Seit der Altsteinzeit schuf der Mensch meist kleinformatige, abstrakte, stilisierte Figuren nach seinem Vorbild, die in der Wissenschaft seit dem 19. Jahrhundert als „Idole" bezeichnet werden. Die Bezeichnung „Idol" leitet sich vom griechischen und römischen eidolon/idolum ab und bezeichnet ein Bild oder Abbild von etwas. Erstmals in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. bei Homer in Ilias und Odyssee erwähnt, sind die Idole dort Schattenbilder, die die Seele eines Verstorbenen in der Unterwelt darstellen. Herodot, Vater der Geschichtsschreibung, bezeichnet im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinen Historien I,5 erstmals eine weibliche Votivfigur im Heiligtum von Delphi als Idol im Sinne eines Abbildes.
Waren mit Beginn der Renaissance in Rom große Antikensammlungen entstanden, wurde das Interesse in Mittel- und Nordeuropa durch die 1531 im Kloster Hersfeld entdeckte antike Schrift Germania des Tacitus aus der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts n.Chr. geweckt. In diesem Zusammenhang wuchs auch das Interesse an germanischer und slawischer Mythologie. Als Quellen standen zunächst nur die Berichte und Notizen in Chroniken zur Verfügung, was zu fantasiereichen Bildentwicklungen und zur Erfindung von Götzen führte.
Im 18. Jahrhundert setzte allmählich eine wissenschaftliche Erforschung der Idole und Götzenbilder ein. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), der als Begründer der modernen Archäologie gilt, hat sich in seiner Geschichte der Kunst des Alterthums 1764 ausführlich mit dem Ursprung und den Anfängen der Kunst befasst. Im Mittelpunkt stand für ihn dabei das ureigene Interesse der Menschen, sich ein Abbild zu schaffen bzw. sein Umfeld bildlich darzustellen.
Diese Überlegungen bereiteten den Boden für eine gezielte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Idol und Götzenbild". Als um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erstmals Kykladenidole auftauchten, wurden diese zunächst nur gering geschätzt. Johannes Overbeck bezeichnete sie 1857 in der Abhandlung Geschichte der griechischen Plastik noch als „kleine Scheusale aus Marmorsplittern" - ein Passus, der in der zweiten Auflage bereits entfernt wurde. Erst um 1900 entwickelte sich eine andere Sichtweise auf diese frühen Menschen- der Götterbilder. Wie umfangreich dieser Wandel und das künstlerische Interesse schließlich waren, zeigt sich in der Klassischen Moderne: Picasso schätzte die Kykladenidole aufgrund ihrer gelungenen Formen und ihrer Abstraktion höher als Skulpturen des rumänisch-französischen Bildhauers Brancusi (1876-1957), der neben Auguste Rodin die Skulpturen des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusste.
In Nordeuropa gab es durch nur wenige gesicherte Fundkontexte zahlreiche gefälschte Götzenbilder. Besonders bemerkenswert ist die Gruppe der Prillwitzer Idole: Jacob und Gideon Sponholz lockten zwischen 1770 und 1800 mit einer vermeintlichen slawischen Götterfigur - in Wahrheit ein mittelalterlicher Bronzelöwe, den sie mit einer Runeninschrift versehen hatten - potentielle Käufer zahlreicher von ihnen geschaffener Idole an. Erst 1834 gelang der Nachweis der Fälschungen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts traten auch in Mittel- und Nordeuropa Fragen der Systematisierung und Erfassung aller Funde in den Vordergrund. Im Verlauf des Jahrhunderts, als sich durch die Ausgrabungen die Materialbasis vergrößerte, verlor der Begriff „Idol" zunehmend seinen abwertenden Charakter.
Leihgeber: Kunsthistorisches Institut der Freien Universität Berlin, SMPK Antikenmuseum (Berlin), SPK Staatsbibliothek zu Berlin, Akademisches Kunstmuseum Bonn, Museum Burg Bederkesa, Landesamt für Archäologie und Museum für Vor- und Frühgeschichte (Dresden), Skulpturensammlung der Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Stiftung Moritzburg (Halle), Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Hamburger Kunsthalle, Institut für Altertumswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Landesmuseum für Natur und Mensch (Oldenburg), Mecklenburgisches Volkskundemuseum - Freilichtmuseum Schwerin Mueß, Winckelmann-Museum (Stendal), Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie - Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens (Weimar), Klassik Stiftung Weimar - Herzogin Anna Amalia Bibliothek sowie private Leihgeber
Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Franz Rutzen, Ruhpolding und Mainz, mit wissenschaftlichen Beiträgen von Stephanie-Gerrit Bruer, Max Kunz, Nadine Prescher und Gérard Seiterle, 188 Seiten, 236 Abbildungen, davon ca. 200 in Farbe, zum Preis von 24 Euro (38 Euro im Buchandel).
Begleitprogramm zur Ausstellung:
Vorträge:
30. Januar 2010, 12 Uhr Götter, Götzen und Idole: Einführung in die Ausstellung
6. Februar 2010, 12 Uhr Vom Euphrat bis zur Elbe: Bedeutung und Entwicklung antiker Idole
3. April 2010, 12 Uhr „Edle Einfalt und stille Größe"? - Winckelmann und die Welt der Idole
DATE-THE-MUSEUM:
10. März 2010, 19 Uhr Ewige Kult-Stars! Götter, Götzen und Idole im Wandel der Zeit
Kurator: Dr. Frank Hildebrandt, 040/428 134 - 570
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