Auf welche Weise industrielle Produktion vor sich geht bleibt meistens unsichtbar – für die, die nicht darin arbeiten sind Fabriken unzugängliche Orte. Die Herstellung von Gütern ist auch deshalb aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, nachdem zahlreiche Werke in den letzten Jahrzehnten in Österreich geschlossen und die Fertigung in andere Länder verlagert wurde. Ehemalige industrielle Betriebsanlagen verfallen oder werden umgewidmet.
Die KünstlerInnen in der Ausstellung gehen unter anderem folgenden Fragen nach: Wie zeigt sich Fabriksarbeit heute und wie hat sie sich verändert? Auf welche Weise findet diese in verschiedenen geographischen Regionen statt? Wie schreibt sich die Arbeit an Maschinen in den Körper der Arbeitenden und deren Bewegungsabläufe ein? Welche Auswirkungen hat industrielle Produktion auf Landschaft und Umwelt? Wie stellen sich Räume dar, aus denen die Arbeit verschwunden ist?
Elisabeth Czihak zeigt in ihrer Serie „Ankerbrotfabrik“ (2009) Räume, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben. Zu sehen sind leergeräumte Hallen vor ihrer Umwidmung, in denen nur noch Relikte wie Maschinen, Mehlhaufen und Warnschilder an die frühere Lebensmittelproduktion erinnern.Anatoliy Babiychuk setzt sich in „Bergwerk“ (2008-2010) mit dem Leben seines Vaters auseinander, der 40 Jahre als Bergarbeiter in einem ukrainischen Braunkohlebergwerk gearbeitet hat, und thematisiert zugleich die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung der heutigen Ukraine.Carla Bobadilla erkundet in „Industrie Fotografie“(2007) die Arbeitssituation in verschiedenen Industriebetrieben in den österreichischen Bundesländern, wie etwa Bösendorfer, Funder Max, Staud, Trumer Pils oder Wienerberger.Wie Spielfiguren im großen „Theater“ Industrie wirken die vielen ArbeiterInnen, die Edward Burtynsky in „Manufacturing China“ zeigt. In mehreren chinesischen Provinzen konnte er die schier endlosen Produktionshallen fotografieren, in denen tausende ArbeiterInnen Mobiltelefone, Schuhe oder Textilien herstellen. Michael Goldgruber thematisiert die industrielle Nutzung, Kontrolle und Ausbeutung der Natur. In „Underground Power Control“ (2011) zeigt er das Kraftwerk Kopswerk 2 in Vorarlberg, ein hochmodernes Pumpspeicherkraftwerk, dessen sterile Atmosphäre verbirgt, in welchem Ausmaß hier Naturkräfte beherrscht werden. Birgit Graschopf belichtet ihre Arbeit „Schichten“ (2012) direkt auf die Wand der Galerie: Zu sehen sind einige Ankerbrotfabrik-ArbeiterInnen. In verschiedenen Ebenen übereinander gelagert wird ihr Bewegungsablauf während der Backwarenproduktion sichtbar, den sie in ständiger Wiederholung durchführen.„Die Arbeiter verlassen die Fabrik“ der Brüder Lumière war der erste vorgeführte Film in der Geschichte. Auf ihn bezieht sich Katharina Gruzei mit ihrem Kurzfilm „Die ArbeiterInnen verlassen die Fabrik“ (2012).Der Schauplatz ist die Linzer Tabakfabrik, deren Betrieb 2009 eingestellt wurde. Cornelia Hauer zeigt mit „Gschichten aus der Vöslauer Kammgarn-Fabrik. Ehemalige ArbeiterInnen erzählen“ (2012) eine Textcollage aus Interviews mit pensionierten Beschäftigten des Textilwerks. Die Arbeit im Akkord, die Einbeziehung von ArbeitsmigrantInnen sowie der Konkurs der Fabrik werden dabei besprochen. Die