Wien war nicht nur eine Stadt, sondern ein Klang, den man in seiner Seele hört, für immer, oder nie… (Sándor Márai) PASSAGENKAISERLICH UND KÖNIGLICH (Kálmán Mikszáth) Alles ist dort ungarisch, selbst das, was deutsch ist. Der Fiaker sagt am Westeingang der Rotunde zu den Menschen auf Ungarisch »tessek kiszállni«, bitte auszusteigen […] und wo man auch in der schillernden Verwirklichung der romantischen Märchen aus den fünf Erdteilen geht und steht, sind die Tausenden und Abertausenden Fremde – alle nicht fremd.
MODERNE – DIESSEITS UND JENSEITS DER LEITHA Hier ist eine intellektuelle Revolution gewiss eine große Sache. Aber sie haben sie ausgefochten, erkämpft, vielleicht scheitert sie, vielleicht erntet sie Erfolg, und vielleicht habe auch ich für diese Revolution gekämpft. Sicher ist, dass es uns gelungen ist, jene gefährlichen Ideen auf ein Land ohne Ideen loszulassen. (Endre Ady)
In einer Truhe versteckt, auf einem Wiener Schiff, hatte ich das Land verlassen. […] als sich herausstellte, die Emigration würde länger, als wir im ersten Moment gedacht hatten, begann sich die Garde der MA neu zu organisieren. […] und die Zeitschrift wurde bald herausgegeben, in schönerer und reicherer Ausführung als zu Hause. (Lajos Kassák) … DIE VÖGEL FLIEGEN AUS
Die Ausstellung ist Teil der Reihe „Schriftsteller mit Gepäck“, die das Literaturmuseum Petőfi in Budapest 2004 mit der Absicht startete, einen Einblick in die Geschichte jener Beziehungen zu gewähren, die die ungarische literarische Kultur mit den großen geistigen Zentren Europas unterhielt. Dem Projekt geht es also um Kontaktaufnahmen, Wirkungszusammenhänge und um das Erleben der Heimat und der Fremde, um Zusammenspiel und Dissonanz von Lektüre-, Reise- und Lebenserfahrungen. Dass Wien einen Meilenstein in dieser Reihe bilden muss, liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, wie eng Geschichte und Kultur der beiden Städte seit Jahrhunderten miteinander verwoben sind. Der Umstand, dass Ungarn am 1. Jänner 2011 das erste Mal den EU-Vorsitz übernommen hat, beflügelt diese Unternehmung.
Der Ausgangspunkt der Ausstellung verweist auf die Österreich-Ungarische Nordpol- Expedition (1872/74) und die Weltausstellung in Wien (1873) und untersucht das Selbstverständnis und die Rezeption Ungarns als Partner im Rahmen dieser gemeinsamen Unternehmungen sowie im Rahmen der politischen Konstruktion der Österreichisch- Ungarischen Monarchie. In den Werken ungarischer Autoren wie etwa Sándor Márai, Ferenc Herczeg u. a. scheint die Sicht der Monarchie als Metapher eines Wertesystems tief verankert.
Ein weiterer Hauptaspekt ist der Einfluss der österreichischen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts auf die ungarische Literatur- und Kunstszene. Neben herausragenden österreichischen Vertretern wie Karl Kraus und Peter Altenberg werden die Aufenthalte ungarischer Autoren in Wien näher beleuchtet, ihre Kontakte, Erfahrungen sowie wechselweisen Einflüsse. Besonders betont wird die Rolle Lajos Hatvanys, eines bedeutenden Förderers der modernen ungarischen Literatur.
Nach dem endgültigen Ende der Monarchie im Jahr 1919 verließen etliche Schriftsteller und Künstler aus dem Kreis um den Avantgardisten Lajos Kassák und der Literaturzeitschrift MA („Heute“) Ungarn und setzten ihr Werk im Wiener Exil fort. Am erfolgreichsten gestaltete sich der kulturelle Austausch jedoch ohne Zweifel auf dem Theater, vor allem durch den Autor Franz Molnár und den Komponisten Emmerich Kálmán, die für beeindruckende Erfolge ungarischer Künstler auf Wiener Bühnen sorgten.
Veranstaltungsprogramm: KULTURKAFFEE Schriftsteller mit Gepäck Eine Führung durch die Ausstellung erzählt vom kulturellen Austausch zwischen Wien und Budapest, bei Kaffee und Kuchen entführt Sie Katharina Scholz-Manker mit einer Lesung von Texten ungarischer Schriftsteller in die Atmosphäre der Metropolen.