Joseph Anton Koch: Serpentara-Landschaft mit Zug der Hl. Drei Könige, 1820, Öl auf Eichenholz  Düsseldorf, Stiftung Museum Kunstpalast  Foto: Stiftung Museum Kunstpalast – Horst Kolberg – ARTOTHEK Joseph Anton Koch: Serpentara-Landschaft mit Zug der Hl. Drei Könige, 1820, Öl auf Eichenholz Düsseldorf, Stiftung Museum Kunstpalast Foto: Stiftung Museum Kunstpalast – Horst Kolberg – ARTOTHEK - Mit freundlicher Genehmigung von: TirolerLandesmuseen

Was: Ausstellung

Wann: 26.09.2014 - 22.02.2015

Ausstellung „Joseph Anton Koch“ bis 22. Februar verlängert

Tobende Wasserfälle und scharfkantige Berge. Liebliche Almen und unberührte Wälder. Joseph Anton Kochs romantisch-heroische Landschaftsdarstellungen gewähren großzügige Naturansichten. Sie sind Ikonen des Auflebens der Wertschätzung der sogenannten altdeutschen Malerei und haben den Historienmaler berühmt gemacht…

Ausstellung „Joseph Anton Koch“ bis 22. Februar verlängert

Tobende Wasserfälle und scharfkantige Berge. Liebliche Almen und unberührte Wälder. Joseph Anton Kochs romantisch-heroische Landschaftsdarstellungen gewähren großzügige Naturansichten. Sie sind Ikonen des Auflebens der Wertschätzung der sogenannten altdeutschen Malerei und haben den Historienmaler berühmt gemacht. „Mit dieser Ausstellung wollen wir Kochs Werke religiösen Inhalts in den Mittelpunkt stellen und eine bislang eher unbeachtete Entwicklung schlüssig präsentieren. Den reichen Bestand des Ferdinandeum an Zeichnungen Kochs sowie herausragende Gemälde des Künstlers stellen wir in Kontext mit Arbeiten der Nazarener. Zudem beleuchten wir natürlich auch die als bekannt geltenden Werke und kommen zu teilweise neuen Bewertungen“, hält PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, fest.

„Die Schau zeigt, dass Koch seiner Zeit voraus ist. Das Verhältnis zwischen Koch und den Nazarenern ist ambivalent. Die Hinwendung zum Mittelalter und zur Religion eint sie. Sie kommen allerdings künstlerisch zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen“, bringt Dr. Helena Pereña, Kuratorin der Ausstellung und Hauptkuratorin der Tiroler Landesmuseen, ihre Erkenntnisse auf den Punkt. Der 175. Todestag des Künstlers ist ein willkommener Anlass für eine große Retrospektive – die letzte Einzelausstellung liegt zudem bereits 25 Jahre zurück.

Italienreise als Impuls für ErneuerungJoseph Anton Koch verdankt seinen Durchbruch einer Italienreise 1803. Angeregt durch die Malerei der alten deutschen Meister wie Albrecht Dürer, der Altniederländer wie Joachim Patinier, der Florentiner Giotto und Orcagna sowie der Meister der Renaissance, Benozzo Gozzoli, Michelangelo und Raffael, führt Koch eine grundlegende Erneuerung der religiösen Kunst herbei. Gezielt kombiniert er Mittelalterliches mit Zeitgenössischem; er mischt auf kreative Weise Giotto mit Raffael und klassizistischen Vorbildern. Die Suche nach einem historisch korrekten Stil ist ihm fremd, genauso wie der barocke Illusionismus. Geeignete Themen findet er in der Bibel, in der Mythologie und in Dantes „Göttlicher Komödie“. Er setzt sich über die künstlerischen Konventionen seiner Zeit hinweg und bereitet damit der Künstlergruppe der Nazarener den Weg. Die Ausstellung eröffnet Querverbindungen zwischen Kochs Arbeiten und seinen Vorbildern, die der Künstler in Rom, Pisa, Florenz und Assisi vorfindet, u. a. durch Filmeindrücke eines heutigen Reisenden an eben diese Orte.

