Kniehebelpresse, um 1900, hergestellt von der Firma Josef Anger; TLMF  © TLM Kniehebelpresse, um 1900, hergestellt von der Firma Josef Anger; TLMF © TLM - Mit freundlicher Genehmigung von: TirolerLandesmuseen

Was: Ausstellung

Wann: 13.06.2014 - 26.10.2014

Etwa 20 Jahre nachdem Johannes Gutenberg um 1455 das Druckergewerbe revolutioniert hat, fasst der Buchdruck in Tirol Fuß. Wanderdrucker bringen das Handwerk ins Land. Die erste im Nordtiroler Raum nachweisbare Offizin findet sich ab 1521 in Schwaz. Stetige Druckereien sind in Riva del Garda (ab 1557), Brixen (ab 1564) und Trient (ab 1584) belegt. Zur Einrichtung der ersten…
Etwa 20 Jahre nachdem Johannes Gutenberg um 1455 das Druckergewerbe revolutioniert hat, fasst der Buchdruck in Tirol Fuß. Wanderdrucker bringen das Handwerk ins Land. Die erste im Nordtiroler Raum nachweisbare Offizin findet sich ab 1521 in Schwaz. Stetige Druckereien sind in Riva del Garda (ab 1557), Brixen (ab 1564) und Trient (ab 1584) belegt. Zur Einrichtung der ersten landesfürstlichen Druckerei Tirols in Innsbruck kommt es allerdings erst 1547/48. Die Drucker sind vorwiegend Zugereiste und kommen aus dem schweizerischen und süddeutschen Raum. So auch Michael Wagner, der vor 375 Jahren in Innsbruck den bis heute existierenden Universitätsverlag Wagner gründet.

„Der Buchdruck hat die Welt verändert. Er hat der Verbreitung von Wissen Vorschub geleistet. Diese Ausstellung zeigt anlässlich des 375-jährigen Jubiläums des Innsbrucker Wagner-Verlags spannende Stationen dieses bedeutenden Handwerks in Tirol“, hält PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, fest. „Nahebeziehungen des Unternehmens Wagner zum Ferdinandeum bestehen seit der Museumsgründung 1823. Der Verlag hat u. a. 1916 einen Teil seines Bucharchivs mit seltenen Drucken dem Museum geschenkt. Nach 28 Jahren zeichnet die Bibliothek des Ferdinandeum erstmals wieder für eine Ausstellung verantwortlich und präsentiert ihre reichhaltigen Bestände“, ergänzt Mag. Roland Sila, Kurator und Kustos der Bibliothek der Tiroler Landesmuseen.

Die „Schwarze Kunst“ in TirolEines der herausragendsten Objekte der Ausstellung, das den frühen Buchdruck in Tirol belegt, ist „Klarissa“. Es handelt sich dabei um die älteste noch existierende hölzerne Buchdruckerpresse des deutschsprachigen Raumes. Sie wird auf 1550/60 datiert und war bis 1829 in der Druckerei Weger in Brixen in Gebrauch. Für „Druckfrisch“ wird dieses bedeutende Stück Buchdruck-Geschichte erstmals als Leihgabe vergeben. 1990 wurde die Presse zufällig wieder entdeckt und restauriert. Auf ihr wird seit einigen Jahren sporadisch auch wieder gedruckt.

Die hohe Qualität der frühen Druckwerke bezeugt die Ausstellung mit ausgewählten Drucken aus dem Bestand der Bibliothek, darunter das mit über 60 kolorierten Holzschnitten versehene Buch des Verlegers Kaspar Rosenthal über das Leben von Jesus Christus. Eine Besonderheit sind auch die in lateinischer Sprache verfassten Annalen des Hauses Habsburg aus dem Jahr 1592. Das Buch ist mit einem Stammbaum, vielen Wappen, Lobgedichten und Halbfigurenporträts versehen. Kunstvoll ausgearbeitet sind die erbauliche Literatur dieser Zeit sowie Stimmbücher der Komponisten Johann Stadlmayr und Christoph Sätzl. Hervorzuheben ist auch ein ausgesprochen schönes Buch zur Rüstkammer Erzherzog Ferdinands II. mit Porträts von 125 berühmten Herrscherpersönlichkeiten und Kriegshelden.

