In Rom und im römischen Kulturkreis besaßen Religion, Kult und Götter einen hohen Stellenwert. Auch die sog. orientalischen Gottheiten, deren Ursprünge – vermeintlich oder tatsächlich – im Osten des Imperiums lagen, erfuhren großen Zuspruch. Allen voran der als „unbesiegbare Sonne“ titulierte Lichtgott Mithras, in den Augen der Römer ein Import aus Persien. Zu seinem Kult waren ausschließlich Männer zugelassen. Außerordentlicher Beliebtheit erfreute sich daneben die ägyptische Isis, die als pantheistische Universalgottheit weit reichende Zuständigkeiten besaß und bevorzugt Frauen als Ansprechpartnerin für wichtige Lebensbereiche, z. B. Familien- und Liebesangelegenheiten, diente. Eine breite Anhängerschaft besaß ebenfalls der Kult der aus Kleinasien stammenden Kybele/Magna Mater. Die „große Göttermutter“ wurde in der Zeit des Krieges gegen den karthagischen Feldherrn Hannibal 204 v. Chr. in der Hauptstadt eingeführt. Ihr vielfältiges Wesen umfasste die Rolle einer Schutzherrin Roms ebenso wie Aspekte einer Natur- und Muttergottheit. Als Heimat des martialisch auftretenden und insbesondere auch von Soldaten verehrten Reichsschirmers Iuppiter Dolichenus galt die kleinasiatische Landschaft Kommagene, die als Provinz Syria dem Römischen Reich angegliedert wurde.
Doch was war das „Erfolgsrezept“ dieser sehr verschiedenen, von der Forschung als „orientalisch“ angesprochenen Kulte? Worin bestand ihre Anziehungskraft und Faszination für die Zeitgenossen? In den vieldeutigen Mythologien, welche in erzählfreudigen Bildwerken ihren Niederschlag fanden? In dem exotischen Erscheinungsbild, das manchen Heiligtümern und Priestern zu eigen war? Oder beeindruckten sie durch besondere Kultpraktiken? So waren einige als Mysterienkulte einer Gemeinschaft aus Eingeweihten vorbehalten, welche ein Initiationsritual zu absolvieren und sich einem Schweigegebot zu unterwerfen hatten. Die sog. orientalischen Kulte veranschaulichen in besonderer Weise das breite Spektrum des römischen Polytheismus und das pluralistische Religionsleben im Römischen Reich, das sich durch eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit, Wandelbarkeit und Offenheit auszeichnete.
Auch die Wurzeln der christlichen Religion lagen im Nahen Osten, wenngleich sich das Christentum mit seiner Lehre, seinen Glaubensinhalten und seiner Entwicklungsgeschichte fundamental von den genannten Götterkulten unterschied. Bis zum Ende des 4. Jh. gelang ihm der Aufstieg von der verfemten „Minderheitssekte“ zur alleinigen Staatsreligion des Imperium Romanum. Die Christianisierung veränderte nicht nur das Religionsleben gravierend, sondern initiierte einen Epochenwandel von weltgeschichtlicher Bedeutung, der bis heute die Kultur des Okzidents maßgeblich beeinflusst.
Jüngste kultur- und religionshistorische Forschungen, basierend auf aktuellen archäologischen Erkenntnissen sowie auf der interdisziplinären Neuauswertung von Texten, Inschriften und Bilddenkmälern, sind den zahlreichen ungelösten Rätseln der sog. orientalischen Kulte auf der Spur. Diese neuen wissenschaftlichen Perspektiven vermittelt die Ausstellung, die das Thema erstmals umfassend für die Öffentlichkeit aufarbeitet. In diesem Sinne rekonstruieren ein Spektrum von hochkarätigen Leihgaben aus zahlreichen europäischen Museen, maßstabsgetreue Modellen und in Originalgröße nachgebaute szenische Präsentationen ganzheitlich antike Götterwelten und Weltbilder.