Die NazarenerAls 1809 eine Gruppe von jungen Kunststudenten den Lukasbund in Wien gründet, ist Koch bereits 41 Jahre alt. Der Bund gilt als Geburtsstunde der „Nazarener“ – einer Bezeichnung für Maler des 19. Jahrhunderts, die eine Wiederbelebung der religiösen Kunst anstreben. Die verstärkte Suche nach religiöser Erfahrung ist symptomatisch für die Wertkrise nach den Napoleonischen Kriegen und dem Wiener Kongress. Es ist die Zeit der Bildung der Nationalstaaten. Die Nazarener setzen sich für die Deutsche Nation ein. Religion und Vaterland, häufig in unmittelbarem Zusammenhang gesehen, liefern Motive für ihre Kunst. Ihr Blick richtet sich vermehrt auf die Vergangenheit, in der sie nach „historischer Wahrheit“ suchen.

Der Individualist KochDie Ausstellung macht deutlich, dass Koch bereits früh für sich das Mittelalter als stilistisches und thematisches Vorbild entdeckt. Breite Bilderzählungen, die Liebe zum Detail, harte Formen und starke Farbigkeit finden sich bei ihm wieder. Von den Nazarenern, mit denen Koch in freundschaftlichem Kontakt steht, wird er als Vorbild angesehen – der Maler Ferdinand Olivier bezeichnet ihn als Stammvater. Die Hinwendung zum Mittelalter, zur Religion und zu Friedrich Schlegel verbindet sie. Gemeinsame Projekte wie eine Bilderbibel und die Fertigung der Fresken für die Villa von Marchese Carlo Massimo in Rom zeugen von der Nähe. Ihr Verhältnis zueinander bleibt aber ambivalent. Die „sentimentalen, religiösen Süßigkeiten“ der Nazarener – wie Koch sie nennt – bleiben ihm suspekt.

Eine starke Verbindung besteht zwischen Koch und den Nazarenern in Bezug auf Themenkomplexe und bestimmte stilistische Merkmale, die jedoch völlig anders eingesetzt werden. Koch bewahrt sich hohe Eigenständigkeit. Neben den Landschaften zeichnet er sich auch als exzellenter Figurenmaler aus. Seine unzähligen Skizzen zeugen von einer akribischen Arbeitsweise. Scharfe Umrisse bei Figuren, die er zudem auch im Hintergrund oft gerne präzise darstellt, und der Verzicht auf den perspektivischen Illusionismus unterscheiden Koch von den Zeitgenossen und sind den Nazarenern näher. Trotzdem hat z. B. der bunte, detailreiche „Zug der Hl. Drei Könige“ nichts Nazarenisches an sich. Aus den mittelalterlichen Anregungen entsteht hier ein kantiges, kraftvolles Gemälde – ein „typischer Koch“. Auch seine dicht gedrängten Erzählungen mit mehreren Szenen, wie der Tiroler Wahlrömer sie in der „Geburt Christi“ und der „Flucht nach Ägypten“ einsetzt, widersprechen der nazarenischen Forderung nach leichter Verständlichkeit.

Die Bibel in BildernKochs Bilder mit Bibelszenen werden in der Ausstellung in Beziehung zum Mittelalter gesetzt. Der Altar von Schloss Tirol (um 1370-1373), ein gotisches Meisterwerk in der Sammlung des Ferdinandeum, zeigt in sechs Szenen die Heilsgeschichte Jesu und ist ein historisches Denkmal für die Geschichte des Landes Tirol. Die Einflüsse Kochs und der Nazarener lassen sich bis zu den Bildtafeln im 20. Jahrhundert verfolgen, die im Religionsunterricht verwendet wurden.

Der Dante-FachmannGroße Faszination übt Dantes „Göttliche Komödie“ auf Koch aus. Ab 1801 setzt sich der Maler damit künstlerisch auseinander. Mehr als 200 Zeichnungen, fast ausschließlich Szenen aus der dramatischen Höllenfahrt, entstehen bis zu seinem ersehnten Dante-Großprojekt für das Casino Massimo. Von 1826 bis 1828 arbeitet der Maler an Szenen aus der Hölle der „Göttlichen Komödie“ für die Seitenwände der Villa. Im Gegensatz zum Romantiker und Nazarener Peter Cornelius, der für die Fresken Dantes Paradies mit religiösem Schwerpunkt fertigt, ist Kochs Bild von lebhafter Theatralik und fantastischen Momenten bestimmt. Die Ausstellung im Ferdinandeum zeigt Ideenskizzen und Entwürfe zum Wandbild im Casino Massimo sowie Zeichnungen und Radierungen zur „Göttlichen Komödie“.

