„Ich sehe wunderbare Dinge“ sagte Howard Carter, als er 1922 zum ersten Mal im Tal der Könige ins Grab von Tutenchamun blickte. Unbekannte Schatzkammern verbergen…
„Ich sehe wunderbare Dinge“ sagte Howard Carter, als er 1922 zum ersten Mal im Tal der Könige ins Grab von Tutenchamun blickte. Unbekannte Schatzkammern verbergen…
„Ich sehe wunderbare Dinge“ sagte Howard Carter, als er 1922 zum ersten Mal im Tal der Könige ins Grab von Tutenchamun blickte. Unbekannte Schatzkammern verbergen sich auch in den Depots, Büros, Archivräumen oder auf den Dachböden, wo die über 40 Sammlungen der Goethe-Universität und ihrer Kooperationspartner lagern. Millionen Objekte aus 4,6 Milliarden Jahren sind in über 100 Jahren Forschung und Lehre entstanden und gesammelt worden. Sie lesen sich wie ein Kaleidoskop der Erd- und Menschheitsgeschichte. Erstmals gibt die Jubiläumsausstellung zur Hundertjahrfeier der Goethe-Universität Einblicke in das breite Spektrum an Sammlungen der Geistes- und Naturwissenschaften, der Medizin sowie der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchivs. Auch Objekte der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung werden gezeigt. Die Goethe-Universität öffnet ihre Archive und Schatzkammern und zeigt die schönsten Stücke im Rahmen der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge“, die unter der Leitung von der Ausstellungsmacherin Dr. Charlotte Trümpler und Ihrem Team (Judith Blume, Dr. Vera Hierholzer) aus Wissenschaftlern und Studierenden kuratiert wurde. FRANKFURT.
DIE GOETHE-UNIVERSITÄT UND IHRE SAMMLUNGENGemeinsam mit dem Industriellen Wilhelm Merton sowie großbürgerlichen – darunter vielen jüdischen – Mäzenen setzte sich der Frankfurter Oberbürgermeister Franz Adickes (1846 – 1915) viele Jahre lang für die Gründung einer Universität in Frankfurt ein, die 1914 schließlich eröffnet wurde. Neben der Stadt waren unter anderen die Akademie für Social- und Handelswissenschaften, der Physikalische Verein und die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft beteiligt, die die Anatomie, den Botanischen Garten und nicht zuletzt eine umfangreiche Bibliothek als Sammlungsgut miteinbrachte. Andere Gründungsinstitutionen stellten der jungen Universität wichtige historische Buch- und Objektbestände wie die Rothschild’sche Bibliothek und die Städel’sche Abguss-Sammlung zur Verfügung.
Viele dieser historischen Sammlungen wurden leider im Zweiten Weltkrieg zerstört, einige haben die Kriege jedoch wie durch ein Wunder überlebt. Sie stammen auch aus der Anfangszeit der Universität und wurden von den ersten Professoren innerhalb ihrer Forschungen zusammengetragen, so die Moulagensammlung Karl Herxheimers oder die einzigartigen Gehirnpräparate, die Ludwig Edinger als Gründer der ersten Hirnforschungsstätte Deutschlands zusammenstellte. Ein weiteres Beispiel sind die meterlangen Kopien prähistorischer Felsbilder, die Leo Frobenius in den 1920er und 1930er Jahren in Afrika anfertigen ließ.
Die Sammlungen stehen damit sinnbildlich für 100 Jahre Forschung und Lehre der Goethe-Universität. So finden sich je nach Fachbereich Instrumente, Modelle und Präparate, Belegmaterial, historische und persönliche Dokumente, Audio-, Bild- und Filmquellen, darunter auch so überraschende Bestände wie das Jugendkulturarchiv oder das Comic-Archiv. Sie umfassen Dinge, mit denen Wissen produziert und vermittelt wird.
