Der Künstler hat sich nicht nur durch sein künstlerisches Œuvre, sondern auch durch seine kulturpolitische Tätigkeit einen herausragenden Platz innerhalb der deutschen Kunst- und…
Der Künstler hat sich nicht nur durch sein künstlerisches Œuvre, sondern auch durch seine kulturpolitische Tätigkeit einen herausragenden Platz innerhalb der deutschen Kunst- und…
Der Künstler hat sich nicht nur durch sein künstlerisches Œuvre, sondern auch durch seine kulturpolitische Tätigkeit einen herausragenden Platz innerhalb der deutschen Kunst- und Kulturgeschichte erworben und gilt damit als einer der führenden Wegbereiter der modernen deutschen Malerei. Die eigenständige Stellung Liebermanns zwischen dem ausgehenden 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert ist auch für die heutigen Entwicklungen der Malerei von besonderer Aktualität.
Mit einer Auswahl von über 100 Werken aus allen Schaffensphasen setzt die Ausstellung neue Akzente innerhalb der Werkrezeption von Max Liebermann setzen. Nachdem in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem einzelne thematische Schwerpunkte seines Schaffens (Freilichtmalerei, Realismus, Impressionismus, Gartenbilder) im Fokus der Betrachtungen standen, wird Liebermann in dieser Ausstellung vor allem als konsequenter Verfechter aktueller künstlerischer Positionen in der Kunst des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts gezeigt. Die herkömmliche Einordnung dieses Malers als „Impressionist“ wird ebenso hinterfragt wie der Begriff des Realismus.
Mit den präsentierten Gemälden und Arbeiten auf Papier wird Liebermanns unkonventionelle Themenbehandlung und stilistische Entwicklung in 14 chronologisch aufgebauten Kapiteln dargestellt. Der Ausstellungsbogen reicht von der frühen Freilichtmalerei und Bildern stiller Arbeit der 1870er und 1880er Jahre über Szenen des modernen Freizeitvergnügens um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert bis zu Auftragsporträts und Selbstbildnissen aus der Zeit der Weimarer Republik. Die Ausstellung endet mit dem Alterswerk der späten Gartenbilder, die Max Liebermann zwischen 1910 und 1933 in über 200 Varianten schuf.
Als langjähriger Präsident der Berliner Secession und danach der Preußischen Akademie der Künste gehörte Liebermann zu den einflussreichsten Förderern der Moderne im Berlin des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Nachhaltig beeindruckt von den Altniederländern und angezogen von der Schule von Barbizon, mit einer Vorliebe für die französischen Impressionisten, die er persönlich sammelte, hat Liebermann ein stilistisch und thematisch vielfältiges Werk geschaffen.
An der Ausstellung beteiligen sich über 50 öffentliche und private Leihgeber aus Deutschland und dem Ausland.
Wandtexte in der Ausstellung
Unter freiem Himmel Als Max Liebermann sein Studium an der Kunstschule Weimar 1868 begann, galt sein Hauptinteresse der Historienmalerei. Doch bald schon bezog er seine Anregungen aus Quellen, die jenseits des akademischen Lehrbetriebs lagen: Auf dem Pariser Salon 1871 sah er zum ersten Mal Bilder von Corot, Daubigny, Millet u.a. Diese Pioniere der Freilichtmalerei gehörten der Schule von Barbizon an. Sie erneuerten die Landschaftsmalerei durch eine unmittelbare Naturanschauung und genaue Beobachtung der Lichtwirkung.
Liebermann reiste im Sommer 1874 nach Barbizon und schuf dort seine ersten Studien arbeitender Menschen auf freiem Feld. Mit diesem Schritt „ins Freie“ betrat der Künstler ein für ihn bis dahin unbekanntes Terrain. Die reine Landschaftsmalerei interessierte ihn nicht: Ohne Pathos und Sentimentalität zeigte Liebermann vor allem den nüchternen Alltag der Bauern mit all seiner Mühsal und Monotonie. Es waren die einfachen Arbeitsvorgänge jenseits anekdotischer Details, die er zu seinem eigentlichen Bildthema machte. Das gedämpfte Kolorit der im Atelier vollendeten Bilder gleicht die dargestellten Menschen ihrer natürlichen Umgebung an.
