Franz Barwigs Werke wurden schon früh international ausgestellt und europaweit von bedeutenden Museen angekauft. Den hohen künstlerischen Stellenwert seiner Arbeiten belegen darüber hinaus die zahlreichen Publikationen in internationalen Kunstzeitschriften sowie die vielen positiven Rezensionen seiner Ausstellungsbeteiligungen. Mit den für ihn charakteristischen Tierskulpturen erwies sich Barwig als früher Vorreiter des Art déco, in seinen menschlichen Akten griff er hingegen bewusst auf das klassisch-antike Formenideal zurück, das er im modernen Sinne weiterentwickelte.
Kaum ein Bildhauer war in seiner Arbeit so vielfältig wie Franz Barwig d. Ä.. Die Bandbreite reicht von den frühen kunstgewerblichen Werken über die frühen Genreskulpturen bis hin zu den Aktfiguren und den Tierskulpturen, für die er heute in erster Linie bekannt ist, und darüber hinaus zu Denkmälern, religiösen Arbeiten, Spielfiguren und volkstümlichen Motiven. Obwohl seine Herkunft von der Holzschnitzerei sein Schaffen durchgehend prägte, schuf er Werke in den verschiedensten Stilformen und Materialien, von der nervösen Lebendigkeit der frühen realistischen Genreskulpturen bis hin zur ägyptisch-blockhaften Granitskulptur des Sitzenden Bären. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass Barwig vor seinem Durchbruch als autonomer Bildhauer, der erst um 1902/03 anzusetzen ist, hauptsächlich kunstgewerbliche Gegenstände in den Formen des Historismus und des Jugendstils schuf, die auch regelmäßig in den Ausstellungen des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie gezeigt wurden. Dort waren in der Winter-Ausstellung 1903/04 neben einem Tintenzeug auch die Skulpturen Netzfischer (erste Version), Die Betrunkenen und eine Marmorfigur namens Verzweiflung von ihm ausgestellt, was zugleich seinen Durchbruch als Kunstbildhauer bedeutete.
Die frühen Genreskulpturen Bewegte Figuren in einem starren Medium zu bannen, war zu allen Zeiten ein Grundproblem der bildenden Künste. Die Wahl des richtigen Motivs, bei dem der spezifische Eindruck der jeweiligen Bewegung am deutlichsten und prägnantesten zum Vorschein kommt, war eine Aufgabe ersten Ranges. Deutlich wird das bereits in Barwigs Genreskulpturen, die vor allem von Rodin und Meunier beeinflusst sind. Barwig wandte sich zunächst einem vielversprechenden Thema zu, der naturalistisch-impressionistischen Genreskulptur.Darstellungen aus dem Wiener Vorstadtleben hatten bereits eine lange Tradition, in der Skulptur war diese Nische allerdings noch kaum besetzt. Der Künstler betont vor allem die Stofflichkeit der Figuren, die in einem scheinbar zufälligen Augenblick greifbar ist. In den Netzziehern von 1904 ist die extreme körperliche Anspannung der drei Fischer beim Ziehen des schweren Netzes nachvollziehbar. Barwig akzentuiert und überzeichnet die hervortretenden Muskelstränge der Männer durch die kantige Schnittführung im weichen Lindenholz. Die extremen Zugkräfte und die Schwere des Netzes werden unmittelbar erlebbar.
Die TierskulpturenBestimmend wird das dynamische Element in den frühen Tierskulpturen. In der Skulpturengruppe Raufende Sundapanther aus dem Jahr 1906/07 sind zwei Panther mit eng verschlungenen Körpern dargestellt. Die erste Ausführung der Gruppe erfolgte in Birnholz, das schwarz poliert wurde. Eine wenig später entstandene zweite Version führte Barwig in Ebenholz aus und kehrte damit zum Hartholz als Material zurück. Mit dem Material änderte sich auch der Stil der Skulpturen, da eine leichte Bearbeitung mit breiten Schnitzmessern nicht mehr möglich war. Die anderen technischen Voraussetzungen des Hartholzes führten Barwig dazu, sich mit runden und glatt polierten Oberflächen auseinanderzusetzen. Die riesige stilistische Bandbreite, die Barwigs Schaffen in dieser Zeit umspannte, kann man besonders im Vergleich mit der etwa gleichzeitig entstandenen Figur des sich streckenden Panthers ermessen. Hier ist der Höhepunkt an Stilisierung in runden, glänzenden Formen erreicht. Die Details verschmelzen zu einer kompakten Masse, die nach dekorativen Gesichtspunkten geformt ist.
