Josef Albers hatte seine erste künstlerische Ausbildung an der Königlichen Kunst- schule in Berlin, an der Kunstgewerbeschule in Essen und den Akademien in Berlin und München erhalten. Von 1920 an war er Student am Bauhaus in Weimar und er- hielt 1923 dort bereits die Leitung der Werkstatt für Glasmalerei. Albers schuf Glasbil- der und entwarf Möbel, Glas- und Metallgeräte und entfernte sich mehr und mehr von der Gegenständlichkeit. Nach der Auflösung des Bauhauses, das ab 1925 nach Des- sau, 1932 nach Berlin umgezogen war, emigrierte er mit seiner Frau Anni 1933 in die USA; 1939 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Albers nahm den Ruf als Leiter des Art Department am neu gegründeten Black Mountain College in Ashville, North Carolina, an, wo er von 1933 bis 1949 tätig war. Zwischen 1950 und 1959 leitete er das Art Department der Yale-University in New Haven. Die Eindrücke, die er durch die grossartige Landschaft Nordamerikas, die Kunst und Kultur Lateinamerikas und Mexi- kos erhielt, das er ab 1935 immer wieder bereiste, gewannen wesentlichen Einfluss auf sein weiteres künstlerisches Schaffen, insbesondere die Malerei. Seine Lehrtätig- keit und sein Werk waren von weitreichender Wirkung auf europäische und amerika- nische Künstler, die bis heute anhält. Zu seinen Schülern und Schülerinnen gehörten John Cage, Donald Judd, Eva Hesse, Kenneth Noland, Robert Rauschenberg, Ri- chard Serra u.a.
Die Kinetics und Adobes der späten 30er und 40er Jahre sind beeinflusst von den architektonischen Strukturen monumentaler Ziegelbauten präkolumbianischer Sied- lungen, dann von den Pyramiden der Maya-Kultur, deren abstrakten, „kubistischen Charakter“, Albers in seinen Schwarzweiss-Fotografien in besonderer Weise heraus- arbeitete. So sind die Kinetics dieser Jahre stark von Linienstrukturen bestimmt. Es ergeben sich dynamische Bildwirkungen mit immer wieder neuen Lesarten, die der Betrachter in ihnen erschliessen kann, wenn er sich auf die Fläche-Raum-Beziehun- gen der Farbfelder, die den geometrischen Formen folgen, einlässt. Diese optische Dynamik der Werke, welche die Mehransichtigkeit suggerierter Räume, einmal in Aufsicht, dann in Untersicht, sowie deren spiegelbildliche Entsprechung beinhaltet, kommt in den Bezeichnungen Kinetic, Biconjugate oder Tautonym zum Ausdruck. Die Adobes, die in ihren Kompositionen stärker den Lehmziegelhäusern des Adobe-Bau- stils in Mexiko und deren Farbigkeit verpflichtet sind, erinnern motivisch an Fenster, Toröffnungen oder Grundrisse, wie sie in den genannten Architekturen zu finden sind. Auch in ihnen experimentierte Albers mit ungemischten Farben und beobachtete die Veränderungen, die bei ihrem Zusammentreffen entstanden, und deren Identität es infrage stellte.
Mit den Homages to the Square befasste sich Albers von 1950 an bis zu seinem Le- bensende 1976. Albers erprobte in diesen Blättern die Farbe in allen Variationen und feinsten Abstufungen, ohne dabei Farbsystemen oder einer Farblehre zu folgen. Als Bildträger verwendete er Löschpapiere, die eine hohe Saugfähigkeit besitzen. Deren überschaubare Grösse kam seiner Experimentierfreude entgegen und förderte das serielle Arbeiten, das Albers’ Schaffen schon von Beginn seiner künstlerischen Tätig- keit an charakterisiert. Manche der späteren Blätter wirken skizzenhaft oder unvollen- det, so wie dies dem Medium Zeichnung vorbehalten ist, das die Möglichkeit für spontane Entscheidungen öffnet und Einblicke in den schöpferischen Prozess zu ge- ben vermag. Notizen, die er am Rand anbrachte oder in die Farben selbst schrieb, lassen den experimentellen Charakter mancher Beispiele besonders deutlich werden. Um jeden Anklang an Gegenständlichkeit, wie auch willkürliche innerbildliche Kompo- sitionen zu vermeiden, und damit das eigentliche Thema, die Farbe, in den Vorder- grund zu rücken, wählte Albers nun die einfache wie auch radikale Form des Quad- rates als Motiv seiner Bilder. Ihm schrieb er weitere Quadrate ein, die sich gegenseitig überlagern, sodass sie nur in den Randbereichen hervortreten; lediglich in der Mitte wird jeweils wieder ein vollständiges Quadrat sichtbar. Diese Überlagerung von Quad- raten verstärkt die Interaktion der hier aufgebrachten Farben.
