Mit El Grecos »Entkleidung Christi« ist zum ersten Mal ein Werk der Alten Pinakothek in der Pinakothek der Moderne zu sehen. Das Gastspiel führt ein denkwürdiges Phänomen vor Augen: Um 1910 feierte eine junge expressionistische Malergeneration El Greco begeistert als Propheten der Moderne.München hatte an dieser Sicht auf El Greco gewichtigen Anteil. Die »Entkleidung Christi« wurde bereits 1909 für die Alte Pinakothek erworben und 1911 ebenda mit weiteren Gemälden El Grecos in der einflussreichen Ausstellung der Sammlung Nemes präsentiert. Das beim Publikum sehr beliebte Bild trifft nun – während der sanierungsbedingten Teilschließung der Alten Pinakothek – an neuem Ort auf eine Reihe von Werken expressionistischer Künstler, die sich ausdrücklich mit der Malerei El Grecos identifizierten. Dazu zählen etwa Heinrich Maria Davringhausen, Robert Delaunay, Wilhelm Lehmbruck und Franz Marc.
El Greco in MünchenDoménikos Theotokopoulos, genannt El Greco (»Der Grieche«) wurde 1541 auf Kreta geboren und verbrachte die längste Zeit seines Lebens in Spanien. In diesem Jahr wurde weltweit des 400. Todestages des Künstlers am 7. April 1614 gedacht.
Die Münchner »Entkleidung Christi« ist eine im Format kleinere Wiederholung des berühmten Altarbildes in der Sakristei der Kathedrale von Toledo. 1909 wurde die Münchner Fassung vom damaligen Direktor der staatlichen Galerien in Bayern Hugo von Tschudi erworben und sofort in die Dauerausstellung integriert; schon zu dieser Zeit galt sie als die beste der bekannten Repliken.
Von Juni 1911 bis Januar 1912 hing das Bild in der legendären Ausstellung der Sammlung des Ungarn Marczell von Nemes im Spaniersaal der Alten Pinakothek – neben acht Gemälden El Grecos aus Nemes’ Besitz sowie El Grecos »Laokoon« (heute Washington, National Gallery) als Leihgabe aus einer weiteren Privatsammlung. Viele Künstler haben sich in München vor der »Entkleidung Christi« und in der Ausstellung Nemes erstmals eine konkrete Vorstellung von der Malerei El Grecos gebildet.
El Greco im ExpressionismusEine Reihe von Malern deutete Charakteristika der Werke El Grecos expressionistisch aus – etwa die überlängten Körper, die eigenwilligen, nicht mehr illusionistisch dargestellten Bildräume oder die dramatisch flackernden Lichtinszenierungen. Die Künstler sahen in El Greco einen visionären Außenseiter und legitimierten seine stilistischen Manierismen als genialen Protoexpressionismus.
EL GRECO EXPRESSIV stellt der »Entkleidung Christi« acht Werke von Künstlern des Expressionismus und Nachexpressionismus gegenüber. Darunter findet sich mit »Tirol« von Franz Marc ein Meisterwerk des »Blauen Reiter«. Auch weniger bekannte Künstler wie der Niederländer Adriaan Korteweg oder der Rheinländer Heinrich Maria Davringhausen lassen sich neu entdecken. Davringhausens spektakulärer »Weiblicher Akt in Architekturen« von 1916 wurde jüngst mit Unterstützung von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V. erworben und kann im Rahmen dieser Ausstellung nun erstmals in der Pinakothek der Moderne präsentiert werden.
Kuratoren: Dr. Elisabeth Hipp, Dr. Oliver Kase