Die AktfigurenMit der Übernahme der Professur für Bildhauerei an der Wiener Kunstgewerbeschule an der er von 1909 bis 1921 tätig war begann Barwig sich vermehrt mit der Geschichte der Bildhauerei auseinanderzusetzen, insbesondere mit der deutschen Bildschnitzerei der Spätgotik und der Renaissance. 1910 folgte schließlich die erste weibliche Aktfigur. Die Eva ist sichtlich von Vorbildern wie Tilman Riemenschneider oder Conrat Meit beeinflusst, wenn auch in secessionistisch-ornamentaler Auffassung modernisiert. Diese erste Aktfigur Barwigs ist zugleich auch seine erste Arbeit in Bronze. Der Einfluss von George Minne ist unverkennbar, auch wenn Barwig eine klassisch-ruhige Lösung anstelle von Minnes Expressivität bevorzugt.
Die Rückbesinnung auf die Formen der alten deutschen Meister und auf gediegene Handwerkstradition wurde der Orientierung an den Bedingungen industrieller Massenproduktion gegenübergestellt, wobei sich die Mehrzahl der österreichischen Mitglieder des Werkbundes eindeutig zum Handwerk bekannte. In diesem Umfeld schuf Barwig z.B. religiöse Figuren wie den Auferstandenen Christus, der 1913 in Dresden und 1914 auf der Werkbundausstellung Köln im Saal des Gewerbeförderungsamtes ausgestellt wurde.
Nationalismus und Erster WeltkriegMit dem Nationalismus des Ersten Weltkriegs erfuhr die Rückbesinnung auf die deutschen Meister einen Aufschwung. Eine weitere Intensivierung von Barwigs Beschäftigung mit der spätgotischen Bildschnitzerei fand um 1914/15 statt. Zwei Figuren des hl. Johannes aus Thujenholz erinnern an Tilman Riemenschneiders Adam am Seitenportal der Marienkapelle in Würzburg.
Besonders nach dem Ersten Weltkrieg verlor Franz Barwig d. Ä. zunehmend die Verbindung mit dem zeitgenössischen Kunstschaffen, da er einer auf dem Handwerklichen beruhenden Kunstauffassung treu blieb und im Wesentlichen einem secessionistischen Stil folgte. In dieser Zeit entstand eine ganze Reihe von männlichen Aktfiguren. Bereits 1915 schuf Barwig für eine Aufführung der Oper Alceste eine etwa fünf Meter hohe goldene Figur des Apollo. Von dieser ephemeren Figur aus Pappmaché ist nichts mehr erhalten, man kann aber davon ausgehen, dass sie eine erste Idee zur Figur eines komplett vergoldeten lebensgroßen Jünglings darstellte. Barwig hatte schon vor 1913 im Münchner Glaspalast eine vergoldete Eva ausgestellt und 1908 die teilvergoldeten Monumentalfiguren und das Kaisermonument für den Festzug anlässlich des 60-jährigen Thronjubiläums Kaiser Franz Josephs geschaffen. Im goldenen Jüngling verbindet sich allerdings die formale Stilisierung der klassischen Aktfigur mit der transzendierenden Wirkung der glänzend-goldenen Oberfläche.
Weiters entstanden zwischen 1921 und 1925 mehrere lebens- bzw. überlebensgroße Holzfiguren, die eine starke Annäherung an die neoklassizistische Kunstauffassung markieren. Barwig verwendete nun hauptsächlich wertvolle Harthölzer, die den Skulpturen einen besonderen Materialwert verleihen. Im Gegensatz zu jenen der Vorkriegsjahre sind diese Figuren meist glatt poliert, wodurch der Glanz des reflektierten Lichts eine wichtige Rolle erhält. Manche Werke kommen antiken Skulpturen sehr nahe, insbesondere der Redner und der Jüngling von 1924. In anderen, wie dem Jüngling aus Nussholz aus demselben Jahr, ist noch eher die unbefangene Natürlichkeit das ausschlaggebende Thema, worauf auch die Gestaltung des Sockels als zerklüfteter Boden verweist.
In seinen letzten Jahren setzte Barwig sich wieder intensiv mit dem Werk Aristide Maillols auseinander. Z.B. ist die Buchsholzfigur eines badenden Mädchens aus dem Jahr 1930 auf das Vorbild von Maillols Badender um 1900 zurückzuführen. Mit der Ebenholzfigur eines sitzenden Mädchens aus dem Jahr 1929 rezipierte er Maillols Mediterranée aus dem Jahr 1904/05, entwickelte aber die Komposition der runden Formen des Mädchens noch weiter und gelangte durch die glänzend polierte Oberfläche des schwarzen Holzes zu einer vollendeten Vereinigung von natürlicher Lebendigkeit und klassischem Formenideal.
Ausstellungen der Reihe Meisterwerke im Fokus werden durch die freundliche Unterstützung des Dorotheums ermöglicht.
Meisterwerke im FokusFranz Barwig der Ältere16. Mai bis 7. September 2014Oberes BelvedereÖffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr
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