zweiten Weltkrieg dazu geführt haben, dass Kunstwerke aus NS-Besitz in den Museumsbestand gelangt sind. Diese für den weiteren Umgang mit den „Überweisungen aus Staatsbesitz“ und die Vermittlung dieses Themas in der Öffentlichkeit bedeutende Fragestellung spielte überraschenderweise auch in der Geschichtswissenschaft bislang keine Rolle. 2016 sollte dieser Teil des Projektes zu einem Abschluss kommen und in eine Veröffentlichung münden. Der plötzliche Tod des erst 32 jährigen zuständigen Mitarbeiters am 4. November 2015 unterbrach das Projekt; zum 1. Juli 2016 kann die Stelle nachbesetzt werden.
Bereits im Jahr 2000 erschien „Die Kunstsammlung des Reichsmarschalls Hermann Göring. Eine Dokumentation“, in der Edda Görings Ansprüche thematisiert wurden. Die Verkäufe 1966/67 von „Göring-Werken“ sind wie oben erwähnt bereits seit 2004 in der Publikation der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit dem Titel „Die Kunstsammlung Hermann Görings“ dokumentiert. Weiter erschienen 2008 und 2009 die Publikationen „Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute“ und „Der Eiserne Sammler. Die Kollektion Hermann Göring. Kunst und Korruption im „Dritten Reich“ in denen ausdrücklich auch auf Ansprüche von Emmy und Edda Göring sowie auf Rückgaben von Kunstwerken an Emmy und Edda Göring wie auch Verkäufe/Versteigerungen von Bund und Bayern ab 1963 bis 1997 hingewiesen wird.
Die Behauptung, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen würden ihre Geschichte nicht aufarbeiten und arbeiten nicht transparent, ist falsch.
Zum Vermögensentzug von Heinrich Hoffmann befinden sich im Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen folgende Informationen:
1952 wurden insgesamt 255 Gegenstände aus dem Besitz von Heinrich Hoffmann an das Land Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, übertragen. Später kamen noch 7 Skulpturen von Gut Gufflham dazu, weswegen sich die Zahl auf 262 Objekte erhöht.
1953 erwirkte Heinrich Hoffmann, dem als Hauptschuldiger im Spruchkammerverfahren sein gesamtes Vermögen eingezogen worden war, eine Neu Einstufung seiner Person, woraufhin ihm 20% seines Vermögens wieder zugesprochen werden. Dies führte zu einer Schätzung der Werke aus der ehemaligen „Sammlung Hoffmann“, nicht zuletzt auch deshalb, da Heinrich Hoffmann seinen Anteil gerne in Sachwerten – also auch Kunstwerken – wieder erlangen wollte. Im Mai 1954 erhielt Heinrich Hoffmann 20% seines Besitzes in Form von 12 Bildern zurück. Weitere Bilder, die vor dem Krieg seinem Sohn, seiner Tochter und einem Masseur geschenkt worden waren, wurden in der Folgezeit ebenfalls zurückgegeben.
Am 30.10.1956 kam die Anweisung von der Finanzmittelstelle, fast alle Bilder aus dem Besitz von Heinrich Hoffmann an ihn zurückzugeben. Tatsächlich übergab die Treuhandverwaltung von Kulturgut am 11.03.1959 nur noch 13 Objekte mit der Provenienz Hoffmann an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. 1962/3 wurden weitere sieben Skulpturen aus dem Hoffmann‘schen Besitz von Gut Gufflham in die Sammlung der Staatsgemäldesammlungen aufgenommen. 1962 wurden sieben Kunstwerke mit ministerieller Genehmigung veräußert, wovon Henriette Hoffmann fünf erwarb.
Zum derzeitigen Zeitpunkt besitzen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen fünf Bilder und sieben Skulpturen mit Provenienz Heinrich Hoffmann, acht dieser Werke sind seit September 2013 wegen Raubkunstverdacht auf der Seite von www.lostart.de eingestellt.
Quellen zu Heinrich Hoffmanns Vermögensentzug befinden sich im Staatsarchiv München und Bayerischen Hauptstaatsarchiv sowie im Bundesarchiv in Koblenz.
Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind bemüht, diese wichtige Aufarbeitung der eigenen Geschichte, die auch die Geschichte des Freistaats und der Bundesrepublik Deutschland ist, weiterhin so transparent wie möglich zu gestalten. Mehrfach wurden in der Vergangenheit Pressemitteilungen mit Teilergebnissen herausgegeben (2014); in Vorträgen und Aufsätzen wurde das Projekt in der Öffentlichkeit bekanntgemacht. Auch die Medien haben das Thema der sogenannten Überweisungen aus Staatsbesitz mehr als einmal aufgegriffen (Der Spiegel, 27.1. 2013, Artikel von Steffen Winter; Bayerisches Fernsehen, Sendung von Julia von Schwerin im Januar 2014 („Der Institutsspaziergang“); Bayrisches Fernsehen Sendung von Michael Bauer im Februar 2014 zu Spitzweg). Gemeinsam mit Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spaenle haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen auch 2014 zu einem Pressegespräch zu diesem Thema eingeladen.
Bereits im Juli 2011 hat die Commission for Looted Art, vertreten durch Anne Webber, von den Staatsgemäldesammlungen und dem Staatsministerium alle Unterlagen zum 1962 vom Finanzministerium genehmigten Verkauf der Gemälde an Henriette von Hoffmann-Schirach, die sich bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen befinden, erhalten. Weitere Informationen zum Vorbesitzer oder späteren Eigentümern nach Heinrich Hoffmann/Henriette Hoffmann-Schirach sind in den Unterlagen im Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nicht vorhanden.
Seit der Washingtoner Konferenz von 1998, an der die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen als einziges deutsches Museum mit einer Vertreterin teilnahmen, betreiben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Provenienzforschung.
Es ist erklärte Absicht des zuständigen Ministeriums und der Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, unrechtmäßig entzogenes Eigentum an die Eigentümer bzw. deren Nacherben zu restituieren bzw. im Geiste der Washingtoner Prinzipien faire und gerechte Lösungen zu finden. Die Staatsgemäldesammlungen untersuchen proaktiv alle Gemälde und Skulpturen, die nach 1933 erworben und vor 1945 entstanden sind. Dabei handelt es sich um die vorhandenen Bestände der drei Pinakotheken, der Schack-Galerie und der zwölf Zweiggalerien. Daran wird derzeit mit vier aus staatlichen Mitteln finanzierten Mitarbeitern in einem eigenen Referat für Provenienzforschung geforscht.
Generaldirektor Dr. Bernhard Maaz gehört zu der Generation von Kunsthistorikern, die zu den entschiedenen Befürwortern der Washingtoner Erklärung gehören. Bereits an seinen vorherigen Dienstorten Berlin und Dresden hat er sich mit größtem persönlichem Engagement für Restitutionen an Opfer des NS eingesetzt.
Provenienzforschung ist eine langwierige Arbeit, sie erfordert fachliche Qualifikation und größte Sorgfalt, da die Ergebnisse belastbar sein müssen. Für die Arbeit der Provenienzforscher im Haus ist der uneingeschränkte Zugang zu den Archivalien essentiell. Die Archivalien der Staatsgemäldesammlungen sind auf Anfrage und nach Terminvereinbarung selbstverständlich für Erben, Erbenvertreter und externe Forscher einsehbar. Unter anderem hat Jonathan Petropoulos für seine im Jahr 2000 erschienene Publikation „The Faustian Bargain“ hier im Haus arbeiten können; viele andere folgten nachweislich nach. Auch Catrin Lorch und Jörg Häntzschel, den Autoren des SZ-Artikels, wurde das gewünschte Material vollumfänglich vorgelegt, andernfalls wäre der Artikel kaum möglich gewesen.
Die Behauptung, die Archivalien der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen seien nicht zugänglich oder der Zugang würde verweigert, ist falsch.
Seit 1998 erfolgten 12 Restitutionen aus 8 Sammlungen, oftmals dank proaktiver Recherche der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, wie in den Fällen August Liebmann Mayer oder Julius Kien und im Fall Michael Berolzheimer, dem mit Unterstützung der Staatsgemäldesammlungen ein Münchner Rechercheteam zusammengestellt wurde. Es ist erklärte Absicht des zuständigen Ministeriums und der Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, unrechtmäßig entzogenes Eigentum an die Eigentümer bzw. deren Nacherben zu restituieren bzw. im Geiste der Washingtoner Prinzipien faire und gerechte Lösungen zu finden.
Die Behauptung, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen würden Restitutionen verhindern, ist falsch.