Stille Arbeit
Die Ausbildung an der Weimarer Kunstschule verschaffte Liebermanns Malerei eine solide handwerkliche Grundlage. Das große Thema seiner Bilder fand er indessen selbst.
Die realistische Malerei des 19. Jahrhunderts hatte ihren Blick bereits auf den unspektakulären „Heroismus des modernen Lebens“, das ganz im Zeichen der Arbeit stand, gerichtet. Liebermann folgte dieser Spur und löste gleich mit seinem ersten Hauptwerk – den Gänserupferinnen von 1872 – einen handfesten Skandal aus: Das belanglose Motiv arbeitender Bauernfrauen und dessen spröde malerische Umsetzung empörten Publikum wie Kritik gleichermaßen. Sein Ruf als „Apostel der Hässlichkeit“ war besiegelt.
Sein Frühwerk galt einer sich nur allmählich aufhellenden „Armeleutemalerei“. Doch sie klagte keineswegs soziale Missstände an. Die Menschen auf Liebermanns Bildern – Gemüseputzerinnen, Weber, Korbflechter, Näherinnen – definieren sich durch ihre Arbeit. Fast weltvergessen gehen sie ihren alltäglichen Verrichtungen nach: „das Sujet gedanklich gleich Null … und alles der Malerei untergeordnet“, so Liebermann. Diese Bilder stellten nicht nur das gewohnte Hierarchiedenken auf den Kopf, sie eröffneten den Salonbesuchern eine neue Sicht auf die Welt.
Die Idealgemeinschaft
Die Inspirationen zu seinen Bildern verdankte Liebermann vor allem seiner „Malheimat“ Holland, wo er von 1871 bis 1914 jeden Sommer verbrachte. Der Künstler betonte, dass er seine Motive fast immer zufällig entdeckte, sie stachen ihm förmlich ins Auge − so wie die Mädchen in einem Amsterdamer Waisenhaus. Die gewohnt malerische Annäherung an das Thema erhält durch die Hervorhebung der Farbkontraste, der heiteren Lichtstimmungen und der klaren Organisation des Raumes neue Impulse.
An seinem Personal war Liebermann mehr thematisch als psychologisch interessiert: All die Handwerker, Bauern, Frauen bei der Handarbeit und Kinder wurden vor allem in ihrer sozialen Funktion wahrgenommen. Sie gehen in einer intakten vorindustriellen Gemeinschaft auf, in der die Gleichheit verwirklicht schien. Tritt die Einzelfigur in den Vordergrund, so gewinnt sie ihre Monumentalität durch die Vernachlässigung erzählerischer Details. Es ist nicht die Schilderung eines Milieus, die im Mittelpunkt steht, sondern die malerische Umsetzung des Motivs. In der Konzentration auf das Wesentliche erfasst Liebermann die „Natur in ihrer Einfachheit und Größe.“
Malheimat Holland
„Mit Recht hat man Holland das Land der Malerei par excellence genannt. Und es ist kein Zufall, dass Rembrandt Holländer war. … Italien ist zu pittoresk. Holland dagegen erscheint auf den ersten Blick langweilig … In der Intimität liegt seine Schönheit. Und wie das Land, so seine Leute: nichts lautes, keine Pose, keine Phrase“, schrieb Liebermann 1901.
Es waren also nicht Berlin, nicht Barbizon und auch nicht Paris, die dem Künstler die entscheidenden Impulse für seine Bildmotive lieferten. Es war seine „Malheimat“ Holland, in der er Formen des vorbildlichen Gemeinschaftssinns sowie die gewachsene Einheit von Leben, Architektur und Natur fand. In den 1890er Jahren wichen die früheren genrehaften Darstellungen des dörflichen Lebens atmosphärisch dichten Schilderungen einsamer Menschen in karger Natur. Die Figuren sind jetzt aus der schützenden Gemeinschaft herausgelöst, sie verlassen ihre von Menschenhand geformte Umgebung, um sich in der unendlichen Weite der Landschaft zu verlieren. Dabei wendet sich der Künstler immer stärker einer subtilen Stimmungsmalerei zu, deren Wirkung allein von Licht und Luft bestimmt wird. Aus dem Genremaler ist ein Landschaftsmaler geworden.
