Zu finden ist das neue Museum im Grillparzerhaus, dem generalsanierten, ehemaligen k. k. Hofkammerarchiv in der…
Zu finden ist das neue Museum im Grillparzerhaus, dem generalsanierten, ehemaligen k. k. Hofkammerarchiv in der…
Zu finden ist das neue Museum im Grillparzerhaus, dem generalsanierten, ehemaligen k. k. Hofkammerarchiv in der Johannesgasse 6 in der Wiener Innenstadt. Dort erwartet BesucherInnen ein einmaliges Museumserlebnis: Rund 650 Exponate von über 200 AutorInnen, mehr als 60 multimediale Stationen und ein eigener Kinoraum sind eingebettet in das denkmalgeschützte Ambiente eines Juwels der Wiener Biedermeierarchitektur.
Manuskripte, Briefe, Fotos und Lebensdokumente, Plakate, Ton- und Filmaufnahmen sowie außergewöhnliche Schaustücke geben in der Dauerausstellung auf zwei Stockwerken einen einzigartigen Einblick in das Leben und Schreiben, das Werk und die Wirkung berühmter wie neu zu entdeckender österreichischer SchriftstellerInnen. Besonders beeindruckend sind das im Original erhaltene Arbeitszimmer Franz Grillparzers, das einzige sich in Österreich befindende Manuskript Franz Kafkas oder berührende Briefe von Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Aber auch überraschende Objekte sind im Museum zu entdecken wie ein Nachbau von Adalbert Stifters „Rosenhaus”, der Morgenmantel von Heimito von Doderer oder eine Haarlocke von Arthur Schnitzler.
Beim großen Eröffnungswochenende am 18. und 19. April kann man das Museum bei spannenden Führungen kennenlernen und Literatur live erleben: Es lesen u.a. Franzobel, Friederike Mayröcker, Julya Rabinowich und Robert Menasse. Das alles bei freiem Eintritt. Vom k. k. Hofkammerarchiv zum Grillparzerhaus Wer seinen Fuß über die Eingangsschwelle zu den Ausstellungsräumen im Literaturmuseum setzt ist sofort eingenommen von der geschichtsträchtigen Atmosphäre eines der ältesten Archivbauten Europas, in dem jahrzehntelang die Akten der Habsburgermonarchie verwaltet wurden. Im Jahre 1844 wurde das k. k. Hofkammerarchiv fertiggestellt, heute ist es eines der hervorragendsten Beispiele der Wiener Biedermeierarchitektur. Franz Grillparzer, einer der großen österreichischen Klassiker, waltete hier bis 1856 seines Amtes als Archivdirektor – zerissen zwischen bürokratischen Pflichten und schriftstellerischer Berufung. Sein Arbeitszimmer, an dessen Schreibpult vermutlich manches Werk skizziert wurde, ist als symbolisches Zentrum des Literaturmuseums im Originalzustand erhalten geblieben. Grillparzer gibt dem Gebäude daher auch seinen heutigen Namen: Grillparzerhaus.
Bis 2006 wurde es vom Österreichischen Staatsarchiv genutzt. Nach einer umfassenden wie behutsamen Generalsanierung widmet sich hier das nunmehr vierte Museum der Österreichischen Nationalbibliothek auf insgesamt ca. 750 qm ganz der Kunst des geschriebenen Wortes.
Ein Museum zum Schauen, Staunen und Mitmachen Literarische Objekte aus dem Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, einem der größten im deutschsprachigen Raum, treten damit erstmals ins Licht der Öffentlichkeit. Sie werden ergänzt durch zahlreiche Originale aus anderen Sammlungen der Bibliothek und weiteren nationalen und internationalen Institutionen.
Eingebettet in die historische Struktur der meterhohen, denkmalgeschützten Holzregale des vormaligen Archivs und umspielt von farbigen Informationsträgern, leiten die Exponate die BesucherInnen durch eine in ihrer Reichhaltigkeit und Bandbreite beeindruckende Ausstellung. Ein überblicksartiger Rundgang durch die Geschichte der österreichischen Literatur anhand herausragender Einzelobjekte ist ebenso möglich wie eine vertiefende Besichtigung der Originale, Faksimiles, Zitate, Bild-, Ton- und Filmdokumente.
Zahlreiche Elemente laden dabei zum Mitmachen ein: Man kann eigene Gedichte verfassen oder literarische Texte fortsetzen, Objekte drehen oder sich auf einem multimedialen Tablet Anregungen und Anleitungen zum Selberschreiben holen – und dabei in einer der gemütlichen Leseecken sitzen. Mit Abreißgedichten von H.C. Artmann, Elfriede Gerstl, Ernst Jandl und vielen anderen AutorInnen sowie dem reich bebilderten Begleitbuch „Das Literaturmuseum. 101 Objekte und Geschichten” (Jung und Jung Verlag, 24,90 Euro) lässt sich Literatur aus dem Museum auch mit nach Hause nehmen.
