Vor einhundert Jahren wurde am 12. Juli 1915 Otto Steinert in Saarbrücken geboren. Er gilt als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der westdeutschen Fotografie nach 1945. Das Saarlandmuseum würdigt seinen 100. Geburtstag durch eine Präsentation seiner wichtigsten Werke aus der eigenen Sammlung. Sie ist Teil einer Neuhängung, die ab 24. Juli unter dem Titel „Meisterwerke der Moderne und der Gegenwart“ in der Modernen Galerie zu sehen sein wird. Gleichzeitig erscheint eine Otto Steinert gewidmete, reich bebilderte Publikation zum Bestand seiner Werke im Saarlandmuseum, das stolz ist, den zweitgrößten Steinert-Bestand in deutschen Museen sein Eigen nennen zu dürfen.1948 wurde Otto Steinert die Leitung einer Fotografieklasse an der Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken anvertraut. In dieser Funktion und als Mitglied der Gruppe „fotoform“ initiierte er die Bewegung „subjektive fotografie“. Hier galt der gestaltende und damit künstlerische Anteil an der Fotografie mehr als technische Perfektion einer vermeintlich wirklichkeitsgetreuen Abbildung. Ausgangspunkt waren drei gleichnamige Ausstellungen, die ursprünglich 1951 und 1954 in Saarbrücken präsentiert wurden und im In- und Ausland für große Aufmerksamkeit sorgten. Steinerts fotografisches Werk hat in vielerlei Hinsicht Modellcharakter für den gestaltenden Umgang mit Fotografie. Steinert aktualisiert in seinen Arbeiten den Umgang mit experimentellen Techniken und baut Brücken zum zeitgenössischen Kunstgeschehen, während er in den 1960er Jahren auch einer objektivierenden Fotografie neuen Raum gibt.
Das Saarlandmuseum ist Otto Steinert sehr verbunden. Denn schließlich ist ihm zu einem guten Teil der Aufbau der Fotografischen Sammlung des Hauses zu verdanken. Die ersten Ankäufe für die Sammlung wurden durchweg mit Otto Steinert durchgeführt und waren allesamt Exponate seiner Ausstellungen „subjektive fotografie“ 1951 und 1954. Dabei waren auch acht Arbeiten von Steinert vertreten. Gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth erkannte der damalige Leiter des Saarlandmuseums, Rudolf Bornschein, die Chance, die eine künstlerisch orientierte Fotografie für eine neu aufzubauende Sammlung moderner Kunst darstellte.
In seinem Oeuvre gelang es Otto Steinert, wichtige Verbindungen etwa zur Kunst am Bauhaus und zum Surrealismus zu ziehen. Damit schlug er eine Brücke zur Kunst Deutschlands vor dem Nationalsozialismus wie zur französischen Avantgarde. Strenge konstruktivistische Ansätze verbinden sich hier mit Bildtechniken – etwa der Solarisation-, die dem Zufall, dem Licht der Fotochemie Gestaltungsfunktionen einräumen. Er arbeitete in seinen Motiven Strukturen heraus, beschritt neue Wege in der Langzeitbelichtung, verkehrte Positiv und Negativ und bediente sich der Fotomontage. Dies waren seine Mittel, mit denen er Motive schuf, die oftmals an abstrakte Malerei erinnern. Die darstellende Fotografie ließ er aber nicht aus den Augen. Zu Beginn der 1960er Jahre erlangte seine Portraitserie der „Nobelpreisträger und Mitglieder des Ordens Pour le mérite“ großes Aufsehen. Neuartig war die extreme Nahsicht bei gleichzeitigem Augenmerk auf den abstrahierenden seriellen Charakter der Reihe.
Mit der Angliederung an die Bundesrepublik wurde die Schule für Kunst und Handwerk, deren Direktor Steinert seit 1952 war, in eine westdeutsche Werkkunstschule umgewandelt. 1959 verließ Otto Steinert Saarbrücken und wechselte an die Folkwangschule in Essen. Dort führte er die Ausbildung künftiger Fotografen fort. Eine Vielzahl von ihnen zählte später zu den bekanntesten der Republik. Außerdem gelang es Steinert, eine stattliche Studiensammlung zur Fotografie anzulegen, welche 1978 in die im selben Jahr gegründete Fotografische Sammlung des Museum Folkwang überging.
Seit dem Ankauf 1988 von mehr als 80 Werken aus dem Steinert-Nachlass verfügt das Saarlandmuseum über den – nach Essen – zweitgrößten Bestand an Arbeiten von seiner Hand, der in deutschen Museen zu finden ist.Die Publikation „Otto Steinert“ in der neuen Reihe von Cahiers zu den Hauptwerken des Saarlandmuseums, ist ab 24. Juli über das Museum für 9,90 EUR zu beziehen (64 Seiten mit 25 Abbildungen).