Bewegte Meeresoberflächen, karger Wüstengrund oder weite Sternenhimmel sind zentrale Motive im Werk der in New York lebenden Künstlerin Vija Celmins. Seit den sechziger Jahren überträgt Celmins fotografische Vorlagen auf Gemälde, Zeichnungen und vor allem Druckgrafiken und geht dabei doch weit über deren Reproduktion hinaus. Das Museum Ludwig widmet ihr nun eine über 60 Werke umfassende Einzelausstellung und würdigt damit eine in Europa noch immer selten gezeigte Künstlerin.Die Ausstellung Vija Celmins. Wüste, Meer und Sterne konzentriert sich auf Sujets, auf die die Künstlerin seit 1968 immer wieder zurückgekommen ist. Ihre Vorlagen - immer sind es Schwarz-Weiß-Abbildungen - hat sie selbst aufgenommen oder findet sie in Fachzeitschriften. Dabei geht es ihr nicht nur um die Übertragung von einem Medium ins andere. Vielmehr dient ihr die fotografische Vorlage zur Distanzierung, Stillstellung und Reflexion.
Präzise wählt Vija Celmins Bildausschnitt und Motiv. Sie stellt unbegrenzte Natur dar. Ebenso wie ein Nachthimmel potentiell grenzenlos ist, scheinen sich auch Celmins' All-over-Strukturen jenseits des Rahmens endlos fortzusetzen. „Impossible images", unmögliche Bilder, nennt sie sie deshalb. So ungreifbar die Sujets scheinen, eignet Celmins sie sich doch in einem oft Jahre dauernden Prozess an. Sie sammelt und bearbeitet ihre Motive, reflektiert sie zeichnend, so dass sich allmählich die Konzentration vom Sujet zum Material und zur Technik hin verschiebt. Dieselbe Vorlage kann in Grafit schwer, in Kohle leicht wirken. Ein Holzschnitt kann plastisch, eine Radierung flächig wirken. Allein schon, dass sie für eine Zeichnung einen härteren Bleistift als für eine andere benutzt, erzeugt eine minimale Abweichung, die doch alles ändern kann. Celmins versteht es, der Fläche zu entkommen, ihren Abbildungen Körper zurückzugeben. Den Zauber ihrer Bilder kann deshalb keine Reproduktion ganz erfassen, ihre Kunst ist ein Triumph über das Reproduktionsmedium Fotografie. Celmins möchte das, was sie in flachen Abzügen gefunden hat, wieder „in die wirkliche Welt, in die Echtzeit" des Betrachtenden zurückholen - und schafft so Bilder von überzeitlicher Schönheit.
Das Museum Ludwig zeigt mit Vija Celmins. Wüste, Meer und Sterne eine ebenso umfassende wie konzentrierte Auswahl der vier großen Themen der Künstlerin - zu denen neben den genannten auch Spinnennetze zählen - und macht deutlich, dass ihre Werke stets Idee und Erfahrung, Repräsentation und Interpretation miteinander verbinden, mögliche und unmögliche Bilder gleichermaßen sind.
Vija Celmins wurde 1938 in Riga geboren und floh mit ihren Eltern während des Zweiten Weltkriegs von Lettland nach Deutschland und die USA. Sie lebt und arbeitet heute in New York.
Die Ausstellung wird kuratiert von Julia Friedrich. Es erscheint ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen der Kuratorin und von Hubertus Butin sowie einem Vorwort von Kasper König.
Die Ausstellung wird im Anschluss im Louisiana Museum of Modern Art in Humlebaek, Dänemark, vom 8. September 2011 bis 8. Januar 2012 zu sehen sein.
Vija Celmins. Wüste, Meer und Sterne wird unterstützt von der Roswitha Haftmann Stiftung.