Die Münzen der Hunnen und Westtürken in Zentralasien und IndienDas Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums zeigt in Kooperation mit dem Bernischen Historischen Museum und der Collection Jean-Pierre Righetti (Schweiz) eine Sonderausstellung über die Münzprägung der „Iranischen Hunnen“ und Westtürken in Zentralasien und Nordwest-Indien. Der chronologische Rahmen spannt sich dabei vom ausgehenden 4. Jahrhundert n. Chr. bis in islamische Zeit.Das Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums zeigt in Kooperation mit dem Bernischen Historischen Museum und der Collection Jean-Pierre Righetti (Schweiz) eine Sonderausstellung über die Münzprägung der „Iranischen Hunnen“ und Westtürken in Zentralasien und Nordwest-Indien. Der chronologische Rahmen spannt sich dabei vom ausgehenden 4. Jahrhundert n. Chr. bis in islamische Zeit.
Geschichtlicher HintergrundUnter „Hunnen“ wurden im Laufe der Zeit verschiedene Gruppierungen verstanden, von den Völkern, zu deren Abwehr die chinesische Mauer erbaut wurde, bis zu jenen Verbänden, die unter der Herrschaft des sagenhaften Königs Attila († 453 n. Chr.) standen und Europa verheerten. Doch ist dies gesamthaft gesehen nur eine relativ kurze Episode. Wesentlich wirkungsstärker waren die Hunnen für Geschichte, Kultur und nicht zuletzt die Münzprägung in Zentralasien und Nordindien, wie diese Ausstellung zeigen soll.
Die große Wanderbewegung der Hunnen aus dem mittelasiatischen Altai-Gebirge nach Westen begann im Laufe des 4. Jahrhunderts. Um 375 n. Chr. hatte ein Teil der späteren Attila-Hunnen bereits die Wolga überschritten und stieß weiter nach Europa vor. Eine andere Gruppe wendete sich nach Süden, fiel in der Landschaft Sogdiana (im heutigen Usbekistan) ein, überschritt den Fluss Oxus (Amu Darya) und setzte sich in Baktrien (das heutige Nord-Afghanistan) fest. Von dort führte sie ihr Weg weiter über die Gebirgsketten des Hindu Kusch bis in die Regionen Gandhara, Uddiyana (Swat), den Punjab (im heutigen Pakistan) und nach Nordwest-Indien.
Während von den europäischen Hunnen keine eigene Münzprägung überliefert ist, entfalteten ihre iranischen Verwandten eine überaus reiche Prägetätigkeit, die ein einzigartiges Zeugnis für die Geschichte Zentralasiens und Nordwest-Indiens in der Spätantike darstellt. Sie bietet ungeahnte Einblicke in das Selbstverständnis der hunnischen Herren und zeigt, welch vielfältige politische, wirtschaftliche und kulturelle Einflüsse auf sie wirkten.
In den zeitgenössischen Quellen werden die Hunnen als hässliche, zweibeinige Bestien beschrieben, ihre Münzen führen uns jedoch Herrscherbildnisse vor Augen, die in ihrer fremdartigen Eleganz und künstlerischen Qualität ein ganz anderes Bild vermitteln. Der große Gegner der Hunnen in Zentralasien waren die persischen Sasaniden, die wie die Römer im Westen in ständiger Auseinandersetzung mit den verschiedenen Hunnenstämmen lebten. In Indien waren es die Gupta-Kaiser, die den hunnischen Vormarsch zu stoppen trachteten. Auch dafür stellen die Münzen ein einzigartiges historisches Zeugnis dar.
In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts tritt schließlich eine neue Nomadenmacht auf den Plan: Es sind dies die Westtürken, die um 560 n. Chr. gemeinsam mit den Sasaniden die hunnische Vormacht in Zentralasien beenden. Hundert Jahre später erlag das mächtige Reich der Sasaniden dem Ansturm der muslimischen Araber, die sich nach der Eroberung Irans anschickten, weiter nach Ostiran und Zentralasien vorzudringen. Bereits 665 wird Kabul erstmals von den Arabern geplündert, doch gelang es dem türkischen Kabul-Schah, rasch wieder die Oberhand zu gewinnen.
Der Abwehrkampf gegen die Araber, an dessen Spitze die Könige von Kabul und Zabul standen, dauerte über 200 Jahre, und auch dafür stellen die Münzen ein lebendiges Zeugnis dar.
Ergebnisse eines sechsjährigen Forschungsprojektes Die Ausstellung steht am Ende eines sechsjährigen Forschungsprojektes, das vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert wurde (Nationales Forschungsnetzwerk, The Cultural History of the Western Himalaya from the 8th Century, Projekt NFN S 98). Ziel ist es, den BesucherInnen anhand neuester Forschungsergebnisse ein versunkenes Kapitel zentralasiatischer Geschichte vor Augen zu führen. Es ist dies die Geschichte eines Raumes, der gerade heute wieder im Brennpunkt internationaler Politik und Auseinandersetzung steht. Dabei spielen Bewusstsein und Wissen um die eigene Vergangenheit im heutigen Afghanistan und Pakistan eine zunehmend wichtige Rolle. Der Wahlspruch, der nach über 30 Jahren Bürgerkrieg im Zuge der Wiedereröffnung am
Eingang des Afghanischen Nationalmuseums in Kabul angebracht wurde („A Nation Stays Alive, When It´s Culture Stays Alive“), zeugt für den hohen Stellenwert, der dem kulturellen Bewusstsein im neuen Afghanistan wieder eingeräumt wird.
Eine bedeutende Aufgabe kommt im Rahmen der Ausstellung auch der Geo- Kommunikation zu: In Kooperation mit der Universität Wien, Institut für Geographie und Regionalforschung wird den BesucherInnen eine spannende multimediale Schau bereitgestellt. Ziel ist es, anhand von unterschiedlichen kartographischen Darstellungsformen ein besseres Verständnis für die damaligen räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge zu geben. Um dies zu erreichen, stehen den BesucherInnen eine großflächige, begehbare topographische Übersichtskarte, erläuternde Kurzfilme, Detailkarten und ein digitaler Ausstellungskatalog sowie weiterführende Inhalte und Links zur Ausstellung über ein mobiles Online-Portal zur Verfügung: http://www.khm.at/dasantlitzdesfremden
Die Ausstellung wird in Kooperation mit dem Bernischen Historischen Museum durchgeführt. Weitere Leihgaben werden von der Collection Jean-Pierre Righetti (Schweiz), dem Geldmuseum der Oesterreichischen Nationalbank sowie dem Naturhistorischen Museum Wien zur Verfügung gestellt.
Kuratiert von Michael Alram, Anna Filigenzi, Michaela Kinberger, Karel Kriz, Daniel Nell, Matthias Pfisterer und Klaus Vondrovec