Rembrandt war nicht nur Maler, er war auch der bedeutendste Druckgrafiker seiner Epoche. Seine Radierungen, die voller besonderer technischer und künstlerischer Einfälle sind, waren und sind begehrt bei Kennern und Sammlern und haben die Kunst bis in die Moderne hinein beeinflusst. Die Landschaftsradierungen Rembrandts zählen zu den seltenen Druckgrafiken des Künstlers. Bis auf ein einziges Werk ist diese Werkgruppe in der Sammlung des Städel Museums vollständig vertreten. Das Verhältnis des Künstlers zu seinen Landschaftsradierungen scheint außergewöhnlich und persönlich gewesen zu sein, denn er vermarktete sie nur zurückhaltend und stellte verhältnismäßig wenige Abzüge her. Die Ausstellung im Städel Museum bietet daher die seltene Gelegenheit, diese raren Arbeiten zu entdecken.
Rembrandts Landschaftsradierungen entstanden in zwei relativ kurzen Schaffensphasen; die erste Gruppe zwischen 1640 und 1645, eine zweite zwischen 1648 und 1652. Um 1640, kurz nachdem Rembrandt ein repräsentatives Haus in Amsterdam erworben hatte, und in der Zeit, als seine Frau Saskia schwer erkrankte und schließlich verstarb, begann er, Spaziergänge in der unmittelbaren Umgebung der Stadt zu unternehmen. Die gezeichneten Skizzen, in denen er unterwegs seine Eindrücke festhielt, verwendete er später im Atelier für die Konzeption seiner Radierungen.
Radierungen.Dieses unmittelbare Naturstudium war der Ausgangspunkt für die radierten Landschaften. Sie sind jedoch nicht als topografische Aufnahmen zu verstehen, vielmehr handelt es sich bei sämtlichen Radierungen Rembrandts um genau kalkulierte, eigenständige Kompositionen. Zwar gibt es Motive, die sich lokalisieren lassen und konkrete Orte abbilden (zum Beispiel „Ansicht von Amsterdam“, um 1640/41), andere jedoch kombinieren unterschiedliche Ansichten frei miteinander oder lassen bestimmte Orte nur erahnen. Bei den später entstandenen Landschaften ergänzen manchmal fantastische, erfundene oder von Landschaftsgrafiken anderer Künstler beeinflusste Elemente Rembrandts Bildwelt, zum Beispiel bei der „Landschaft mit einem viereckigen Turm“ (1650) oder der „Landschaft mit Boot und einer Brücke“ (1650). Einerseits muten seine Landschaften typisch holländisch an – sie gehen vom Alltäglichen und Gewöhnlichen aus –, andererseits gilt ihr vorrangiges Interesse spezifisch künstlerischen Fragestellungen und Problemen, wie der Komposition, der Suggestion von Weite und Tiefe, der Abbildung von Texturen und schließlich ganz besonders der Wiedergabe von Atmosphäre und Licht. Rembrandt setzte sich in seinen Radierungen mit Erscheinungsformen der Natur auseinander, wie mit Blattwerk oder Pflanzen, oder auch mit Phänomenen wie dem Verfall ärmlicher Bauernhäuser („Der Omval“, 1645; „Die Windmühle“, 1641).
Jede Landschaft ist grundsätzlich ein Ausschnitt der Wirklichkeit. In Rembrandts Werken aber scheint immer die Schöpfung als Ganzes zu sprechen. Exemplarisch mag dafür die vielleicht bekannteste Landschaftsradierung Rembrandts stehen, die „Drei Bäume“ von 1643. Dort entdeckt man, winzig klein, einen Zeichner in der Natur, der sich dem grandiosen Schauspiel des Lichts zuwendet, das eine weite, vielfältig belebte Landschaft erfüllt.
Rembrandt gelang es, mit verschiedenen grafischen Strategien – wie sich überlagernden Schraffuren, bestimmten Linienmustern, mehrfacher Ätzung der Platte, Manipulationen der Plattenoberfläche, Verwendung von „Plattenton“ und Kaltnadel-Akzenten sowie durch eine meisterhafte Verteilung von Hell und Dunkel ein reiches Spektrum von greifbaren und ungreifbaren visuellen Werten zu schaffen, die sich zu einer ausgesprochen intensiven Wahrnehmung verdichten. Bei der vertiefenden Betrachtung von Rembrandts Landschaften werden die feinen Zwischentöne und innere Lebendigkeit dieser Werke spürbar.
Auf der Suche nach neuen druckgrafischen Ausdrucksmöglichkeiten begann Rembrandt, besonders seit 1650, zusätzlich zur Ätzradierung die Kaltnadelarbeit auf eine vorher unbekannte Weise einzusetzen. Diese grafische Technik, ein einfaches Kratzen mit einer spitzen Nadel in die Platte, erzeugt schwer kontrollierbare, unregelmäßige Effekte und erlaubt im Ergebnis nur wenige gelungene Abzüge. Zuvor eher für kleine nachträgliche Korrekturen und Ergänzungen in der Platte verwendet, gewinnt diese Technik bei Rembrandt eine eigenständige Bedeutung. Seine Suche nach einer ausgewogenen Verbindung der klassischen, geätzten Radierung mit der Kaltnadel führt zu stetig wachsenden Anteilen Letzterer und schließlich zu Grafiken, die ausschließlich in Kaltnadel ausgeführt sind. In dieser Technik erzielt er Darstellungen mit völlig neuen Lichtwirkungen. Offensichtlich dienten Rembrandt die radierten Landschaften, in denen es um die komplexen Erscheinungsformen der Natur ging, als wichtiges Feld für druckgrafische Experimente.
Alle in der Schau gezeigten Blätter stammen aus der Graphischen Sammlung des Städel Museums, die damit im Rahmen der Ausstellung einen kleinen, doch künstlerisch sehr reizvollen Ausschnitt aus ihrem reichen und über 100.000 Blätter umfassenden Bestand an Zeichnungen und Druckgrafiken präsentiert. Die Sammlung verfügt mit etwa 350 Blättern über ein umfangreiches und qualitativ hochrangiges Konvolut von Radierungen Rembrandts. Im Jahr 2003 waren die Radierungen des niederländischen Künstlers aus dem Städel Museum schon einmal Gegenstand einer Ausstellung der Graphischen Sammlung („Rembrandt. Die Radierungen im Städel“). Damals wurde anhand von etwa siebzig ausgewählten Exemplaren ein Querschnitt des Sammlungsbestands präsentiert. Dieser geht im Wesentlichen auf die Anfänge der Institution zurück, auf die private Sammlung von Stiftungsgründer Johann Friedrich Städel (1728–1816). Der Rembrandt-Bestand der Graphischen Sammlung, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, teilweise auch noch im frühen 19.Jahrhundert zusammengetragen worden ist, birgt äußerst rare und qualitätsvolle Abzüge. Einzelne Blätter sind im Laufe des 19., des 20. und des gegenwärtigen Jahrhunderts ergänzend hinzugekommen, so zum Beispiel im Jahr 2007 der seltene Abzug des „Schlafenden Hundes“ (um 1640), der ebenfalls in der Ausstellung „Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum“ zu sehen sein wird.
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