DIE AUSSTELLUNGIm ersten Raum ist der Besucher eingeladen, einzigartige und wertvolle, ebenso wie unscheinbare und überraschende Gegenstände selber zu entdecken und so die Sammlungsvielfalt exemplarisch kennenzulernen. So ist der älteste Nachweis eines Menschen, der 2,4 Millionen Jahre alten Unterkiefer eines Homo rudolfensis aus Malawi (Afrika) zu bewundern, ebenso wie das älteste Ziehbilderbuch der Welt aus der Kinderbuch-Sammlung Walter Benjamins von 1825 oder ein vom berühmten Popkünstler Andy Warhol handsigniertes Plakat.
Nach der Konzentration auf das Einzelne betritt der Besucher einen Raum, in dem er hinüber geleitet wird in die Atmosphäre der nun folgenden, thematisch orientierten Sammlungsräume. Ein großes Regal sowie eigens für die Ausstellung hergestellte Fotografien von den Sammlungsräumen zeigen gefüllte Depots, Tausende von Filmrollen, Objekte in meterlangen Kellerregalen und gestapelte Kisten auf Dachböden. Gläser gefüllt mit Krebsen, Dünnschnitten, Embryonen oder Gewürzproben lagern nebeneinander und geben einen Eindruck von der schieren Menge an Objekten, die in den unbekannten Schatzkammern der Universität aufbewahrt werden.
Die weiteren Räume sind bewusst nicht nach einzelnen Sammlungen gegliedert, sondern nach übergreifenden Themen, die relevante Aspekte des menschlichen Lebens ansprechen und in den Sammlungsobjekten aufscheinen: Neugier, Glaube, Köpfe, Idealbild, Wanderung, Bewegung, Emotionen, Protest, Gewalt, Tod, Zeit. Die überraschende Gegenüberstellung von Objekten aus den verschiedenen Fachbereichen erzeugt spannende Dialoge. Sichtbar werden dabei einerseits Unterschiede und Brüche, andererseits Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte der verschiedenen Disziplinen und regen damit zu neuen Fragestellungen an (siehe die Zusammenstellung der 13 Themenräume).
Der Abschluss ist dem Thema Kaffee und einem kleinen Seitenblick auf den Fachhumor an der Universität gewidmet. Dieser von Studierenden mitgestaltete Raum präsentiert Objekte, die im Zusammenhang mit Kaffee stehen sowie eine neuSammlungen von Kaffeetassen der Universitätsangehörigen. Der Besucher hat die Möglichkeit sich bei einer Tasse Kaffee auszuruhen, im Katalog zu blättern, sich in die neue Online-Plattform zu den Sammlungen zu vertiefen oder die Filme anzuschauen.
FILMEZur Ausstellung sind insgesamt 41 Filme entstanden von Sophia Edschmid und Philipp Kehm mit Musik von Nicolas Gebbe, die die spannenden Forschungen der letzten 100 Jahre lebendig lassen werden. Sie erlauben dem Betrachter einen humorvollen Blick über die Schulter der Wissenschaftler in ihre aktuellsten Untersuchungen und hinter die Kulissen der Universität. Die DVD mit allen Filmen ist dem Katalog beigegeben.
Ein Teaser zur Ausstellung sehen Sie auf dem Youtube der Goethe-Universität (youtube.com/user/goetheuniversität).
PLATTFORM (www.uni-frankfurt.de/sammlungen)An einem Terminal ist die neue Online-Plattform abrufbar, die von der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“ im Rahmen von Lehrveranstaltungen am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt wurde. Im Mittelpunkt der Plattform, die stetig erweitert wird, stehen anschaulich geschriebene Objekterzählungen von Studierenden.
KATALOGZur Ausstellung ist ein Katalog erschienen mit Beiträgen von 400 Seiten, 500 farbigen und s/w Abbildungen, sowie einer DVD mit den 41 Filmen zum Preis von 20 Euro.
STATEMENTSUniversitätspräsident Professor Werner Müller-Esterl, der die Ausstellung zusammen mit dem Stifter und Mäzen Carlo Giersch am 15. Oktober im MUSEUM GIERSCH der Öffentlichkeit vorstellte, sprach von einer einzigartigen Möglichkeit, historische wie aktuelle Forschungsarbeiten der Goethe-Universität auf neue Weise zu entdecken und zu erleben.
