Wie ein subtiler Kommentar zu Formaten der angewandten Kunst liest sich Verena Denglers MAK-Ausstellung SICHTWECHSEL #4: VERENA DENGLER Anna O. lernt denglisch in den Energieferien. Mit der ihr eigenen Faszination für absurde Überhöhungen und paradoxe Interpretationen führt die 1981 in Wien geborene Künstlerin nach thematischen Schwerpunkten ausgewählte Objekte der MAK- Sammlung mit privaten Sammlungsgegenständen und eigenen Arbeiten, darunter Stickereien, Fotos, Malereien, Collagen und Fototapeten, zu einer dichten, narrativen Installation zusammen.In eigens für die MAK-Ausstellung geschaffenen, skulpturalen Inszenierungen kon- textualisiert sie Kunstobjekte aus der „Mustersammlung“ des MAK mit Verweisen auf Kunsthandwerk, ihre private Mode- und Textilsammlung, aber auch Lokalkultur. Die von der Künstlerin modifizierten Gegenstände thematisieren nicht nur das Verhältnis von Kunst und Handwerk, sondern auch Fragen nach subjektiven Sammelleiden- schaften. Porzellanfiguren der MAK-Sammlung Asien setzt sie hier als fiktive Prota- gonisten ein.
Mit dem Ausstellungstitel Anna O. lernt denglisch in den Energieferien stellt Dengler eine explizite Referenz zu Bertha Pappenheim (1859–1936) her, die als „Anna O.“ in die Geschichte der Psychoanalyse eingegangen ist. Sie war der oft zitierte erste „Fall“ einer psychoanalytischen Gesprächstherapie, die Sigmund Freud und Josef Breuer entwickelten. Die bedeutende, aus Wien stammende jüdische Frauenrechtlerin ist aber auch als großzügige Kunstsammlerin bekannt. Auf zahlreichen Reisen durch Europa erwarb sie eine umfangreiche Sammlung von Spitzen und Eisenkunstguss, die sie dem Museum für Kunst und Industrie, heute MAK, im Jahr 1935 im Gedenken an ihre Eltern widmete.
Die Geschichte der Bertha Pappenheim verstrickt Dengler, selbst leidenschaftliche Sammlerin, in völlig unerwartete Kontexte, wie etwa das gegenwärtig inflationäre Thema des Energiesparens, das sie wiederum in Bezug zu den Energieferien, eine politische Sparmaßnahme während der Ölkrise, setzt. Skulptural inszeniert sie die Thematik mit der Kombination von zwei Leuchtern der MAK-Sammlung Metall mit gängigen Energiesparlampen.
Verena Denglers Vorliebe für textile und skurrile Musterzeichnungen kommt in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Arts and Crafts Movement zum Tra- gen. Insbesondere stellt sie konkrete Bezüge zu Laura Ashley her, mit deren Tapeten sie Sockel tapeziert, die sie wiederum in Kombination mit einem englischen Tapeten- stoff der MAK-Sammlung Textilien und Teppiche und ihren eigenen Arbeiten präsen- tiert.
Ein Blick auf Wiener Lokalkolorit und Phänomene der Jugendkultur komplettiert den komplexen inhaltlichen Anspruch ihrer zweiten institutionellen Einzelausstel- lung. Der sozialdemokratischen Wiener Bildungskultur spürt sie etwa in Plakaten der MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung nach, die sie teils im Original, teils als Reproduktionen, in ihre skulpturalen Settings integriert.
VERENA DENGLER Anna o. lernt denglisch in den Energieferien ist die vierte Position innerhalb der Ausstellungsreihe SICHTWECHSEL, in deren Rahmen vier in Wien lebende und arbeitende KünstlerInnen der jüngeren Generation eingeladen wurden, sich mit der MAK-Studiensammlung auseinanderzusetzen und das MAK als Ort gegenwärtiger künstlerischer Produktion zu beleuchten. Benjamin Hirte eröffne- te die Reihe mit der Installation the classic mob ballet (12. September – 25. Novem- ber 2012), in der er spezifische Gegebenheiten und Präsentationsformen der MAK- Sammlung sowie Ideen des Angewandten parodistisch inszenierte, gefolgt von KATHI HOFER craftivism (19. Dezember 2012 – 3. März 2013) und KERSTIN VON GABAIN city of broken furniture (20. März – 26. Mai 2013).