Die ganze Welt der österreichischen Literatur in einem Museum Wie entsteht ein Gedicht? Was ist ein Roman? Was heißt Lesen? Mit Fragen rund um die Literatur und ihre Entstehung begrüßt eine große, eigens für das Literaturmuseum angefertigte Medieninstallation die BesucherInnen. Sie macht deutlich, dass das Museum ein Gegenwartsort ist, ein Ort, an dem man in die Schreibwerkstatt von AutorInnen versetzt wird, erfahren kann, wie die Idee zu einem Werk geboren wird, wie aus einer wie beiläufig hingeworfenen Skizze Worte, Kapitel, Manuskripte werden und welchen Einfluss die jeweiligen Lebensumstände dabei ausüben. So vergegenwärtigt eine Collage das Zetteluniversum Friederike Mayröckers, die Notizen auf Wäscheleinen klemmt, um aus diesen ihre Prosa zu bauen. Ein Originalbrief Johann Nestroys vom 17. Jänner 1836 ist zu sehen: Mit schwungvoller Hand schreibt er aus dem Gefängnis – er war auf der Bühne abgewichen vom geschriebenen Text, den die strenge Zensur des Metternich-Staats freigegeben hatte. Eine Werkskizze Robert Menasses schließlich zeigt, wie der Autor auf einem überdimensionalen Blatt den Bauplan zu seinem 2001 erschienenen Roman „Die Vertreibung aus der Hölle” mit Pfeilen, Linien und Farben ausgearbeitet hat.
Im Durchgang durch die Regalreihen, die immer wieder neue Aus- und Einblicke eröffnen, entfaltet sich dann Stück für Stück das ganze Panorama der österreichischen Literatur. Durch die Verschränkung biografischer, chronologischer und thematischer Kapitel wird deutlich, welche SchriftstellerInnen innerhalb der jeweiligen Grenzen Österreichs Relevanz hatten, was historische Zäsuren wie die Aufklärung, das Ende der Habsburgermonarchie, die 1920er Jahre und der Bürgerkrieg, die zwei Weltkriege oder gegenwärtige Entwicklungen für das Schreiben bedeuten und welche Themen und Aspekte österreichische Literatur auszeichnen: Das Verhältnis von Provinz und Metropole etwa, von Literatur und Engagement, Fremdheit und Identität, die Verbindung zur Musik oder zur bildenden Kunst, der Einsatz von Groteske, Satire und Polemik, aber auch das Beharren auf der weit ausholenden großen Erzählung. Robert Musil ist hier ein Paradebeispiel und folgerichtig sind auch Entwurfsblätter zu „Der Mann ohne Eigenschaften” zu sehen – einige von mehr als 10.000 Manuskriptseiten.
Doch was ist überhaupt „typisch österreichisch”? Zu allen Zeiten haben sich die LiteratInnen des Landes diese Frage gestellt, von Marlene Streeruwitz bis Ödön von Horváth, von Thomas Bernhard bis Gerhard Rühm, von Franz Grillparzer bis Doron Rabinovici – ihre Antworten und jene weiterer AutorInnen kann man in einem eigenen Hörraum teilweise sogar im Original nachhören.
650 Exponate, die Literaturgeschichte geschrieben haben Friedrich Achleitner, Ilse Aichinger, Peter Altenberg, H.C. Artmann, Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Heimito von Doderer, Marie von Ebner-Eschenbach, Erich Fried, Arno Geiger, Elfriede Gerstl, Maja Haderlap, Peter Handke, Josef Haslinger, Marlen Haushofer, Hugo von Hofmannsthal, Ödön von Horvath, Ernst Jandl, Elfriede Jelinek, Gert Jonke, Franz Kafka, Michael Köhlmeier, Karl Kraus, Friederike Mayröcker, Helmut Qualtinger, Christoph Ransmayr, Kathrin Röggla, Joseph Roth, Gerhard Rühm, Robert Schindel, Brigitte Schwaiger, Adalbert Stifter, Georg Trakl, Peter Turrini, Franz Werfel, Josef Winkler, Max Zweig – diese und viele weitere SchriftstellerInnen sind mit herausragenden Objekten, spannenden O-Tönen oder beeindruckenden Fotografien im Literaturmuseum zu erleben.