Der Jesus-Skandal
„Eigentlich hätte ich Historienmaler werden wollen“, kommentierte Liebermann die Anfänge seiner Karriere. Und in der Tat gehört die Darstellung des zwölfjährigen Jesus im Tempel zu den bevorzugten Bildthemen der Historienmalerei. Auch der von Liebermann so verehrte Rembrandt hat das Motiv in mehreren Versionen radiert.
Die Idee zu seinem 1879 in München entstandenen Bild geht auf einen Besuch im Amsterdamer Judenviertel zurück. In seiner mehrfigurigen Komposition zeigt Liebermann den Jesusknaben inmitten der Schriftgelehrten, die der Künstler vor allem durch die im 19. Jahrhundert übliche Rabbinertracht charakterisiert. Dadurch versetzt er die biblische Szene in die Gegenwart. Auch der Jesusknabe – in der ursprünglichen Version noch barfüßig und dunkelhaarig – ist äußerst realistisch dargestellt. Es ist ein lebhaft gestikulierender Junge, dessen kindliche Not, unbedingt überzeugen zu wollen, deutlich spürbar wird.
Die Empörung war groß: Man warf dem Maler die Verunglimpfung der christlichen Religion vor, indem er den Sohn Gottes als einen schmutzigen „naseweisen Juden-Jungen“ zeigt und „die Scene in eine echt polnisch kleinstädtische Synagoge verlegt“. Mit der von antijüdischen Ressentiments genährten Auseinandersetzung befasste sich sogar der Bayerische Landtag.
Die Porträts – „Der Parademarsch des Malers“ Im Jahre 1892 bemerkte ein Kritiker „mit Schaudern“, dass Liebermann sich nun auch der Bildnismalerei widme. Sein Ruf als „Apostel der Hässchkeit“ eilte dem Künstler voraus und war zunächst keine gute Empfehlung für die potentiellen Auftraggeber.
Der erste bedeutende Auftrag kam vom Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark: Liebermann sollte den Hamburger Bürgermeister Petersen porträtieren. Die Kritik am fertigen Bildnis war niederschmetternd. Die unverstellt realistische Darstellung des Würdenträgers löste abermals Empörung aus. Auf seinem Weg zum begehrtesten Porträtisten der Nation stand Liebermann erst am Anfang.
Nichtsdestoweniger beginnt er, sich als Bildnismaler zu profilieren. In seiner Porträtkunst verbindet er psychologische Eindringlichkeit mit persönlicher Distanz. Er hebt die Figuren aus ihrer gewohnten Umgebung heraus, vermeidet Hinweise auf den sozialen Status oder Beruf der Dargestellten und platziert sie vor einen neutralen Hintergrund. Liebermann konzentriert sich vor allem auf das Gesicht und die Körperhaltung der Porträtierten, wobei er die charakteristischen äußeren Merkmale seiner Modelle nicht beschönigt, sondern betont.
Gartenlokale
Menschen, die unter schattenspendenden Bäumen oder auf luftigen Terrassen Erholung und Zerstreuung suchen – dieses bürgerlich-städtische Motiv hat Liebermann ab Mitte der 1880er Jahre immer wieder gemalt. Trotz seines anfänglichen Interesses für Szenen des intakten bäuerlichen Lebens blieb dem Künstler nicht verborgen, dass die moderne urbane Gesellschaft zunehmend neue Lebensformen entwickelte. Zu den typischen Erscheinungen der Zeit gehörten Biergärten und Ausflugslokale. Hier konnten sich unterschiedliche Schichten zwanglos begegnen und unbeschwerte Geselligkeit an der frischen Luft genießen.
