Cut loose, 2005 aus der Serie Boarding House © Roger Ballen Cut loose, 2005 aus der Serie Boarding House © Roger Ballen - Mit freundlicher Genehmigung von: WestLicht

Was: Ausstellung

Wann: 22.02.2013 - 28.04.2013

Mit seiner zwischen Dokumentation und Fiktion changierenden Bilderwelt, nachhaltig verstörend und bestechend zugleich, gehört Roger Ballen zu den eigenwilligsten und prägendsten Fotografen seiner Generation. 1950 in New York geboren, lebt und arbeitet er seit vielen Jahren in Südafrika. Die Ausstellung gibt erstmals in Österreich einen umfassenden Einblick in sämtliche…
Mit seiner zwischen Dokumentation und Fiktion changierenden Bilderwelt, nachhaltig verstörend und bestechend zugleich, gehört Roger Ballen zu den eigenwilligsten und prägendsten Fotografen seiner Generation. 1950 in New York geboren, lebt und arbeitet er seit vielen Jahren in Südafrika. Die Ausstellung gibt erstmals in Österreich einen umfassenden Einblick in sämtliche Schaffensperioden des Künstlers von den sechziger Jahren bis heute.

Ballens Faszination für das Groteske und Abgründige spiegelt sich bereits in seinen frühen Fotografien wider. Zwischen 1969 und 1973 entstanden, nehmen sie Merkmale späterer Serien wie die Fragmentierung des Sujets oder seine Isolierung vor weißen Wänden vorweg. Nach dem Tod seiner Mutter 1973 unternahm er, begleitet von seiner Kamera, eine mehrjährige Weltreise, die ihn durch Europa, Asien und Afrika führte. 1979 veröffentlichte er in Boyhood eine Auswahl der dabei entstandenen Fotografien. Sie zeugen zum einen vom Einfluss der street photography, zum anderen hat sich Ballen in den eindrucksvollen Porträts von Jugendlichen auf die Suche nach der eigenen Kindheit gemacht.

Zurück in den USA absolvierte er ein Studium an der Colorado School of Mines und zog 1981 nach Johannesburg, wo er als Geologe zu arbeiten begann. Auf seinen Fahrten durch das Land entdeckte er die Dorps, jene dörflichen Gemeinden, in denen bis heute Nachfahren der Buren leben: Dorps. Small Towns of South Africa (1986). Es waren weiße Tagelöhner, Dienstboten, Händler sowie Feld- und Mienenarbeiter, die Ballen in ihren verwahrlosten Behausungen aufsuchte und fotografierte. Trotz ihrer Zugehörigkeit zur „herrschenden Klasse“ fristeten diese Menschen in der kargen Landschaft des „Platteland“ (flaches Land) ein isoliertes, trostloses Dasein in bitterster Armut und fern der Zivilisation.

1994 sorgte die Veröffentlichung des Buches Platteland für heftige Diskussionen. Susan Sontag sprach von der beeindruckendsten Porträtserie, die sie seit Jahren gesehen hatte, und die internationale Kritik sah Roger Ballens Fotografien in der Bildtradition von Walker Evans, August Sander und Diane Arbus. Daneben entbrannte eine Polemik, in der Ballen die Ausbeutung seiner Modelle als Objekte vorgeworfen wurde. Der Künstler schrieb diese Kritik dem Umstand zu, dass die Darstellung der verarmten Buren bei der herrschenden weißen Klasse für Irritationen sorgte und das Trauma der Burenkriege wieder wachrief. Während die Porträtierten in Platteland weitgehend frontal und als Ganzfiguren erscheinen, fotografiert in kargen Behausungen, umgeben von Dingen des täglichen Lebens, werden sie in Outland (2001) zu Akteuren in absurden Rollenspielen. Requisiten wie Kabel, Rohre und Masken, aber auch Tiere wie Hunde, Katzen und Schweine werden gehalten und vorgezeigt.

