„Es wächst alles in einer Art inneren Feuers aus mir heraus“ – so empfand es Richard Haizmann (1895-1963), als er sich 1924 entschloss, Künstler zu werden. Der Künstler, tief religiös im Badischen aufgewachsen, zog direkt nach dem Gymnasium als Freiwilliger in den Weltkrieg. 1917 lernte er den hannoverschen Kunsthändler Herbert von Garvens-Garvensburg kennen, der ihn nach dem Krieg in den Kunsthandel einführte. Ende 1922 eröffnete Haizmann in Hamburg seine eigene Galerie, das Graphische Kabinett, und stellte gleich zu Beginn Vincent van Gogh und Emil Nolde aus. Aber schon nach zwei Jahren gab Haizmann seine Galerie auf, um sich selbst auf den eigenen künstlerischen Weg zu begeben. Innerhalb von einem Jahrzehnt entstand ein kraftvolles, gleichermaßen eigenwilliges wie rätselhaftes Werk: vor allem Zeichnungen und Skulpturen, aber auch Keramiken und Schmuck sowie einige Lithografien und Gemälde. Max Sauerlandt, 1919 bis 1933 Direktor des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, war voller Lob über die ersten Zeichnungen: „Das sind Wesen einer frühen Kultur, die noch ganz mit Gott verbunden war. Geheimnisvoll, aber nah und fern zugleich. Nie habe ich so etwas gesehen. Da müssen Sie aber weitermachen.“ Haizmann begann mit ruhenden, verinnerlichten Gestalten, aber schon bald beschritt er den Weg von der Vereinfachung zur Abstraktion. Seine Menschen und Tiere lösen sich in Striche, Flächen und ornamentale Liniengefüge auf. Zeitgleich schuf Haizmann Skulpturen in verwandten Formen, stets auf der Suche nach inneren Werten, nach der Seele in der Form. Die Nationalsozialisten beendeten seine Karriere. Er gehörte zu den „entarteten“ Künstlern. Auch im MKG wurden viele seiner Werke beschlagnahmt. Er zog sich nach Nordfriesland zurück, in die Nachbarschaft von Emil Nolde in Niebüll. Es entstanden nun Zeichnungen in einem zunehmend realistischen Stil. Erst in den 1950er Jahren suchte er an die Symbolkraft seines Frühwerks anzuknüpfen. Das Richard Haizmann Museum in Niebüll bewahrt seinen Nachlass.Eine Ausstellung mit Werken aus der Sammlung Hamburger Sparkasse. Rund 350 Exponate dieser Sammlung, vor allem von Künstlern der Hamburgischen Sezession, befinden sich seit 2002 als Dauerleihgabe im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
Seele und FormHaizmann war mit dem Maler Karl Ballmer befreundet, dessen Äußerungen zur Theosophie und zur Anthroposophie des Rudolf Steiner Haizmann sehr beeindruckten. Esoterische Vorstellungen von Körper und Seele, überhaupt von verborgenen Seinsformen, faszinierten ihn, und er suchte nach Möglichkeiten, dies auszudrücken. Sein Förderer Max Sauerlandt, Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, war bereits über die ersten Werke voller Lob: „Das sind Wesen einer frühen Kultur, die noch ganz mit Gott verbunden war. Geheimnisvoll, aber nah und fern zugleich. Nie habe ich so etwas gesehen.“ Haizmann reduzierte seine Gestalten bis auf einfache Umrisse und begrenzte die Farbpalette. Diese äußere Einfachheit fordert im Betrachter eine spontane und emotionale Reaktion heraus. Manche von Haizmanns Figuren lassen an „Astralleiber“ denken, die von Anhängern der Theosophie als deckungsgleich mit dem sichtbaren Körper und als violett und grau beschrieben wurden. Schon bald ging Haizmann jedoch über die bloße Vereinfachung des Sichtbaren hinaus und erfand neue organische Formen.
Haizmann und SauerlandtMax Sauerlandt (1880-1934), seit 1919 Direktor am Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg war ein engagierter Förderer der jungen Kunst. Er erwarb zahlreiche Kunstwerke des Expressionismus und vor allem auch von Künstlern, die sich in der Hamburger Sezession zusammengeschlossen hatten. Neben den Bildhauern Gustav Heinrich Wolff und Moissey Kogan gehörte auch Haizmann zu den besonders bevorzugten Künstlern. Bereits 1926, nur zwei Jahre nachdem Haizmann seine Galerie aufgab um Künstler zu werden, veranstaltete Sauerland eine Ausstellung mit seinen Werken – und schrieb selbst in den Hamburger Nachrichten, dass sie auf die meisten Besucher „sehr fremdartig“ wirken müsse: „Wer unter einem Kunstwerk nichts anderes versteht als die Wiederholung eines Wirklichkeitsbildes wird sich angesichts dieser Arbeiten einem unlösbaren Rätsel gegenübersehen.“ Sauerlandt sah in den Skulpturen und Zeichnungen Haizmanns einen tieferen Sinn. Er begann den Künstler intensiv zu sammeln und inszenierte dessen Tierskulpturen in Vitrinen in kulturübergreifenden Zusammenhängen. 1933 entließen die Nationalsozialisten Sauerlandt und ließen Haizmanns Werke aus den Schausammlungen des Museums entfernen. 1937 wurden allein im MKG 39 Haizmann-Arbeiten als „entartet“ beschlagnahmt. Lediglich seine Keramiken – vor allem Vasen und Schalen – sowie seine kleinen Schmuck-Skulpturen entgingen dem Raubzug.
Haizmanns TierweltTiere spielen im Oeuvre von Haizmann eine besondere Rolle. Anders als beim Menschen, dem man stets als Individuum gegenübersteht, nehmen wir Tiere in erster Linie als Gattung war: als Katzen oder Hunde, als Rinder oder Pferde. Hier setzte Haizmann an und versuchte zum inneren Wesen einer ganzen Spezies vorzudringen. Seine Adlerskulptur, 1928 als Entwurf für ein Mahnmal des Ersten Weltkrieges entstanden, bezeichnete er als „das Ich der Adler“. Und auch die Tiergestalten, die er in seiner einzigen grafischen Folge 1926 versammelte, wirken wie das Aufspüren einer geheimnisvollen inneren Form. Die meisten seiner Tiergestalten sind durchaus zu benennen, doch gibt es manche „Tierwesen“, die man so nie gesehen hat – fast als wolle Haizmann mit seiner Kunst neues Leben erfinden. Manche der späteren Grafiken sind auch in technischer Hinsicht interessant. Ähnlich wie Rolf Nesch, der zur gleichen Zeit in Hamburg mit Metall-Drucken experimentierte, suchte auch Haizmann nach neuen Wegen um seine Ideen auf das Papier zu bringen. Er setzte Schablonen und verschiedene Spritztechniken ein und verwendete darüber hinaus ungewöhnliche Materialien als Druckform.
Eine Ausstellung in der Haspa-Galerie im MKG.