Die Offizin WagnerDie Gründung des Verlags Wagner liest sich wie eine Seifenoper: Den Buchdrucker Michael Wagner verschlägt es von der berühmten Druckerstadt Augsburg nach Tirol. Er arbeitet in der Offizin von Hans Gäch in Hötting. Als der Meister 1639 stirbt, nutzt der Geselle Wagner die Chance seines Lebens – er heiratet die „goldene Witwe“ Maria Gäch. Auf diese Weise erwirbt Wagner das Aufenthaltsrecht und kommt zu einer eigenen Druckerei. Schon bald nach der Hochzeit stirbt seine Vermählte. Wagner heiratet wieder. Nach dem Tod des letzten Druckers aus der Dynastie Paur erwirbt Wagner dessen Werkstatt. Zudem nutzt er die enge Verbindung Innsbrucks zum Hof, der unter Erzherzog Ferdinand Karl die höfische Musik intensiv pflegt. Wagner macht sich einen Namen mit bedeutenden Musiknotendrucken, die heute in Archiven in London, Bologna, Paris oder Stockholm zu finden sind. Die Ausstellung versucht, diesem Aspekt besonders Rechnung zu tragen. Neben hochkarätigen Notendrucken bietet „Druckfrisch“ zu diesem Kapitel der Verlagsgeschichte eine Hörstation mit Musik von Stadlmayr.

Prestigeträchtiger FamilienbetriebAb 1669 trägt Michael Wagner den Titel eines Hofbuchdruckers. Dem Enkel Michael Anton Wagner wird 1723 zusätzlich der Titel eines Universitätsbuchdruckers verliehen. Bis 1802 dominieren und prägen fünf Druckermeister aus der Familie Wagner den Tiroler Buchdruck. Sie durchleben Höhen und Tiefen und setzen sich mit ernstzunehmenden Konkurrenten auseinander. Die Wagner’schen Buchdrucker zählen zu den führenden Bürgerfamilien Innsbrucks und bekleiden wichtige öffentliche Ämter. Als 1802 mit Michael Alois Wagner der letzte Buchdrucker der Familie kinderlos stirbt, geht die Offizin an dessen Schwager Casimir Schumacher über, der 1809 Bürgermeister von Innsbruck ist.

Die Ausstellung veranschaulicht mit zahlreichen Privatgegenständen wie einem Hochzeitsteller, Urkunden, Briefen, Gedichten und Fotos wichtige Stationen in der Geschichte der Dynastie Wagner sowie ihre Bedeutung innerhalb der Bürgerschaft in Innsbruck und für den Buchdruck in Tirol. Die Biografie Michael Wagners veranlasste den Autor Christoph W. Bauer 2009 zu einer aufregenden Erzählung. Hörproben aus „Der Buchdrucker der Medici“ lassen die BesucherInnen der Ausstellung am spannenden Leben des berühmten Buchdruckers Anteil haben.

Massenmedien als GewinnbringerDer zweite Teil der Ausstellung beleuchtet den Verlag Wagner unter der Leitung der Familie Schumacher, die das Unternehmen in eine neue Zukunft führt und ihm im 19. Jahrhundert seine Vormachtstellung in Tirol sichert. Die Schumachers erschließen neue Geschäftsfelder wie das Betreiben von Buchhandlungen, einer Schriftgießerei, einer lithographischen Anstalt sowie einer Leihbibliothek.

Die Offizin Wagner hatte schon früh auf Kalender und Zeitungsdruck gesetzt. Schreibkalender, die den Rahmen für tagebuchartige Aufzeichnungen bilden, sind erste Vertreter der Massenliteratur. Ab 1814 produziert der Verlag die für lange Zeit wichtigste Zeitung in Tirol – den „Boten für Tirol und Vorarlberg“ (existiert bis heute als „Amtsblatt“ und feiert im Juni sein 200-jähriges Bestehen), ab 1854 die „Innsbrucker Nachrichten“. Verkaufsschlager sind auch Neujahrsentschuldigungs- und Einladungskarten, Sterbebilder, Wallfahrtsgrafik und Plakate. Beim Programm legt das Unternehmen Schwerpunkte auf Wissenschaft, Tirolensien, Tourismus und Alpinismus.

1888 wird der Betrieb in der Pfarrgasse von einem verheerenden Brand verwüstet. Das „Goldene Buch“ als eines der wenigen geretteten Bücher ist Zeugnis davon. In dem über 200 Seiten dicken Buch sind die Lehrlinge und Lossprechungen der Gesellen der Offizin Wagner zwischen 1767 und 1897 verzeichnet. Die Buchhandlung wandert nach der Katastrophe in die Museumstraße ab, die Druckerei findet in der Erlerstraße eine neue Heimat. Bis zum Jahr 1916 leiten vier Generationen der Familie Schumacher die Druckerei und den Wagner-Verlag durch die wechselnden Anforderungen aufgrund von neuer Konkurrenz, Zensur oder verstärkter Politisierung.

Im Dienste der WissenschaftEin markanter Einschnitt in der Geschichte des Unternehmens Wagner ist die Teilung der Firma durch Eckart von Schumacher 1916. Druckerei, Verlag und Buchhandlung werden voneinander getrennt. Der Verlag wird auf sein Wissenschaftsprogramm reduziert und kann sich unbeschadet durch die NS-Zeit retten, während die Druckerei zum NS- Gauverlag umfunktioniert wird.