„Als Universität, die sich das Motto „Wissenschaft für die Gesellschaft“ auf die Fahnen geschrieben hat, möchten wir die Faszination und die Attraktivität von Wissenschaft vor Augen führen. Die Ausstellung ist daher viel mehr als eine reine Dokumentation. Sie stellt auf ästhetisch und inhaltlich ansprechende Weise Verbindungen her zwischen den Erlebniswelten von Menschen und ausgewählten Objekten der wissenschaftlichen Arbeiten. Damit bauen wir eine Brücke zu unserer Gesellschaft. Ich hoffe, dass viele Menschen aus Frankfurt, Hessen und Deutschland in den nächsten Monaten diese Begeisterung fühlen und mit uns teilen können. Ich bin Carlo Giersch und seiner Frau Karin dankbar, dass sie diese Ausstellung zum 100jährigen Jubiläum der Goethe-Universität in ihrem Hause möglich gemacht haben. Sie stellen nicht nur ihr Museum zur Verfügung, sondern haben darüber hinaus auch einen Großteil der Ausstellungskosten zusammen mit anderen Stiftern übernommen.“
Senator eh. Carlo Giersch hob hervor, dass die Intimität des MUSEUM GIERSCH, das am Sachsenhäuser Mainufer in einer alten Villa residiert, einen hervorragenden Rahmen bietet für diese ambitionierte Schau: „In den letzten Jahren hat unser Museum immer wieder außergewöhnliche Ausstellungen gezeigt. Eine Ausstellung jedoch, bei der die Grenzen zwischen Wissenschaft und Kunst aufgehoben werden, hat es in dieser Form bisher weder hier noch anderswo in Deutschland gegeben. Wir betreten damit also Neuland. Darauf bin ich stolz. Mich hat dieses Konzept von vornherein so überzeugt, ja fasziniert, dass meine Frau Karin und ich sich daran gern auch mit erheblichen Eigenmitteln beteiligt und zudem weitere Mittel von Unternehmen und Persönlichkeiten aus der Frankfurter Stadt-Gesellschaft eingeworben haben.“
Ausstellungsmacherin Dr. Charlotte Trümpler schilderte welch ungeheure Faszination diese vielfältigen Objekte in den Sammlungen auf sie ausübten: „Es war wirklich wie ein Ausgraben, Schicht für Schicht legte man in den Sammlungsräumen, Depots, Archiven, Kellern, Dachböden und Büros die unglaublichsten Dinge frei. Die Geschichten, die hinter den Objekten stehen erzählen von Menschen, die dank einer unermesslichen Neugier, einem enormen Willen und einer Besessenheit, den Dingen auf den Grund zu gehen und Neues zu entwickeln, die Forschungen der letzten 100 Jahre bahnbrechend vorangebracht haben und die unglaublichsten Dinge entdeckt haben.“
DIE THEMEN DER AUSSTELLUNG
1) NeugierBildnis von Ludwig Edinger beim Sezieren eines Gehirns. Gemälde von Lovis Corinth, 1907Blick nach Innen, Blick in die Ferne: Gehirne, Tierschnitte, gezüchtete Salzkristalle, Tagebücher über die Kxoé-Buschleute, Studie von Theodor W. Adorno zum Betriebsklima.
2) GlaubeBiblia, Die Heilige Schrift, Germantown 1743. Erste in einer europäischen Sprache übersetzte Bibel in Amerika.
Götter, Occulta, Rituale: Nordische Götter, Zeusdarstellungen, Geisterkunde, rituell zerschlagene Terrakotten aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. aus Syrien, Magische Felsbilder.
3) KöpfeDoppelporträt von Max und Maidon Horkheimer, Clara Quien 1971
Memoria, Rekonstruierte Gesichter, konservierte Gesichter: Porträt von Johann Wolfgang Goethe, Daguerreotypie von Arthur Schopenhauer, Rekonstruktionen vom Homo erectus, Gesichtspräparate.
4) IdealbildTorso der Aphrodite, Gipsabguss nach einem Original des 3. Jahrhunderts v. Chr. Die ideale Frau, der ideale Körper, der typisierte Mensch: Lara Croft, Barbie, orthopädisches Stützkorsett, Lexikon der Schönheit, Glasnegativ eines „Negermädchens“ aus dem Nachlass des Rassenhygienikers der NS-Zeit Ottmar Freiherr von Verschuer, Sammelalben mit Völkerschauserien.