Koch und das FerdinandeumDas Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum besitzt heute eine der größten Sammlungen von Zeichnungen Kochs. Sie reichen vom frühesten erhaltenen Werk bis zu den letzten Landschaftskompositionen, die Koch auf Bestellung kopierte. In der Ausstellung werden die Bestände zum ersten Mal im gesamten Umfang gezeigt. Das Verhältnis zwischen Künstler und Museum ist anfänglich von Schwierigkeiten geprägt. Schon bald nach der Gründung als „Tirolisches Nationalmuseum“ 1823 trägt sich das Ferdinandeum mit dem Gedanken, ein Gemälde des berühmten Koch zu erwerben.

Zunächst soll Kochs „Tiroler Landsturm im Jahre 1809“ angekauft werden. Es zeigt Andreas Hofer mit Josef Speckbacher und Pater Joachim Haspinger, umringt vom sich gegen die Obrigkeit auflehnenden Volk in Tracht – eine Idealisierung des vermeintlich frommen, unverdorbenen „heiligen Landes“ Tirol. Zum Ankauf kommt es jedoch aus Angst vor politischen Folgen nicht, hat Koch in der zweiten Fassung des Bildes eine Kritik an den Kaiser versteckt. Als Detail malt er das Wolkersdorfer Handbillet vom Mai 1809, in dem der Kaiser zusagt, Tirol nie von Österreich abtrennen zu wollen – ein Versprechen, das der Herrscher nicht halten kann. Koch geht es jedoch nicht darum, den Kaiser wegen 1809, sondern wegen 1815 zu tadeln: Denn die neue Tiroler Landesverfassung schränkt nach dem Wiener Kongress die Privilegien des Landes zugunsten des Zentralstaates deutlich ein.

1828 kommt es schließlich zur ersten Erwerbung des Gemäldes „Ruth und Boas“, das jedoch nicht gefällt und mit „zu kleinteilig“ und „perspektivisch nicht überzeugend“ kritisiert wird. Nach einem Personalwechsel 1836 im Museum, mit dem neuen Kustos Alois Flir, findet Koch Anerkennung: „Macbeth und die Hexen“, „Landschaft mit Apoll unter den Hirten“ sowie der „Landsturm“ werden in die Sammlung aufgenommen. Die politischen Anspielungen verblassen durch den zeitlichen Abstand. In der Folge gelangen immer mehr Arbeiten aus der Hand Kochs ins Ferdinandeum. Schließlich findet Koch als Büste einen Ehrenplatz auf der Fassade des Museums.

Mythos TirolAnhand ausgewählter Bilder, Briefen des Künstlers, handschriftlicher Zeugnisse sowie Entwürfen zum Andreas-Hofer- Denkmal erörtert die Ausstellung die politische Dimension des aufkommenden Nationalismus im 19. Jahrhundert. Die Autografen, die sich im Ferdinandeum befinden, werden anlässlich dieser Schau zum Teil erstmals, auch in Abschrift, in der Begleitpublikation veröffentlicht. Im Vordergrund steht ein kritischer Blick auf die Entwicklung des Mythos „Tirol“. Interessant ist zu sehen, wie Koch die Idealisierung Tirols unterstützt und er hier im Einklang mit Zeitgenossen wie Joseph Görres, Joseph von Giovanelli und Joseph von Hormayr agiert.

Von den Vordenkern wird Tirol vor allem durch die katholische Religion definiert. Für die Darstellung dieses Aspekts eignet sich besonders die vormoderne Sicht auf das Land, in Anlehnung an das Mittelalter. Koch wird nicht nur aufgrund seiner Herkunft, sondern auch aufgrund seiner Motive und Haltung als „vaterländischer Maler“ gesehen. Zahlreiche Zeugnisse Kochs verdeutlichen, wie sehr er „politische Freiheit“ mit „Tiroler Gesinnung“ gleichsetzt. Interessant ist, dass Koch zeitlebens seine Tiroler Herkunft betont, was u. a. in seiner Signatur „Koch Tyrolese“ bzw. „Giuseppe di Tir[o]l“ zum Ausdruck kommt.