Die Ausstellung behandelt im 20. Jahrhundert nur mehr dem Verlag, der 1935 von der Tiroler Graphik übernommen wird und im regionalen Wissenschaftsbereich seine Bedeutung halten kann. Ein breiteres Publikum soll zwischenzeitlich durch die Auflage von populären regionalen Autoren wie Anni Kraus oder Hermann Holzmann angesprochen werden. 1975 meldet die Tiroler Graphik Konkurs an. Mit der niederösterreichischen Druckereifamilie Grasl findet sich schließlich ein Eigentümer, der die Finanzierung und das Überleben des Verlags sicherstellt. 2010 übernimmt der Verleger Markus Hatzer das Traditionsunternehmen. Die bekannteste Buchreihe sind heute die Schlern-Schriften. Unzählige Standardwerke zur Tiroler Geschichte sind in den vergangenen 90 Jahren im landeskundlichen Jahrbuch „Tiroler Heimat“ erschienen.

Das HandwerkDas Handwerk des Buchdruckens und –bindens zeigt die Schau im Ferdinandeum anhand historischer Werkzeuge. Buchbindergeräte, Prägewerkzeuge, Schärfmesser, Ledereinbände und Materialien wie Brokat- und Kleisterpapier sind ausgestellt. Bis weit ins 19. Jahrhundert werden Bücher oftmals ohne Einband ausgeliefert, es obliegt dem Käufer, in welche Bindung er den Buchblock bringen will. Die Industrialisierung bedeutet starke Veränderungen im Buchdruckwesen. Kniehebelpresse, Schnellpresse und Rotationsmaschine ermöglichen ein rascheres, weniger personalaufwendiges Druckverfahren und Massenproduktion.

Zukunft Buch?Seitdem digitale Medien unseren Alltag bestimmen, wird immer wieder über das Aussterben des Buches oder der Tageszeitung spekuliert. Ist das Buch mit dieser Schau endgültig im Museum angelangt? Wird es als Informationsträger überleben? Kann sich die Verlagsbranche als Vermittlerin von Qualitätstexten positionieren? Niemand kann heute eine seriöse Prognose für die Zukunft abgeben. Fest steht, dass heute mehr Bücher denn je produziert und wohl auch verkauft, zusätzlich unzählige Texte nur mehr digital verbreitet werden. Die Ausstellung soll spürbar machen, dass Bücher wunderschön sein können, Kunstwerken gleich kommen, eine eigene Aura haben, bewegen und emotional berühren. Die Präsentation will zur individuellen Auseinandersetzung mit dem Thema Medienlandschaft sowie zu neuen Forschungen anregen. Eine wissenschaftliche Tagung im Oktober wird ExpertInnen aus Deutschland, dem Trentino, Südtirol und Österreich zusammenbringen. Führungen – für den Individualbesucher, die Familie, zu Spezialthemen, bzw. mit Musik – eine Lesung mit Christoph W. Bauer, zwei Konzerte, Workshops und ein Angebot für Schulen stehen bis 26. Oktober auf dem Programm.

BEGLEITPUBLIKATIONZur Ausstellung erscheint der Katalog „Druckfrisch. Der Innsbrucker Wagner-Verlag und der Buchdruck in Tirol“ mit Vorworten von Wolfgang Meighörner sowie Mercedes Blaas und Markus Hatzer. Die Beiträge von Christoph Ampferer, Verena Feichtner, Alexander Fohs, Franz Gratl, Hansjörg Rabanser, Thomas Röder, Roland Sila, Junia Wiedenhofer und Andreas Winkler setzen sich mit der Geschichte des Wagner-Verlags, dem Buchdruck in Tirol, dem Handwerk, dem Notendruck und den Schlern-Schriften auseinander. Die Publikation beinhaltet zahlreiche Fotos und einen umfangreichen Objektekatalog. 284 Seiten, ISBN 978-3-7030-0856-6, Preis € 29,90

Prägerolle, 17 Jh., Bronze, Herkunft: Schwaz, Maße: 6,0 cm (Raddurchmesser), 25,0 cm (Stiel), 9,0 cm (Griff)  © TLM Prägerolle, 17 Jh., Bronze, Herkunft: Schwaz, Maße: 6,0 cm (Raddurchmesser), 25,0 cm (Stiel), 9,0 cm (Griff) © TLM - Mit freundlicher Genehmigung von: TirolerLandesmuseen / Tiroler Landesmuseen Ansicht eines Offizins und Beschreibung der Buchdruckerei  © TLM Ansicht eines Offizins und Beschreibung der Buchdruckerei © TLM - Mit freundlicher Genehmigung von: TirolerLandesmuseen / Tiroler Landesmuseen
Tags: Buchdruck, Bücher, Druckereien, Gutenberg, Handwerk, Lettern, Tirol

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