5) WanderungStatuenkopf aus der ehemaligen Sammlung des China-Instituts, Holz, Ming- Dynastie (1368 – 1644)
Objekte reisen, Objekte ziehen um, Zukunft ungewiss: Koffer aus Tomatendosen aus Syrien, Aggressiver Krebs aus Japan, Fotografien von Kunstwerken auf den Campi der Universität, Wachsmoulagen, Präparate von Vogelgehirnen
6) BewegungZander Widerstandsgerät, Fitnessgerät zur Stärkung der Rückenmuskulatur, 1900
Affen auf Reisen, Zurück zur Bewegung, Volksbewegung: Skelett eines Klammerschwanzaffen aus dem Amazonas, Felsbildkopie mit Affen von Lesotho, Beinprothese, Turnschuhe aus Nigeria, Bücher über Deutschen Sportgeist und Arbeitersport.
7) ProtestPunkjacke von 1998 – Geschenk einer ehemaligen Studentin an das Jugendkulturarchiv
1848 – 1968 – 2009: Struwwelputsch, Herbert Marcuse, Rudi Dutschke, Fotos von Barbara Klemm, Casino Besetzung.
8) EmotionenKostüm der Schauspielerin Adele Sandrock für die Rolle »Gretchen« in Goethes Faust, 1. Teil ,Wien, um 1890 Gespielte Gefühle, Musik, Denkmal der Freundschaft: Gipsabguss einer tanzenden Mänade, Sanduhrtrommel aus Burkina Faso, Notenskizzenheft von Theodor W. Adorno, Stammbuch von Samuel Thomas von Soemmering, Manuskript “Die Unfähigkeit zu trauern” von Margarete und Alexander Mitscherlich.
9) GewaltTisch mit Karteikarten zu den SS-Angehörigen und den Opferzeugen der Auschwitz-Prozesse, 1960er-Jahre
Aggression im Alltag, eine Universität im Krieg, Auschwitz-Prozesse: Schädel mit Messer, Projektile von Pistolen, Dissertation von Josef Mengele, der Erste und Zweite Weltkrieg im Kinderbuch, Ortsbesichtigung von Auschwitz durch die hessische Staatsanwaltschaft.
10) TodDas Sofa, auf dem Arthur Schopenhauer 1860 gestorben ist. Nachleben, Weiterleben, Totenköpfe, Jagd: Nachlässe, Antike Grabbeigaben, Totenkult der Gothic-Szene, Pfeilspitzen aus der Steinzeit, Herbarbeleg von Gifpflanzen für Pfeilgift, Felsbilder mit Jagddarstellungen.
11) ZeitEvronot, jüdische Kalenderregeln, 16./17. Jahrhundert Zeit messen, Zeit einteilen, Zeit feiern: Landkarten des Großraums Frankfurt vom 16. Jahrhundert bis heute, mumifizierter Schädel aus dem Frankfurter Stadtwald, eine von Ferdinand Kramer für die Universität gestaltete Uhr, Taufkleid Eva Demskis, ein über 542 Millionen Jahre altes Zirkongestein
12) KaffeeDie Uni in 30 Kaffeetassen – eine neue Sammlung zusammengestellt von Studierenden
Echte Kaffeepflanze, Utensilien für eine äthiopische Kaffeezeremonie, reines Coffein, Kaffeeersatzstoffe, Liebig’s Sammelbilder, Kinderbücher.
13) HumorPlakat für den Adorno Ähnlichkeitswettbewerb
Gezeichnete Umlaufmappe, Gartenzwerg, Fotografien von ironischen Impressionen aus den Sammlungsräumen.
Dienstag–Mittwoch 12:00–19:00 UhrDonnerstag 12:00–21:00 UhrFreitag–Sonntag 10:00–18:00 UhrMontag geschlossenSonderöffnungszeiten nach Vereinbarung
Erwachsene 5,00€ ermäßigt 3,00€Kinder unter 12 Jahren, Studenten und Schulklassenhaben freien Eintritt.
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