Auf Einladung der Hamburger Deichtorhallen zeigt der in Berlin lebende Künstler und an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg lehrende Anselm Reyle vom 9. November 2012 bis 27. Januar 2013 unter dem Titel »mystic silver« eine umfassende Einzelausstellung. Die von Dirk Luckow in Zusammenarbeit mit dem Künstler kuratierte Ausstellung vereint rund 80 ausgewählte Arbeiten aus verschiedenen Werkgruppen der letzten Jahre sowie eigens für diesen Anlass konzipierte, neue Arbeiten. Die Ausstellung wurde ermöglicht durch den Förderkreis Deichtorhallen Hamburg e.V.Reyle stellt sich dieser Herausforderung, indem er die 3.200 qm große nördliche Deichtorhalle in zwei unterschiedlich große Bereiche trennt: Einem Vorhang ähnlich separiert eine Wandpartie aus Silberfolie einen mit Tageslicht beleuchteten von einem dunklen Raum. Er zeigt eine charakteristische Auswahl seiner Bilder, die in ihrer konzeptuellen Entwicklung aufeinander basieren, so z.B. Streifenbilder, gestische Arbeiten, diverse Folienbilder bis hin zu den jüngsten Bildern nach dem »Malen-nach-Zahlen«-Prinzip. Aus seinem skulpturalen Oeuvre sind neben den sogenannten »afrikanischen« Skulpturen aus farbig verspiegelter Bronze, darunter »Eternity« auch frühere plastische Objekte wie ein neongelber Heuwagen, eine filigran in den Raum geschriebene Neoninstallation, die an architektonischen Elementen orientierte Skulptur »Ontology« und ein durch LED-Licht beleuchtetes Wandrelief zu sehen.
Diese zwischen Architektur und Bildhauerei oszillierenden, haptisch-visuellen Arbeiten fügen sich trotz des breiten Material‐ und Formenspektrums zu einer kohärenten Erscheinung. Reyles im Hauptraum ausgestellte Exponate unterliegen dabei einer doppelten Reflexion: Sie spiegeln sich nicht nur verzerrt in den Folienwänden, sondern auch gegenseitig im wiederholten Aufgreifen einer spezifischen Formensprache und künstlerischen Materialrepertoire, für das er Fundstücke aus dem urbanen Feld und Trash aus der »low culture« verwendet. Diese konfrontiert er mit kunsthistorischen Adaptionen der »high art« des 20. Jahrhunderts, wie Pop Art, Minimal Art, Abstrakter Expressionismus, Hard Edge Malerei und stellt sie als divergente motivgeschichtliche Quellen gleichberechtigt nebeneinander.
Zurückliegendes Gedankengut wird neu rezipiert, in aktuelle, allgemein zugängliche Formulierungen übersetzt und zugunsten einer begehbaren Installation intensiviert. In den letzten Jahren war Anselm Reyle mehrfach an kooperativen Projekten beteiligt, so u.a. mit der traditionsreichen Porzellanmanufaktur Meißen oder mit dem österreichischen Künstler Franz West, deren künstlerische Resultate in Hamburg ebenfalls zu sehen sind.
Ausstellungsbegleitend erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen, darunter vielen Installationsaufnahmen und Texten von David Ebony und Dirk Luckow und einem Interview von Friedrich von Borries mit dem Künstler, im Distanz Verlag. Da die Ausstellung im Anschluss an die Hamburger Station in abgewandelter Form im Magasin in Grenoble präsentiert wird, ist der Katalog dreisprachig angelegt (deutsch/englisch/französisch).
ZU ANSELM REYLEAnselm Reyle wurde 1970 in Tübingen geboren. Nach seinem Kunststudium in Stuttgart und Karlsruhe zog er 1997 nach Berlin und gründete mit John Bock, Dieter Detzner, Berta Fischer und Michel Majerus ein Atelier. Zusammen mit Thilo Heinzmann, Claus Andersen und Dirk Bell initiierte er die Produzentengalerien »Andersen’s Wohnung« und »Montparnasse«. Seit 2001 arbeitet er mit einem Team von Assistenten. Im letzten Jahr erfolgte der Umzug in ein eigens konzipiertes Atelier auf einem Grundstück an der Spree.
Reyle lehrt seit 2009 an der HfbK Hamburg. Bekanntheit erlangte der Künstler durch seine Streifenbilder - in Anlehnung an das formalistische Vokabular à la Clement Greenberg -, durch seine verführerisch glänzenden Folienbilder und die sogenannten »Afrikanischen Skulpturen«. Charakteristisch für seine Herangehensweise ist die Nutzung unterschiedlicher Fundstücke, die ihrer ursprünglichen Funktion enthoben, optisch verfremdet und in einen neuen Kontext gestellt werden. Er arbeitet in den Medien Malerei, Skulptur, Installation und verwendet dabei Materialien wie Folien aus Schaufensterdekorationen, Acrylpasten, Autolacke, LED-Licht sowie dem Gebrauch entwendete, funktionslose Zivilisationsresiduen. In einer kritischen Reflexion hinterfragt Reyle nicht nur gesellschaftlich etablierte Geschmacksvorstellungen und gängige Formen der Kunstrezeption, sondern setzt sich gleichermaßen mit den teils utopischen Idealen der Modern e auseinander.
ANSELM REYLE – MYSTIC SILVER9. NOVEMBER 2012 – 27. JANUAR 2013HALLE FÜR AKTUELLE KUNST