Plastiktüte, Kinderspielzeug, PET-Flasche, Lebensmittelverpackungen … Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat das Erdöl-basierte Material seinen Siegeszug durch die Konsumwelt angetreten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es ist preiswert, einfach in der Verarbeitung und nimmt fast jede gewünschte Eigenschaft an. Heute werden weltweit pro Sekunde 8000 kg Kunststoffe hergestellt. Unser Alltag ist voll von Plastik. Was aber passiert mit einem Plastikprodukt nach dem Ende seines Lebenszyklus? Ein großer Teil dieser Produkte landet unkontrolliert in unserer Umwelt und schließlich in unseren Meeren und verwandelt diese schleichend in eine globale Plastiksuppe. Jedes Jahr gelangen mehr als 6,4 Millionen Tonnen Abfälle in die Ozeane. 80 Prozent dieser Abfälle stammen vom Land. Bereits heute gibt es keinen Quadratkilometer Meerwasser, der frei ist von Plastikteilen. Obwohl nur ein kleiner Teil davon an der Oberfläche treibt, bilden sich aufgrund der Meeresströmungen gigantische Plastikstrudel. Die derzeit umfangreichste dieser schwimmenden Inseln befindet sich im Pazifik und hat bereits die Größe von Mitteleuropa erreicht. Da herkömmliches Plastik nicht biologisch abbaubar ist, wird er in immer kleinere Stücke aufgebrochen und gelangt schließlich sogar in die Nahrungskette. So findet der Mensch den Müll am Ende auf dem Teller wieder, mit gravierenden Konsequenzen für die Gesundheit.
Die AusstellungZentrum der Ausstellung „Endstation Meer?“ und Symbol für die ökologische Katastrophe ist eine Installation von Plastikschwemmgut aus verschiedenen Weltmeeren. Hauptsächlich stammt es aus Strandsäuberungen auf Kaho’olawe (einer unbewohnten Insel auf Hawaii), auf Fehmarn (Ostsee) und auf beliebten Nordsee-Insel Sylt. An den gezeigten Stücken lassen sich Herkunft, Lebenszyklus, Sinn und Unsinn der Plastikprodukte nachvollziehen. Neben rätselhaften Gegenständen aus der Fischereiindustrie findet man die Reste wohlbekannter Alltagsobjekte wie Plastikbecher oder Zahnbürsten, die sichtbare Spuren des Treibens im Salzwasser und des Zusammentreffens mit Meeresbewohnern aufweisen. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung den Hintergrund des Problems und seine fatalen Auswirkungen auf Meere, Tiere und Menschen. Die verbreitetesten Kunststoffe werden vorgestellt, Fragestellungen zu Konsum, gesundheitlichen Risiken, Mikroplastik, Materialkreisläufen oder Biokunststoffen beleuchtet. Außerdem werden lokale und internationale Lösungsansätze im Sinn von Reduzieren, Umnutzen oder Wiederverwerten präsentiert. Diese sollen zum Nachdenken und letztlich auch zum Handeln anregen.
1. Thema: Plastik im MeerEintauchen: Die fotografisch und zeichnerisch umgesetzte Animation von Tamara Aepli simuliert die Situation von Plastikobjekten im Wasser und führt vor, wie Plastik in den marinen Lebensraum eindringt, sich integriert und weshalb Plastik von Tieren mit Nahrung verwechselt wird.
Archäologie der Zukunft: Auch Jahrhunderte nach unserer Zeit finden sich Plastikobjekte von heute an Stränden oder im Meer. Als Zeugen unserer Zivilisation werden sie so langfristig zu archäologischen Objekten. Studierende der Vertiefung Scientific Visualization an der Zürcher Hochschule der Künste haben Schwemmgutobjekte aus Hawaii zeichnerisch untersucht, als wären es Funde aus der Bronze- oder Steinzeit. Die Darstellungen eröffnen einen faszinierenden Blick auf die an sich wertlosen Plastikabfälle.
Plastikmüllstrudel: In den Meeren existieren großräumige dreidimensionale Strömungssysteme, die durch die Erdrotation, Windbewegungen, Druck-, Temperatur- und Salzgehaltunterschiede sowie die Topografie des Meeresgrundes entstehen. Die sogenannten oberflächlichen Meeresströmungen, welche vor allem durch Windbewegungen gelenkt werden, führen in fünf Bereichen der Weltmeere zur Bildung von großen kreisförmig rotierenden Wasserwirbeln. Die stillen Zonen innerhalb dieser Wirbel sind als »Garbage Patches« bekannt, weil sich dort besonders viele schwimmende Plastikobjekte konzentrieren. Einmal im Wirbel angelangt, dreht das Schwemmgut oft über Jahrzehnte seine Runden und zerfällt durch Reibung und Lichteinwirkung in immer kleinere Stücke.