Herausragendstes Beispiel für die Idealisierung Tirols durch Koch ist der „Tiroler Landsturm“. Es handelt sich dabei um ein Auftragswerk im Namen des preußischen Ministers Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, der bei den Koalitionskriegen Militärdienst unter der preußisch-österreichischen Allianz leistete. Tirol soll als Gegenbild Frankreichs verherrlicht werden. Im Bild ist ein Hirte aus dem Ötztal zu sehen, der seinen Fuß auf einen toten Franzosen stellt, der heilige Reliquien schändet. Durch Elemente wie zum Beispiel dem erhobenen Kruzifix, dem Erzengel Michael auf dem Brunnen, den Freiheitskämpfern, der Fahne mit der Aufschrift „Das Land Tirol“ und dem unberührten Bergpanorama zeigt Koch die Verbindung zwischen Gott, Mensch und Natur auf. Als Gesamtbild manifestiert sich das „heilige Land“. Auch die Tracht setzt der Künstler als Tirol-Stereotyp ein. Da Koch mit etwa vierzehn Jahren seine Heimat für immer verließ, greift er für die Gestaltung der Trachten auf Vorlagen Joseph Amsters zurück, die ebenso in der Ausstellung zu sehen sind.

Neuentdeckte Napoleon-KarikaturDer religiöse Koch ist ein interessierter Beobachter des tagespolitischen Geschehens. In Straßburg verbringt er einige Zeit im Kreise der Revolutionäre, bevor er sich von den Idealen der Französischen Revolution abwendet. Seine „Karikatur von Napoleon nach dem Brand von Moskau“, 1813, ist Ausdruck seiner Ablehnung des französischen Herrschers. In der apokalyptischen Darstellung zeigt er Napoleon als heidnischen „Tyrannen“ mit seinen Alliierten. Die Fürsten sind nackt, ihre Kronen teilweise fest an den Kopf gebunden. Der König von Württemberg ist mit Schmeerbauch und Rauchfass ausgestattet. Der König von Bayern opfert bayerische Nudeln hinter einem überschäumenden Bierkrug. Die vielen Opfer des Bundes stellt Koch als Totenkranz dar. Darüber steht zwischen den Guillotinen und der Jakobinermütze der Französischen Revolution der ironische Kommentar: „Alles für das Wohl der Menschheit […]“. Dieses eindrucksvolle Sammlungsstück des Ferdinandeum wird als eine weitere Facette Kochs in der Schau gezeigt – eine Neuentdeckung, die bisher weder veröffentlicht noch ausgestellt wurde.

ThemenführungenÜber die Ausstellung hinaus können sich Interessierte bei neun Themenführungen – u. a. zum „Tiroler Landsturm“, zur Museumsgeschichte, zur Ausstellungsgestaltung oder Papierrestaurierung – in das Œuvre Joseph Anton Kochs vertiefen. Für Kinder werden der Familien-Rundgang „Reise nach Bethlehem“ und die Kinder-Werkstatt „Fantasielandschaften“ angeboten. Auch für die Schulen gibt es eigene Angebote zum Thema Joseph Anton Koch.

 

Joseph Anton Koch. Der erste Nazarener?  Landschaft mit Ruine, um 1792 bis 1794; Aquarell, Feder in Grau, 308 x 453 mm  © TLM Joseph Anton Koch. Der erste Nazarener? Landschaft mit Ruine, um 1792 bis 1794; Aquarell, Feder in Grau, 308 x 453 mm © TLM - Mit freundlicher Genehmigung von: TirolerLandesmuseen / Tiroler Landesmuseen Joseph Anton Koch. Der erste Nazarener?  Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, 1820-1825, Öl auf Nussbaumholz Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe Baden-Württembergische Bank  © Staatsgalerie Stuttgart Joseph Anton Koch. Der erste Nazarener? Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, 1820-1825, Öl auf Nussbaumholz Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe Baden-Württembergische Bank © Staatsgalerie Stuttgart - Mit freundlicher Genehmigung von: TirolerLandesmuseen / Tiroler Landesmuseen
Tags: Biedermeierzeit, Joseph Anton Koch, Landschaften, Landschaftsmalerei, Nazarenern, österreichischer Maler, Tirol

Di – So 9 – 17 Uhr, geschlossen am 5. Oktober, 25. Dezember und 1. Jänner
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BEGLEITPUBLIKATIONZur Ausstellung erscheint der Katalog „Joseph Anton Koch. Der erste Nazarener?“ mit einem Vorwort von Wolfgang Meighörner sowie Beiträgen von Helena Pereña, Peter Prange, Cornelia Reiter, Roland Sila und Agnes Thum. Die Publikation beinhaltet zahlreiche Fotos und einen Katalog mit den ausgestellten Objekten. 232 Seiten, ISBN 978-3-7099- 7161-1, Preis € 24,90.