Abhängigkeit unserer Gesellschaft vom Erdöl untersucht Ernst Logar in „Invisible Oil“ (2008). Dem Künstler gelang es, Zugang zu nicht öffentlichen Orten der Nordsee-Erdölindustrie zu erlangen. Dabei entstanden Fotografien, Korrespondenzen mit Erdölfirmen und Skulpturen, die er aus angeschwemmtem Plastikabfall hergestellt hat.Walter Niedermayr zeigt in seinem Diptychon „Raumfolgen 235/2007“ zwei verschiedene Ansichten desselben Raums, eines Tiroler Industriebetriebs, der Gasmotoren und Blockheizkraftwerke herstellt.In Markus Oberndorfers Arbeit „Traces“ (2006) geht es um die veränderte Funktion heute verlassener Industrieanlagen. Leerstehende Fabriken, Industriegebäude oder Lagerhallen verkommen zu „Nicht-Orten“, entwickeln aber ein neues Eigenleben, werden zum Unterschlupf für Obdachlose, zur Leinwand für Graffiti-Sprayer oder zu Schauplätzen geheimer Übergaben. Sascha Reichstein hinterfragt in „Daily Production“ Tradition und Erneuerung, kulturelle Eigenheiten im Zeitalter der globalen Ökonomie. Ihre Fotografien zeigen, wie auf Sri Lanka Lederhosen für Europa hergestellt werden, während in Vorarlberg bestickte Stoffe für Nigeria produziert werden. Thomas Ruff durchforstete für „Maschinen“ (2003-2004) das Bildarchiv einer Werkzeug- und Maschinenfabrik. Aus etwa dreitausend Glasnegativen, Vorlagen für Verkaufsbroschüren, wählte Ruff einen kleinen Teil aus und unterzog ihn einer digitalen und piktoralen Transformation: Gescannt und in neuer Farbgebung freigestellt, wurden aus den kleinen Negativplatten großformatige Bilder.Margherita Spiluttini dokumentiert in ihrer Serie „Nach der Natur“ (1991-2003) „alpine Hybridgebilde zwischen Natur und Kultur“. Es sind Fotos von Zementwerken, Steinbrüchen oder dem Erzberg, die zeigen, wie menschliche Eingriffe die Landschaft prägen. Max Wegscheidler hat Mitte der 1990er Jahre eineinhalb Jahre als Leiharbeiter bei Philips gearbeitet. Nach langer Zeit, in der er sich das Vertrauen seiner Arbeitskollegen erarbeiten musste, konnte er schließlich eine eindringliche Porträtserie realisieren.
KünstlerInnen:Anatoliy Babiychuk (* 1975 in Sosnivka/Ukraine, lebt und arbeitet in Wien) Carla Bobadilla (* 1976 in Valparaíso, Chile, lebt und arbeitet in Wien) Edward Burtynsky (* 1955 in St. Catharines/Kanada, lebt und arbeitet in Toronto) Elisabeth Czihak (* 1966 geboren in Tübingen/D, lebt und arbeitet in Wien) Michael Goldgruber (* 1965 in Leoben, lebt und arbeitet in Wien) Birgit Graschopf (* 1978 in Wien, lebt und arbeitet in Wien) Katharina Gruzei (* 1983 in Klagenfurt, lebt und arbeitet in Linz) Cornelia Hauer (* 1980 in Baden bei Wien, lebt und arbeitet in Wien) Ernst Logar (*1965 in Klagenfurt, lebt und arbeitet in Wien) Walter Niedermayr (*1952 in Bozen, lebt und arbeitet in Bozen) Markus Oberndorfer (*1980 in Gmunden, lebt und arbeitet in Wien) Sascha Reichstein (*1971 in Zürich, lebt und arbeitet in Wien) Thomas Ruff (*1958 in Zell am Harmersbach, Schwarzwald, lebt und arbeitet in Düsseldorf) Margherita Spiluttini (*1947 in Schwarzach, Salzburg, lebt und arbeitet in Wien) Max Wegscheidler (* 1970 geboren in Wien, lebt und arbeitet in Graz)
Kuratiert von Karin Jaschke
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
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