Sie alle zeigen, dass Literatur mehr ist, als zwischen zwei Buchdeckel passt. Eines von vielen Highlights unter den insgesamt rund 650 im Museum präsentierten Exponaten ist etwa ein handschriftlicher Entwurf Franz Kafkas für seinen unvollenendeten Roman „Der Verschollene”, der später unter dem Titel „Amerika” veröffentlicht wurde. Es ist das einzige sich in Österreich befindende Manuskript des Prager Autors. Nicht weniger bedeutend: die großformatigen Konstruktionsskizzen Heimito von Doderers zu seinen Klassikern „Die Strudlhofstiege” und „Die Dämonen”. Wie detailgenau und umfassend LiteratInnen Welten im Kopf entstehen lassen, das veranschaulicht ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung: Das „Rosenhaus” bildet in Adalbert Stifters Roman „Der Nachsommer” (1857) den Mittelpunkt des Geschehens. Es ist so genau beschrieben wie kaum eine andere literarische Baufantasie – eine Genauigkeit, die einen exakten Nachbau ermöglichte. So wird im Literaturmuseum aus den Gedanken des Schriftstellers ein reales Modell im Maßstab 1 : 200. Präzise war auch das Denken Ludwig Wittgensteins. Er ist nicht nur einer der bedeutendsten österreichischen Philosophen, sondern auch einer der wichtigsten Vertreter der Sprachphilosophie – weswegen er in einem Museum für Literatur nicht fehlen darf. Die handschriftliche Urfassung von Wittgensteins Opus Magnum „Philosophische Untersuchungen” von 1936 ist erstmals öffentlich zu sehen. Aus den kühlen Höhen wissenschaftlicher Abstraktion zu poetischen Gefühlswelten führt schließlich ein weiteres eindrucksvolles Original: Der Entwurf eines Liebesbriefs von Ingeborg Bachmann an Paul Celan. Es ist eines der berührendsten Dokumente des Museums: „Ich müsste kommen, Dich ansehen, Dich herausnehmen, Dich küssen und halten, damit Du nicht fortgleitest”, schreibt Bachmann und Celan antwortete mit zwei Gedichten – auch sie sind ausgestellt – und den Worten: „Für Dich, Ingeborg, für Dich - - ”.
Literaturgeschichte vermitteln, Gegenwartsliteratur live erleben Das Literaturmuseum ist ein lebendiger Ort der Auseinandersetzung mit Literatur. Deshalb bietet es im 1. und 2. Stockwerk nicht nur eine abwechslungsreiche Dauerausstellung, ab 2016 wird im 3. Stockwerk auch die erste Wechselausstellung zu sehen sein, bei der zehn AutorInnen sich selbst und ihr Schreiben vorstellen.Darüber hinaus ist ein vielfältiges und attraktives Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm geplant. Die eigens für das Literaturmuseum entwickelten „Wortwelten” ermöglichen SchülerInnen von der 7. bis zur 12. Schulstufe einen altersgerechten und lebensnahen Zugang zur Literatur und zum Schreiben: Thematische Führungen durch das Museum stehen dabei auf dem Programm, Schreibwerkstätten sowie Gespräche mit AutorInnen wie Renate Welsh oder Michael Stavaric. Auch außerhalb der „Wortwelten” können Schulklassen oder Jugendgruppen jederzeit Termine für didaktisch aufbereitete Besichtigungen vereinbaren. Aber auch erwachsene Literaturbegeisterte kommen nicht zu kurz: Gruppen können sich von ausgebildeten Guides durch die Welt der Literatur führen lassen oder als Einzelpersonen an jedem Donnerstag um 18 Uhr an einer öffentlichen Führung teilnehmen.
Wer Gegenwartsliteratur live sehen möchte, kann bereits am Eröffnungswochenende am 18. und 19. April bei freiem Eintritt Lesungen von bekannten AutorInnen erleben. Doch auch über das Wochenende hinaus gibt es zahlreiche kostenlose Liveevents in den Veranstaltungsräumen im Erdgeschoß des Literaturmuseums. In der mit dem benachbarten Metro-Kinokulturhaus konzipierten Reihe „Das Museum geht ins Kino” kann man die Beziehungen zwischen Literatur und Film im Beisein der AutorInnen erkunden, „Reden vom Schreiben” wurde gemeinsam mit der Grazer Autorinnen Autorenversammlung entwickelt und bringt arrivierte SchriftstellerInnen mit jüngeren zusammen auf die Bühne, die „Archivgespräche” bitten spannende Archivbestände vor den Vorhang und die „Vorlesungen zur österreichischen Literatur” lassen hochkarätige Vorträge von LiteraturexpertInnen erwarten. All diese Veranstaltungen machen das Literaturmuseum zu einer großen Bereicherung für die bunte Literaturszene Österreichs.
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