Plastikmüll im Meer: Was passiert mit Plastikobjekten, die ins Wasser gelangen? Leichte Kunststoffstücke treiben an der Oberfläche und werden von den Strömungen über weite Strecken und große Zeiträume mitgetragen. Ein Teil davon wird an die Küsten gespült. Plastikarten, deren Dichte höher ist als diejenige von Meerwasser, sinken auf den Meeresboden. Ein großer Teil des Kunststoffes wird aber auch von Tieren gefressen. Vom Problem des Plastikmülls im Meer sind nicht nur Anrainerstaaten betroffen, sondern auch Länder, die über keine Meeresküsten verfügen. Schätzungsweise 80 Prozent des Abfalls gelangt über Flüsse vom Land ins Meer.
Auswirkungen auf die Tierwelt: Viele Tiere verwechseln Plastikstücke mit Nahrung. Vögel fressen PET-Flaschendeckel, Feuerzeuge sowie verschiedene Plastikbruchstücke. In Schildkrötenmägen von tot aufgefundenen Tieren wurden auffällig viele Überbleibsel von Plastiktüten gezählt. Je nach Form und Funktionsart der Speiseröhren und Mägen der Tiere können die unverdaulichen Stücke nicht mehr ausgeschieden werden, was zu Verhungern mit vollem Magen, Ersticken oder inneren Verletzungen führt. Eine wichtige Dokumentation dieses Phänomens ist Chris Jordans Arbeit Midway: Message from the Gyre. Planktonfressende Organismen nehmen mit ihrem natürlichen Futter auch Mikroplastik auf. Untersuchungen von Wasserproben aus dem nördlichen Pazifik ergaben, dass in der oberen Meerwasserschicht stellenweise 46mal mehr Plastik als Plankton vorkommt.
Mikroplastik: Wie sich die Aufnahme von Plastikteilen über die Nahrung auf die verschiedenen Stufen der Nahrungskette auswirkt, ist heute noch nicht absehbar. Da Kunststoffe zum Teil gefährliche Zusatzstoffe enthalten und sich gewisse Schadstoffe auf dem Plastik anreichern, werden weitreichende Folgen vermutet. Forschungen an Muscheln haben bereits gezeigt, dass Mikroplastikteile auch ins Gewebe von Filterorganismen aufgenommen werden können. In der Installation The Mermaid’s Tears kombiniert das Künstlerduo Richard und Judith Lang Großaufnahmen von Plastikpellets mit einem Sandtisch, auf dem die Situation von Mikroplastikstücken am Strand nachgestellt ist. So wird direkt erfahrbar, wie schwierig es ist, Sandkörner von Plastikstücken zu unterscheiden.
Polymeer: Die Bildergeschichte Polymeer von Alexandra Klobouk erzählt die apokalyptische Utopie eines überschwemmten Europas im Jahr 2043. Da die Pole geschmolzen sind, steht Holland unter Wasser, und die Schweizer Berge werden zum letzten Zufluchtsort. Vor der Beengtheit des alpinen Refugiums rettet letztlich der Plastikmüll, der überall durch die Meere treibt: Mit einem riesigen Plastik- Magnet wird dieser an einer Stelle gesammelt, damit daraus eine bewohnbare Insel wird. Die Bildergeschichte bietet am Ende des Ausstellungsteils »Plastik im Meer« einen düster-vergnüglichen Ausblick in die Zukunft.
2. Thema: Plastik im AlltagInstallation Plastik im Alltag: In Westeuropa werden pro Kopf und Jahr rund 92 Kilogramm Kunststoff verbraucht, mit steigender Tendenz. Weltweit liegt dieser Verbrauch bei etwa 35, in der Schweiz bei 120 Kilogramm. Der größte Teil des Kunststoffabfalls stammt aus der Verpackungsbranche, wobei zwei Drittel aus Haushaltungen und ein Drittel aus Industrie und Gewerbe stammen. Außer PET-Flaschen wird in der Schweiz nur wenig Kunststoff recycled. Die Installation zeigt einen Querschnitt unseres täglichen Kunststoffkonsums und veranschaulicht, wie groß das Potenzial für vermehrtes Kunststoffrecycling wäre.
