„Ich glaube nicht an das Permanente, an das Ewige, daran, dass alles so bleiben muss, wie es ist. Eine Ausstellung muss ‚beweglich‘ bleiben, man muss die Objekte immer wieder austauschen“, so die Überzeugung von Tadashi Kawamata, der 2014 mit der grundlegenden künstlerischen Neukonzeption der MAK-Schausammlung ASIEN. China – Japan – Korea betraut wurde. Diesem künstlerischen Credo folgend, nimmt Kawamata, wie von Beginn an vorgesehen, einen erneuten Eingriff in die spektakuläre Gestaltung der MAK-Schausammlung vor. Der renommierte japanische Künstler „be- freit“ die Kunstwerke aus der Vitrine und öffnet einen völlig neuen Blick auf die Objek- te. Kawamatas 2014 entworfene raumhohe Vitrinen aus ungehobeltem Holz werden zu einem überraschend neuen Raumerlebnis rearrangiert. Eingebettet in diese erneute Neuaufstellung wechselt ab 10. Mai 2016 auch die kuratorische Perspektive auf die Kunst und die Kulturen Ostasiens sowie den Einfluss der asiatischen Kunst auf den europäischen Raum.Kawamatas Arbeit verändert nicht nur die Rezeption durch die MuseumsbesucherIn- nen, die Absage an die klassische Präsentation eröffnet auch dem Kurator ungewohnte Möglichkeiten für die inhaltliche Neuaufstellung der MAK-Schausammlung Asien. Malereien und grafische Arbeiten bilden die Zentren für die Gruppierung der großteils neu ausgewählten Exponate und lassen interdisziplinäre, inhaltliche Vergleiche zu.
Unmittelbar beim Eintritt in den Schausaal wird der Blick auf vier historisch bedeut- same, in der stilistischen und thematischen Nachfolge der Kunst der Tang-Zeit (618– 907) stehende Malereien aus dem 13.–14. Jahrhundert gelenkt, die gemeinsam mit Keramiken und Lackarbeiten von der Tang- bis zur Yuan- Zeit (7.–14. Jahrhundert) präsentiert werden. Das dichte Arrangement zeigt auf, wie die Tradition der „Drei Far- ben/sancai“ disziplinenübergreifend bis ins 14. Jahrhundert hineinwirkte. Der chinesi- sche Begriff „sancai“ bezeichnet mehrfarbige Glasuren, wobei die Farben Grün, Braun- Orange und Beige vorherrschen. Oft kommt Kobaltblau als vierte Farbe dazu. Diese einfache farbige Gestaltung von Keramiken wurde während der Tang-Zeit entwickelt, die Bleiglasuren machen die Tonstücke haltbarer und wasserundurchlässig. „Sancai“- Keramiken wurden schon in der Tang-Zeit nach Zentral- und Westasien exportiert und beeinflussten Technik und Gestaltung der Keramiken in islamischen Ländern und in der Folge auch die spätmittelalterliche Keramik in Europa.
Im Zentrum des Raumes richtet sich die Aufmerksamkeit auf chinesische Objekte aus der Ming- und Qing-Periode (14.–20. Jahrhundert), die neben einer großformatigen Seidenmalerei im tibetischen Stil präsentiert werden. Die Malerei entstand für die Gast-Residenz des 6. Panchen Lama Lozang Palden Yeshe (1738–1780) in Chengde, der kaiserlichen Sommerresidenz. Der Qianlong-Kaiser (1711–1799) lud den Panchen Lama zu seinem 70. Geburtstag in die Residenzstadt ein und beauftragte aus diesem Anlass die Hofwerkstätten mit der Anfertigung großformatiger Gemälde. Wie auch in den kunstgewerblichen Objekten dieser Zeit ist in den Malereien ein Stilmix aus chinesi- schen und europäischen Elementen erkennbar. Im Fokus der dritten Objektgruppe stehen Arbeiten, die zu den „Gründungsobjekten“ der 25 000 Werke umfassenden Asien-Sammlung des MAK gehören. Gezeigt werden jene Objekte, mit denen Japan an der Wiener Weltausstellung 1873 teilnahm. Sie gin- gen im Anschluss daran in die MAK-Sammlung über und haben aus westlicher Sicht das künstlerische und ästhetische Bild von Ostasien nachhaltig geprägt. Ein großforma- tiges Stillleben von Watanabe Kai (1835–1887) zeigt den Scheideweg in der Kunst Ja- pans nach dem Ende des Feudalstaates des Tokugawa-Shogunats (1603–1868). Die Entscheidung zwischen Tradition und Hinwendung zur westlichen Kunst war noch offen, in diesem Bild „schweben“ räumlich gemalte Früchte vor neutral goldenem Hin- tergrund.
Eine Gegenüberstellung von Porzellanen aus Japan und Europa wird mit dem Sicht- fenster geschaffen, das die Räumlichkeiten der MAK-Schausammlung Asien und der 1993 von Donald Judd (1928–1994) gestalteten MAK-Schausammlung Barock Rokoko Klassizismus verbindet. Es dient als Vitrine für japanische Porzellane im Kakiemon-Stil aus dem 17. und 18. Jahrhundert und Porzellane aus der Wiener Porzellanmanufaktur (ab 1718) und gibt den Blick auf das bekannte „Dubsky-Zimmer“ (ab 1725) frei. Das Porzellanzimmer aus dem Brünner Palais Dubsky ist ein herausragendes Beispiel für die ab 1719 in Wien einsetzende Porzellanproduktion.
Tadashi Kawamata (geb. 1953 in Mikasa, Japan, lebt und arbeitet in Tokio und Paris) erweckte bereits mit 28 Jahren im Zuge seiner Teilnahme an der 55. Biennale di Vene- zia Aufmerksamkeit, als er den japanischen Pavillon mithilfe einer Holzkonstruktion in die Giardini erweiterte. Er ist regelmäßig bei internationalen Ausstellungen vertreten, wie etwa 1987 und 1992 bei der documenta in Kassel. Kawamata war künstlerischer Leiter der Yokohama Triennale 2005, der größten zeitgenössischen Kunstausstellung Japans. Seit 2005 lehrt er an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris (Staatliche Hochschule der Schönen Künste Paris).