An dieser Schnittstelle zwischen Kultur und Natur hatte Liebermann eine neue malerische Aufgabe für sich entdeckt. In den weiträumigen, sonnendurchfluteten Wirtshausgärten an den unterschiedlichsten Orten – in München, Brannenburg, Hamburg oder an den Berliner Seen – fand er stimmungsvolle Bildmotive. Der sorgfältig komponierte Bildraum wird durch das Wechselspiel von Licht und Schatten belebt. Der Boden ist mit hellen Sonnenflecken übersät – ein Markenzeichen des Künstlers. Mit Ausnahme des frühen Münchner Biergartens von 1883/84, wo er die dichtgedrängten Gäste noch genau charakterisiert hatte, war ihm ein lebendiger Natureindruck der Gesamtkomposition zunehmend wichtiger.
Bürgerliches Freizeitvergnügen
Hatte Liebermann zu Beginn seines künstlerischen Weges der arbeitenden holländischen Bevölkerung bei ihren alltäglichen Verrichtungen zugesehen, so interessierte er sich ab der Jahrhundertwende auch für Motive des bourgeoisen Freizeitvergnügens. Sie waren ihm bestens vertraut: In seiner Jugend war er selbst ein guter Reiter und begeisterter Schlittschuhläufer gewesen. Während seiner Hamburg-Aufenthalte beobachtete er im ältesten Polo Club auf dem europäischen Festland das dynamische Polospiel und genoss den abendlichen Corso der Boote auf der Außenalster.
Zu Liebermanns bekanntesten Gemälden gehört der Papageienmann im Amsterdamer Zoo − die vorbereitende Studie von 1902 wird hier gezeigt. Zwanzig Jahre lang musste das Motiv des Wärters der berühmten Papageienallee auf seine malerische Umsetzung warten. Bei seinem ersten Besuch dort 1881 konnte Liebermann dem farbenprächtigen Sujet aus der bürgerlichen Freizeitwelt noch nicht viel abgewinnen.
Unter dem Einfluss des französischen Impressionismus, wandelt sich auch Liebermanns Malerei: Seine Palette wird heller, seine Farben leuchtender. Die durch Licht und Bewegung belebten Szenerien seiner Bilder spiegeln die verfeinerte Lebensweise des Bürgertums wider.
Am Meer
Die französischen Impressionisten erhoben das Motiv des sommerlichen Badepublikums zu einem bildwürdigen Thema. Dabei galt ihr Hauptinteresse den sich ständig verändernden Naturphänomenen. Die Individualität der dargestellten Figuren war der Wiedergabe von Lichtwirkung und Atmosphäre untergeordnet. Farbe und Faktur wurden zu Trägern einer neuen Seherfahrung.
Auch Liebermann folgte diesem Ansatz und widmete sich Darstellungen des Strandlebens an der holländischen Küste: „Was mich persönlich betrifft, so bin ich in eine neue Periode getreten: in den drei Monaten, die ich jetzt in Holland war, habe ich mich wieder gehäutet (…).“ Mit den Szenen badender, spazierender und Sport treibender Sommergäste vor einer maritimen Kulisse veränderte sich auch das Personal und die Malweise Liebermanns. Die mit raschem, lockerem Pinselstrich gemalten Bilder entstanden nun meist vollständig in freier Natur.
Zu einem seiner bevorzugten Motive um die Jahrhundertwende gehörten Szenen mit badendenden Fischerjungen. In zahlreichen Varianten stellte sich Liebermann der malerischen Herausforderung, figürliche Bewegung vor der Licht atmenden Weite des Naturraums zu erfassen.
Ein öffentlicher Kopf − Die Selbstbildnisse Kein anderer Künstler des frühen 20. Jahrhunderts ist in Gemälden, Fotografien und Karikaturen so häufig dargestellt worden wie Max Liebermann. Auch der Maler selbst hat dafür gesorgt, dass sein Bild der Nachwelt erhalten bleibt. In etwa siebzig Gemälden sowie zahllosen Zeichnungen, Radierungen und Lithografien hat er sein eigenes Konterfei festgehalten.