In Shadow Chamber (2005) existiert der Mensch oft nur noch in Fragmenten. Vom Künstler gefertigte Zeichnungen und Objekte erobern ihren Platz. Weniger der äußeren als der inneren Welt verpflichtet, führt die Serie in verborgenes Terrain und dunkle Zonen des Lebens. Diese Suche nach dem Unterbewussten, das nicht selten albtraumhaft erscheint, setzt Ballen mit Boarding House (2009) und seiner jüngsten Serie Asylum fort, aus der einige Arbeiten im WestLicht erstmalig ausgestellt werden.

In Boarding House dient ein altes Fabriksgebäude, das von Wanderarbeitern, Kriminellen, Wunderheilern und Tieren bewohnt wird, als Kulisse für surreale Inszenierungen. Verstärkt nähert sich Ballen in seinen jüngeren Arbeiten auch Malerei und Zeichnung an. Mit gefundenen Objekten gestaltete Wände erinnern an die Art Brut von Jean Dubuffet, an Paul Klee oder an Arbeiten von Cy Twombly und Mark Rothko. Die Fotografien verwandeln sich zu Kompositionen, die sich nicht mehr eindeutig lesen lassen, sondern, indem sie „den Verstand verwirren“ (Ballen), das emotionale Potential des Betrachters aktivieren sollen. Der Künstler begreift jede Fotografie als Teil des Selbst und damit als Ausweitung der eigenen Person. Das Fotografieren gleicht einer Entdeckungsreise in die eigene Psyche: „The older I get the more I need to get to the source, the place where dreams originate, the source of the psyche.“

Roger BallenWird 1950 in New York geboren. Namhafte Fotografen wie André Kertész, Bruce Davidson oder Henri Cartier-Bresson sind ihm schon in den sechziger Jahren vertraut, als seine Mutter Adrienne für die Fotoagentur Magnum in New York arbeitet. Die Fotografie wird im Laufe der Zeit zu einer Leidenschaft, dennoch entscheidet er sich zunächst an der University of California, Berkeley, Psychologie zu studieren. 1972 schließt er sein Studium ab. 1973 beginnt er eine mehrjährige Weltreise, die ihn unter anderem 18 Monate nach Südafrika führt. 1977 kehrt er in die USA zurück. Er beginnt ein Studium an der Colorado School of Mines, das er 1981 mit dem Doktor in Philosophie abschließt. Im selben Jahr zieht er mit seiner Frau Lynda Moross nach Südafrika, wo er bis heute lebt. Seine Arbeiten finden sich in den Sammlungen bedeutender Institutionen wie dem Museum of Modern Art in New York, dem Centre Georges Pompidou in Paris, dem Stedelijk Museum in Amsterdam und dem Victoria and Albert Museum in London.

Zur ausschließlichen Verwendung von Schwarzweiß-Fotografie sagt Roger Ballen: „I have been shooting black and white film for nearly fifty years now. I believe I am part of the last generation that will grow up with this media. Black and White is a very minimalist art form and unlike color photographs does not pretend to mimic the world in a manner similar to the way the human eye might perceive. Black and White is essentially an abstract way to interpret and transform what one might refer to as reality.“

Roger Ballen spricht über seine Arbeit:Freitag, 22. Februar 2013, 18 hMuseum WestLicht

Der Katalog Roger Ballen. Fotografien 1969-2009 mit Texten von Ulrich Pohlmann und Angela Stercken ist im Kerber Verlag erschienen und neben weiteren Büchern von Roger Ballen im WestLicht Bookshop erhältlich.

In Zusammenarbeit mit der Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums.

Dresie and Casie, twins, Western Transvaal, 1993 aus der Serie Platteland © Roger Ballen Dresie and Casie, twins, Western Transvaal, 1993 aus der Serie Platteland © Roger Ballen - Mit freundlicher Genehmigung von: WestLicht / WestLicht Prickles, 2002 aus der Serie Boarding House © Roger Ballen Prickles, 2002 aus der Serie Boarding House © Roger Ballen - Mit freundlicher Genehmigung von: WestLicht / WestLicht Passerby, Israel, 1974 aus der Serie Israel © Roger Ballen Passerby, Israel, 1974 aus der Serie Israel © Roger Ballen - Mit freundlicher Genehmigung von: WestLicht / WestLicht
Tags: Retrospektive, Roger Ballen, Wien