Zu Ehren zweier außergewöhnlicher StiftungenMit dem »Vermächtnis Günther und Renate Hauff« kamen rund 800 Radierungen sowie durch die »Konrad Kohlhammer-Stiftung« bislang über 1.800 Graphiken in verschiedensten Drucktechniken sowie einige Zeichnungen in die bewährten Hände der »Freunde der Staatsgalerie Stuttgart« und damit als Leihgaben an die Graphische Sammlung.
Die seit 1986 tätige »Konrad Kohlhammer-Stiftung« legt ihr Hauptaugenmerk auf internationale Graphik seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vor allem Kon-rad Kohlhammers Erwerbungen im Bereich der amerikanischen Kunst haben den internationalen Rang der Graphischen Sammlung entscheidend mitgeprägt. 2003 übergab Renate Hauff das »Vermächtnis Günther und Renate Hauff«: Die Sammlung konzentriert sich auf die Technik der Radierung und umfasst alle Facetten künstleri-scher Bewegungen der Moderne bis in die 1980er-Jahre.
Bemerkenswert ist, dass beide Sammlungen von Menschen geprägt wurden, die beruf-lich mit ›Papier‹ im weiteren Sinne zu tun hatten und zudem nicht allein aus privater Leidenschaft sammelten, sondern Kunst als Bestandteil der Unternehmenskultur zu verstehen wussten: Günther und Renate Hauff führten den Georg Thieme Verlag, spe-zialisiert auf medizinwissenschaftliche Publikationen. Im Verlagsgebäude befindet sich eine umfangreiche Kunstsammlung mit rund 900 Werken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute, die auf Gängen und in Büros zu sehen sind. Konrad Kohlham-mer stand für die Konradin Mediengruppe, eine Kapazität auf dem Publikationsgebiet von Fachmedien wie Wissensmagazinen aus unterschiedlichen Bereichen.
Für die jetzige Präsentation wurde eine Auswahl von 140 Blättern von 21 Künstlern aus den rund 2.600 Werken auf Papier aus beiden Stiftungen mit Gemälden und Skulpturen aus dem eigenen Bestand zum Thema »Künstlerpositionen der 1960er- bis 1980er-Jahre« kombiniert. Dieser Blick auf das unschätzbare Gut der Sammlung zeigt erneut das hohe Niveau und die Vielfalt, die ein Museum wie die Staatsgalerie Stuttgart bieten kann. Angesichts von Einschränkungen in den Erwerbungsetats staatlicher Museen ist jedoch die Unterstützung durch Stifter und Mäzene mehr denn je notwendig, damit die Sammlung auch in die Zukunft geführt werden kann, gemäß dem von Robin Page auf seiner Transportkiste To the Museum of Modern Dreams adressierten Motto und der damit verbundenen Hoffnung auf die Umset-zung dieser Träume.
Bei den ausgewählten Werken verschmelzen zuweilen die Grenzen zwischen Malerei und Graphik, etwa wenn Cy Twombly in seinem Gemälde gleichwohl Blei- und Bunt-stifte verwendet wie Shusaku Arakawa in seinem Diagramm 2694 und Jannis Kou-nellis seine Zeichen mit Schablonen auf die Leinwand druckt. Gerhard Hoehme ›schreibt‹ seinen Römischen Brief mit Graphit und Papiercollage, stellt allerdings durch eine Bemerkung darin, »this picture is not for you – only for analphabets«, das System vordergründiger Kommunikation im selben Atemzug ebenso in Frage wie es Shusaku Arakawa in seiner Folge The signified or if zwar ›benennt‹, die Schrift jedoch gleichzeitig von Blatt zu Blatt mehr und mehr auslöscht. A. R. Pencks ›Strichmänn-chen‹ bewahren auch in seinen Gemälden ihren skripturalen Charakter. Robert Motherwell widmet seine Graphikfolge der Malerei nach dem gleichnamigen Ge-dicht von Rafael Alberti, A la Pintura / To Painting; im vorletzten Blatt, To the Paint-brush / Al pincel, hat er zudem ein Stück grundierter Leinwand in den weichen Grund der Platte gepresst. Gerhard Hoehme hinterlässt auf seinen Druckplatten zuweilen Fingerabdrücke, bei Gotthard Graubner sind es Körperteile, die sich hingegen nicht identifizieren lassen. Franz Gertschs Holzschnitte täuschen ein fotografisches Bild vor. Edward Kienholz benutzt zur Collage in seinem Volksempfänger eine Metallplat-te, mithin ein Element, das eher dem Relief verwandt ist, und Emil Schumacher ›malträtiert‹ zum Teil seine Druckplatten als seien sie Skulpturen, wohingegen sie bei Jannis Kounellis wie zerbrochene Scherben eines Spiegels anmuten. Cy Twomblys Mushrooms schließlich zeigen in ihrem Schautafeln ähnlichen Aufbau einen Samm-lungskontext, der naturwissenschaftliche Präzision traumwandlerisch in freie künst-lerische Assoziation umsetzt.
Ein besonderer Glücksfall war die Erwerbung der 18 Cantos von Barnett Newman, je hälftig von der »Konrad Kohlhammer-Stiftung« und der Staatsgalerie, in denen der Künstler, ausgehend von seinen Gemälden, eine ganz eigene ›Philosophie‹ des Ver-hältnisses der Darstellung zu dem sie umgebenden Papierrand entwickelte. Gerade diese Zusammenarbeit von Stiftung und Museum zeigt einmal mehr die entschei-dende Bedeutung der Mitwirkung des privaten Mäzenatentums an der Weiterfüh-rung einer Sammlung und damit der Existenzgebung des Museums.
Renate Hauff verstarb im Herbst 2010, Konrad Kohlhammer im Frühjahr 2011. Diesen außergewöhnlichen Menschen und Kunstliebhabern, die aus Liebe und Leidenschaft gesammelt haben, sind die Ausstellung und der Katalog gewidmet.