Materialkunde Kunststoffe: Es ist erstaunlich, wie sehr Kunststoffe unseren Alltag durchdringen – sie scheinen unvermeidbar zu sein. Die Beliebtheit von Plastik erklärt sich nicht nur durch seine tiefen Produktionskosten, sondern auch durch seine zahlreichen praktischen Eigenschaften wie geringes Gewicht, Säureresistenz oder Biegsamkeit. Darüber hinaus fördern Kunststoffe mit ihren flexiblen Eigenschaften technologische Innovationen und führen insbesondere in den Be-reichen Medizin, Gebäudetechnik sowie in der Konstruktion von Flugzeugen und Automobilen zu neuartigen Lösungen. Genauso erstaunlich ist es aber, wie wenig wir oftmals über diese Materialien wissen. Dieser Ausstellungsteil gibt einen Überblick über die häufigsten Plastikarten und zeigt auf, wie man diese erkennt, wo sie zur Anwendung kommen, und welche giftigen Zusatzstoffe enthalten sein können. Achten Sie bei ihrem nächsten Einkauf auf Material und Recyclebarkeit der Produkte.
Plastik: Der schnelle Konsum: Die in den 1960er Jahren eingeführte Plastiktüte gilt als das Symbol der Konsumgesellschaft. Weltweit werden pro Jahr ca. 600 Milliarden Plastiktüten hergestellt, das entspricht ca. 20.000 pro Sekunde. Dabei werden die Tüten oft nur einmal verwendet. Vor allem die dünnen Plastiksäcke stellen ein gravierendes ökologisches Problem dar. In einigen Ländern wie Frankreich, Indien oder China sind Plastiktüten inzwischen generell oder in der leichten Version verboten. Gleiches gilt für Verpackungen und Take Away-Behälter, für die ca. ein Drittel des weltweit produzierten Plastiks eingesetzt wird. Dabei besteht ein starker Kontrast zwischen der Kurzlebigkeit des Produkts und der Langlebigkeit der Verpackung von bis zu mehreren hundert Jahren. Viele Detailhändler und auch Fast Food-Ketten bemühen sich schon um umweltfreundlichere Alternativen, aber auch individuell lässt sich einiges tun.
Zusatzstoffe: Einige Arten und Anwendungen von Kunststoffen sind nicht nur für die Meere gefährlich, vielmehr birgt der tägliche Umgang mit Plastik Gefahren für unsere Gesundheit. Immer wieder wird über bedenkliche Zusatzstoffe diskutiert, insbesondere in Bezug auf bestimmte Weichmacher und Bisphenol A, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Dieser Ausstellungsteil vermittelt den aktuellen Stand der Diskussion und zeigt, welche Produkte man besser meidet und wie unbedenkliche Varianten gekennzeichnet sind.
Mikroplastikpartikel: Neuere Untersuchungen zeigen, dass Textilien aus Fleece oder anderen synthetischen Fasern bei jedem Waschgang bis zu 1900 Kunststofffasern verlieren. Gleiches gilt zum Beispiel auch für Peeling-Produkte, die oft Mikroplastikkügelchen aus Polyethylen enthalten. Diese Mikropartikel (kleiner als 5 mm) gelangen meist ungefiltert in die Meere, verschmutzen die Strände oder dringen mit Schadstoffen angereichert in die Nahrungskette ein. Produkte aus Naturmaterialien sind hier eine wichtige Alternative.
Materialkreisläufe Kunststoffe: Überproduktion und Überkonsum führen zu Unmengen von Abfall. Was aber, wenn dieser von Anfang an vermieden oder als neuer Rohstoff verstanden wird? Das Denken in Kreisläufen bietet ganzheitliche Ansätze für Designer, Produzenten und Konsumenten. Gerade im Bereich von Kunststoffen, die auf wertvollem Erdöl basieren, können Materialkreisläufe auch ökonomische Anreize für Produzenten bieten. Neben Strategien des Recyclings werden drei solcher Ansätze vorgestellt: Die Ökobilanz, das Cradle to Cradle-Prinzip »von der Wiege zur Wiege« und Zero Waste – die Vision einer Zukunft ohne Abfall.
Biokunststoffe: Biokunststoffe bieten eine Alternative zu erdölbasierten und nicht abbaubaren Kunststoffen. Doch was genau bedeutet dieses „Bio“ und wo kommen Biokunststoffe im Alltag vor? Hier wird erklärt, was Biokunststoffe sind, welche Vor- und Nachteile sie haben, in welchen Produkten sie uns begegnen und wie damit Marketing betrieben wird.
Die internationale Tournee: Im Anschluss wird die Ausstellung von Hamburg aus weiter durch Europa touren mit Stationen in den Niederlanden, Finnland, Dänemark und in weiteren Ländern.
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