Walker Evans (1903 – 1975) gehört zu den großen Persönlichkeiten der Fotografiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Er erlangte erstmals öffentliche Aufmerksamkeit mit seiner Dokumentation der Armut im Amerika in den Zeiten der Großen Depression, die am 29. Oktober 1929 mit dem Schwarzen Freitag begann und die 1930er Jahre dominierte. Bis heute ist die Rezeption seines Werkes eng mit diesen in den 1930er Jahren entstanden Fotografien verbunden. Die Ausstellung zeigt mit weit über 200 Originalabzügen aus den Jahren 1928 bis 1974 sowohl die Ikonen seines Werkschaffens als auch bisher selten veröffentlichte Fotografien.Sein Werk ist maßgeblich für eine Fotografierichtung, die als „dokumentarischer Stil“ bezeichnet wird. Über Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart gewann das umfangreiche fotografische Werk von Walker Evans zunehmend Vorbildcharakter. Mit seinen nüchtern registrierenden Aufnahmen hat er ein einzigartig authentisches Bild Amerikas aufgezeichnet und wie kein anderer vor ihm mit besonderem Empfinden für das Alltägliche und Subtile. Evans vereinte den ungeschönten Blick des Fotojournalisten mit einem subjektiven, künstlerischen Bewusstsein.
Der Betrachter folgt Evans’ Biographie ebenso wie dem sich wandelnden Zeitbild Amerikas, von der großen Wirtschaftskrise bis hin zu sich stabilisierenden Zeiten und geschäftigem Alltagsgeschehen: Frühe Eindrücke der 1920er-Jahre aus seiner Wohngegend in New York, Bildnisse seiner Freunde und Mitstreiter, die Rückschlüsse auf sein verzweigtes kulturelles Umfeld zulassen, Architekturen des 19. Jahrhunderts, die sich der gewachsenen Lebenskultur zuwenden, Bildreihen aus Tahiti und Kuba, afrikanische Skulpturen und Masken, entstanden im Auftrag des New Yorker Museum of Modern Art, zahlreiche Fotografien, aufgenommen in den 1930ern im ländlichen Süden der USA, die im Kontrast zum Lebensstil der Großstädter und Passanten etwa New Yorks stehen. Viele der Arbeiten stammen aus der Privatsammlung von Clark und Joan Worswick, sie werden begleitet von einigen Werkgruppen deutscher Sammlungsprovenienz.
Die Ausstellung zeigt einige der Ikonen der Fotografiegeschichte: Portraits von Farmerfamilien, verlassene Häuser, leerstehende Fabrikgebäude. Evans wird 1935 von der amerikanischen Farm Security Administration (FSA) beauftragt, das Leben der Landarbeiter zu dokumentieren, die von der Großen Depression betroffen waren. Entstanden sind Fotografien, die Not und Anmut gleichermaßen zeigen und Evans berühmt gemacht haben.
Sie richtet aber auch ein besonderes Augenmerk auf noch unbekanntere Motive des Fotografen: auf jene, die in den 1940er bis 1960er Jahren entstanden. Sie stellt auch Arbeiten vor, die für die von Henry Luce 1930 gegründete Zeitschrift Fortune ab 1945, auf Reisen nach London im Auftrag der Zeitschrift Architectural Forum oder bei Aufenthalten im Haus von Robert Frank in Nova Scotia Ende der 1960er-Jahre entstanden sind.
Neben Straßenansichten, amerikanischen Denkmälern, Schaufensterauslagen fern des ,Big Business’, sind Beispiele seiner wichtigen Subway-Fotografien zu sehen, aufgenommen mit verdeckter Kamera. Des Weiteren erzählen Interieurs mit ihren bescheidenen Arrangements über das Leben ihrer Bewohner, Bilder, die unwillkürlich an Evans’ Bemerkung „I do like to suggest people by absence“ erinnern. Aus Evans Vorliebe für Typographie, Werbung und Massenprodukte erwachsen magische-fesselnde Aufnahmen, die als eine Vorschau auf die sich bald entwickelnde Pop Art und ihre Assemblagen gesehen werden können.