Aus Anlass seines 90. Geburtstages widmet die Galerie bei der Albertina . Zetter dem großen Bildhauer Joannis Avramidis eine umfassende Überblicksausstellung – und damit die erste in Wien jemals gezeigte Werkschau. Die Ausstellung stellt seine zentralen Topoi – Figur, Torso, Kopf, Säule –, jene geometrisch abstrahierten und archaischen Formen die der Bildhauer vom mensch- lichen Körper ausgehend schafft, in den Mittelpunkt. Neben der Auswahl an Skulp- turen werden außerdem Zeichnungen und Gemälde gezeigt. Mit der Arbeit „Fünffi- gurengruppe“ (1965/68, Höhe: 200cm) öffnet sich die Galerie dabei auch in den öffentlichen Raum auf dem Lobkowitzplatz.Die rund 30 Plastiken und rund 30 Zeichnungen, deren Entstehungszeit vom An- fang der Fünfziger-Jahre bis in das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts reicht, geben dabei einen stringenten Überblick über das Schaffen von Joannis Avramidis und machen seine künstlerische Entwicklung erhellend lesbar.
„Das Werk des Griechen Joannis Avramidis setzt Maßstäbe. Es behauptet sich in der Kunst der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts als unverrückbarer Block. In ihm versammeln sich Traditionen bildnerischen Ausdrucks einer jahrtau- sendealten mediterranen Kultur, wobei die menschliche Figur, sein zentrales The- ma, radikal und neuartig von innen heraus konstruiert wird. Das System und die strenge Gesetzmäßigkeit des künstlerischen Vorgehens erzwingen hierbei weitge- hend die Ausschaltung subjektiver Willkür. Die griechische archaische und klassi- sche Skulptur, Piero della Francesca und Hans von Marées sind die Eckpfeiler, auf die sich Avramidis seit je mit einer fast anachronistischen Haltung beruft, Brancusi, Lehmbruck und Schlemmer die nächsten und raren Wahlverwandten im zwanzigs- ten Jahrhundert, die die Abstraktheit der Form und die Verdichtung des Figürlichen vergleichbar ins Exemplarische getrieben haben,“ so charakterisiert Michael Semff, Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung in München, in seiner 2005 erschienenen Monografie das Werk von Joannis Avramidis.
Es ist seine künstlerische Idee, welche die der Natur abgeschauten Formen im Zuge des Schaffensprozesses zu jenen markanten, abstrahierten Skulpturen transformiert, die ihren Ursprung in der griechischen Antike und der italienischen Frührenais- sance haben, aber aus einem zeitgenössischen Verständnis heraus entwickelt sind. Die Zeichnung ist ihm auf diesem Weg zur dreidimensionalen Figuration ein zent- raler Ausgangspunkt und unbedingt mit seinem skulpturalen Werk verbunden.
Avramidis konzentriert sich dabei auf wenige Formen, die in ihren Bezügen durch sein jahrzehntelanges Schaffen miteinander verbunden sind, die er aber auch sub- til variiert und immer wieder erweitert.
Diese Einzelfigur begegnet uns als „Säule“, als „Figur“, aber auch als „König Minos“ und als „Trojanischer Krieger“. Avramidis fügt dieses Element aber auch zur Grup- pe, zur „Polis“, verdichtet und verschneidet es, sowohl rundplastisch wie auch im Fries. Werner Hofmann spricht hierbei von einem „homogenen, doch variantenrei- chen Kollektivkörper“.
Als Antithese zu diesen geschlossenen Säulenfiguren entwickelt der Bildhauer ab 1966 seine „Bänderfiguren“. Christa Lichtenstern spricht im Katalog zur Ausstel- lung von einer „zentrifugalen, entgegen gesetzten Richtung: Sie steht unter dem Leittypus des Bandes und sucht verstärkt Beweglichkeit und Raumoffenheit.“ Ein anderer zentraler Topos, ist der Kopf, dessen mannigfaltige Ausprägungen im Schaffen des Künstler die Ausstellung auf eindrückliche Weise zeigen kann.
Die Galerie bei der Albertina . Zetter präsentiert in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler eine Ausstellung, die in ihrer Vielfalt und chronologischer Bandbreite in Wien so noch nicht zu sehen war. Sie ehrt das Lebenswerk eines der großen Bild- hauer der Gegenwart, dessen Arbeiten in ganz Europa im Öffentlichen Raum und in Museen repräsentativ zu finden sind.
Biographische Daten Joannis Avramidis:Joannis Avramidis wurde im September 1922 im russischen Batum als Sohn grie- chischer Eltern geboren. 1943 kam er nach Wien, wo er von 1946 bis 1949 Malerei bei Robin Christian Anderson an der Akademie der bildenden Künste studierte und von 1953 bis 1956 in der Klasse von Fritz Wotruba arbeitete. 1962 vertrat er Österreich auf der Biennale in Venedig. Er lehrte unter anderem in Ham- burg und war von 1968 bis 1992 Leiter einer Meisterklasse für Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 1973 wurde er mit dem Großen Öster- reichischen Staatspreis ausgezeichnet. Er ist Mitglied des Österreichischen Kunstse- nats. Joannis Avramidis lebt und arbeitet in Wien.
Galerie bei der Albertina. ZetterJoannis AvramidisAusstellung zum 90. Geburtstag – Skulpturen, Zeichnungen, Gemälde 17.10.2012 bis 31.01.2013
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog
Hinweis:Auch das Kunsthistorische Museum ehrt Joannis Avramidis zu seinem 90. Geburts- tag mit einer Ausstellung und zeigt von 19.09. bis 04.11.2012 eine Auswahl von Skulpturen und grafischen Arbeiten, die in der Antikensammlung in unmittelbaren Dialog mit den Originalen des griechischen und römischen Altertums treten.