Das Motiv des Quadrates ist nicht lediglich neutral, es besitzt zahlreiche kulturelle wie psychisch bedingte Assoziationen, man denke nur an die indianische Kunst Amerikas. Kosmische Vorstellungen von Himmel und Erde oder den vier Himmelsrichtungen werden angesprochen, bis hin zur Idee, dass ein Mensch mit ausgestreckten Armen einem Quadrat eingeschrieben sein kann (wie in einer Zeichnung von Leonardo da Vinci nach Vitruv). Es besitzt gegenüber den Adobes einen meditativen Charakter und lädt, wie bei einem Mandala, bei dem Kreis und Quadrat bestimmende Formen sind, zur Konzentration und zum ruhigen Betrachten ein. So können umso mehr die Farben ihre Wirkung auf den Betrachter entfalten, der das Bild als Ganzes wahrzunehmen vermag. Der Gefahr einer statischen Erscheinung des Bildes wirkte Albers durch das Verschieben der inneren Bildquadrate – manchmal sind es drei, dann vier – aus der Mitte nach unten entgegen. Innerhalb eines Rastersystemes von je zehn waagerech- ten und senkrechten Einheiten, das allen Bildern zugrunde liegt, ergab sich eine Fülle von Möglichkeiten, die Quadrate von Bild zu Bild in unterschiedlichen Abständen zu platzieren und mit Farben je eigener Gewichtung zu besetzen. Mit der Verlagerung der Mitte nach unten arbeitete Albers auch dem Eindruck von zentralperspektivisch sich lediglich nach innen hin verjüngenden Quadraten oder Raumsegmenten entge- gen, deren Ecken wie bei einer Konstruktion alle auf denselben Diagonalen liegen. Vielmehr scheinen die Quadrate je nach ihrer Farbigkeit vor oder zurückzuspringen, kleiner oder grösser zu werden, ja selbst bisweilen die Gestalt von Hochrechtecken anzunehmen. Die Raumhaltigkeit, welche die Farben selbst eröffnen, wird somit wie- der in die Fläche zurückgeführt. Damit konnte er die Wechselwirkung der den einzel- nen Feldern zugewiesenen und so voneinander abgegrenzten Farben aufeinander steigern und deren unerschöpfliche Veränderbarkeit demonstrieren. Es ging ihm um die „Interaction of Color“, so auch der Titel seines 1963 erschienenen Buches, um den Zusammenklang der Farben in einem Bild.
Die Beispiele dieser Werkgruppe reichen von Farbproben bis hin zum durchgearbei- teten Werk, das dem Anspruch eines Gemäldes in Nichts nachsteht. So paradox es erscheinen mag, gerade in den hier vorgestellten Arbeiten auf Papier werden Albers’ Fähigkeiten als Maler fassbar, und zwar wesentlich stärker, als dies bei seinen auf Hartfaserplatten ausgeführten Gemälden der Fall ist. In den Malereien auf Papier tritt zwar die Handschrift des Malers durch das Arbeiten mit Messer oder Spachtel zurück, mit denen Albers die ungemischten Tubenfarben satt aufträgt, doch erhalten die Oberflächen gleichzeitig ein Relief von nahezu gestischem Ausdruck. Es trägt zur Lebendigkeit der Bilder bei und steigert die Materialität der Farbe, die auf diese Weise zu sich selbst kommt. Das dicke Löschpapier entzieht den Farben das Öl und verleiht ihnen eine lichthaltige, seidig schimmernde Präsenz.
In die Ausstellung sind die beiden Werke von Josef Albers integriert, die sich im Kunstmuseum Basel befinden. Aus der Zeit seiner Tätigkeit am Bauhaus stammt das Glasbild Fuge von 1925 (Inv. G 1958.64, Depositum der Freunde des Kunstmuseums Basel). Ein frühes Beispiel aus der Folge der Homage to the Square stellt das Ge- mälde Blue Call von 1956 dar (Inv. G 1968.24).
Die Ausstellung wurde organisiert durch das Josef Albers Museum Quadrat, Bottrop, und die Staatliche Graphische Sammlung München.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (deutsche und englische Ausgabe), erschienen im Hatje /Cantz Verlag, mit Texten von Isabelle Dervaux, Heinz Liesbrock und Michael Semff, zum Preis von CHF 45.-
Christian Müller
Pressestelle Kunstmuseum Basel Christian Selz
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