Aus der Zeit vor 1900 sind mit Ausnahme des Selbstporträts mit Küchenstillleben kaum Selbstbildnisse bekannt. Erst das ehrenvolle Begehren der Uffizien in Florenz 1902, ein Liebermann-Porträt in ihre berühmte Sammlung von Künstlerselbstbildnissen aufnehmen zu wollen, scheint sein malerisches Interesse an der eigenen Person geweckt zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt stand Liebermann im Zenit seiner Karriere: Er war Wortführer der Berliner Moderne, Präsident der Akademie der Künste, er residierte großbürgerlich am Pariser Platz, direkt neben dem Brandenburger Tor. „Ich bin in meinen Lebensgewohnheiten der vollkommenste Bourgeois; ich esse, trinke, schlafe, gehe spazieren und arbeite mit der Regelmäßigkeit einer Turmuhr.“ Die lange Reihe der Selbstbildnisse scheint diese Selbstcharakteristik vollauf zu bestätigen.
Die Spitzen der Gesellschaft Trotz der unerfreulichen Affäre um das Petersen-Porträt von 1891, sollte dieser Auftrag den Beginn von Liebermanns Karriere als „Bildnismaler der Nation“ einleiten. Nach der Jahrhundertwende stieg er zum gefragtesten Porträtisten der feinen Berliner Gesellschaft auf. Eine ganze Generation von Direktoren, Professoren, Geheimräten und Vertretern der kulturellen Elite saß dem Künstler Modell. Auch in den bewegten Zeiten der Weimarer Republik galt es in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen als schick, sich von Liebermann porträtieren zu lassen.
Die Modelle wechselten, die doch vom Künstler einmal gefundene Darstellungsformel behielt ihre Gültigkeit: Die Porträtierten werden ohne narrative Details erfasst, ein Interieur wird nur angedeutet. Wer sich ein echtes Liebermann-Porträt leisten konnte, musste auch die wenig schmeichelnde Malweise hinnehmen. Vielleicht ist Liebermann deshalb kein „Frauenmaler“ geworden. Erst in den späten Jahren schuf er einige bemerkenswerte Bildnisse von Frauen, deren körperliche wie psychologische Präsenz eine erotische Note enthält.
Das zweite große Thema Liebermanns in dieser Zeit ist die Welt der eleganter Häuser und kultivierten Gärten, das Ineinander aus Licht und Vegetation, wie er es in seinem Anwesen am Wannsee erleben konnte.
Das Paradies am Wannsee
Das repräsentative Haus Max Liebermanns am Pariser Platz war kaum zu verfehlen: „Gleich links, wenn man in Berlin reinkommt“, so der Volksmund. Nicht nur topografisch, auch gesellschaftlich befand man sich hier im Mittelpunkt der deutschen Hauptstadt. Hieempfingen Max und Martha Liebermann ihre Gäste und hier befand sich die berühmte Kunstsammlung des Malers, deren Schwerpunkt die Bilder französischer Impressionisten bildeten.
Und doch war es die Erfüllung eines Lebenstraums, als Liebermann 1909 ein Seegrundstück am Großen Wannsee erwarb. Er ließ hier ein vornehmes Landhaus errichten und einen großzügigen Garten anlegen. Diese Sommerresidenz sollte nicht nur der Entspannung, sondern auch der künstlerischen Inspiration dienen. Und in der Tat verdankt sich das fulminante Alterswerk des Künstlers diesem herrlichen Fleckchen Erde.
Liebermann war stolz darauf, das Anwesen mit dem Ertrag seiner eigenen Arbeit finanziert zu haben: „Sehen Sie, diese zehn Finger haben alles in zwei Jahren ermalt, Grundstück, Haus, Gartenanlage und Einrichtung.“ In über 200 Gemälden hielt er sein „Paradies am Wannsee“, immer blühend und sonnenbeschienen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln fest.
„Auf der eigenen Scholle“
Mit dem Traum vom Haus im Grünen, lag Liebermann im Trend seiner Zeit. Die Wohn- und Lebensreform erreichte um 1910 den Höhepunkt ihrer Popularität und beeinflusste auch die Gartenkunst.
Eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Wannseegartens spielte Liebermanns bewährter Freund, der Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark. Er war es, der Liebermann bei dessen Besuchen an der Elbe für die neue Gartenkunst begeisterte. Diese propagierte die Abkehr vom englischen Landschaftsgarten – „Gartenkunst ist Raumkunst“. Und so fügten sich Wegenetz, Terrassen, Hecken und Rabatten zu einem nach rationalen Gesichtspunkten geordneten Grundriss und ergaben ein abwechslungsreiches Raumerlebnis.
Nach diesen Prinzipien wurde auch der Wannseegarten angelegt, zu dessen charakteristischen Elementen der Nutzgarten, die drei formal gestalteten Heckengärten, die Birkenallee sowie die Blumenterrassen an einer großen Rasenfläche gehören. Liebermann wurde nicht müde, die ausgeklügelten Achsen und Raumstaffelungen seines Gartens in lebendige Naturdarstellungen zu verwandeln.
Im Garten des Künstlers
Die Idee vom Garten, der in der Anlage fest definiert, in Wachstum und Farbstimmung aber von den Jahreszeiten, der Witterung und dem Sonnenstand abhängig ist, faszinierte Liebermann. Die Begeisterung, welche Claude Monet im französischen Giverny mit seinen Seerosen, Glyzinien und der japanischen Brücke auslöste, fand in den Gartenansichten vom Wannsee ihr deutsches Pendant.
Unter den altersmilden Augen des Künstlers entwickelten sich die Gartenbilder zu einer poetischen Huldigung an die Gartenkunst, zu einer Hommage an die kultivierte Natur und an die pure Lust an der Malerei. Sie sind durch eine subjektive, vitale Erfassung des Naturschauspiels aus Farbe und Licht bestimmt. Liebermann malt nun direkt im Freien. Immer stärker verwischt er die Grenze zwischen Studie und vollendetem Gemälde.
Die anfänglich deutlich charakterisierten einzelnen Gartenräume, verlieren mit der Zeit an Bedeutung. Liebermann widmet sich jetzt ganz der Wirkung von Licht in Verbindung mit üppiger Natur. Die gewählten Bildausschnitte werden immer kühner, die Farbpalette wird von einer neuen Intensität bestimmt, der Pinselduktus frei und expressiv.
Rembrandt und Frans Hals
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine europaweite, intensive Beschäftigung mit der niederländischen Kunst des „Goldenen Zeitalters“ ein. Die holländische und flämische Genre- und Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts standen Pate für die Erneuerung der Kunst jenseits des Akademiebetriebs. Noch stärker als andere Altmeister wurden Rembrandt und Frans Hals im Bezug zur zeitgenössischen Kunst entdeckt und rezipiert.
Max Liebermann bewunderte die beiden großen Holländer von Jugend an. Doch die Bewunderung war unterschiedlich gewichtet: „Vor den Bildern des Frans Hals bekommt man Lust zum Malen, vor denen Rembrandts verliert man die Lust daran.“ Die Kunst Rembrandts empfand Liebermann als geheimnisvoll, undurchschaubar, er verehrte sie zutiefst.
Zu Frans Hals fühlte er sich hingezogen: Dessen temperamentvolle, koloristisch raffinierte und dabei auf Zeichnung aufgebaute Malweise kam seinen künstlerischen Zielen entgegen. Jahr für Jahr pilgerte Liebermann nach Haarlem, wo er die Werke von Frans Hals studieren konnte. Besonders beeindruckt zeigte er sich von der konsequenten Alla-Prima-Malerei des Altmeisters, d.h. dem direkten Farbauftrag auf die Leinwand, ohne spätere Korrekturen und Retuschen.
Katalog
Max Liebermann.
Wegbereiter der Moderne
224 Seiten mit ca. 150 farbigen und 30 s/w-Abbildungen Robert Fleck (Hg.)
Format: 28,5 x 23 cm
Hardcover
Preis: 29,95 €
DuMont Buchverlag, Köln
ISBN 978-3-8321-9350-8
Ausstellungsdauer 21. April bis 11. September 2011
Öffnungszeiten Dienstag und Mittwoch: 10 bis 21 Uhr Donnerstag bis Sonntag: 10 bis 19 Uhr Freitags für Gruppen ab 9 Uhr geöffnet Montags geschlossen
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