Die Ausstellung befasst sich mit Fotografien, Fotobüchern und Zeichnungen des amerikanischen Künstlers Ed Ruscha (geb. 1937).Er hat sich 1965 mit Wohngebäuden in Los Angeles und in der Umgebung der Stadt beschäftigt. Ruscha fotografierte sie und reproduzierte einen Teil dieser Auf- nahmen in seinem dritten Fotobuch Some Los Angeles Apartments. Manche der Fotografien dienten ihm als Vorbild für lineare Bleistift- und Graphitzeichnungen. Letztere lassen sich in ihrem Anspruch und ihrer Ausarbeitung mit monochromen Gemälden vergleichen.
Ruscha hat immer wieder Fotografien zum Ausgangspunkt seiner Arbeit gemacht, sie hatten für ihn die Bedeutung von Readymades. Tankstellen, die er 1962 auf seinen Reisen zwischen Oklahoma City und Los Angeles fotografiert hat, zeigen seinen unprätentiösen Umgang mit diesem Medium. Die Aufnahme der Tankstelle Standard Station Amarillo, Texas diente ihm als Vorbild zahlreicher Druckgrafiken, Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde. Die Motive dieser Werke sind einerseits fotografisch vorgeprägt, andererseits von dem Medium des Filmes, insbesondere dem Cinemascope-Format, beeinflusst. Farbige Studien, die er für die grossformatigen Gemälde Standard Station Amarillo, Texas und Large Trademark with Eight Spotlights von 1962 beziehungsweise 1963 ausgeführt hat, kontrastieren mit den monochromen Zeichnungen der Apartments. Sie zeigen seinen Umgang mit der Farbe, die signalhaft und wie in der Werbung auf wenige Grundfarben, auf Rot, Gelb und Blau, reduziert wird.
Grundfarben, auf Rot, Gelb und Blau, reduziert wird. Die Graphitzeichnungen der Los Angeles Apartments nähern sich in ihrer Monochromie Schwarzweissfoto- grafien an. Sie erinnern ihrerseits an Abzüge auf Fotopapier. Die Fotografie bildet also eine Voraussetzung für die Zeichnungen, indem sie die architektonischen Motive geliefert hat, doch hat auch beim Zeichenvor- gang selbst, wie bei der Fotografie, der Umgang mit Licht und Projektion eine Rolle gespielt. Aus »einfach« gehaltenen Aufnahmen, die bewusst mit einer gewissen Beliebigkeit bis hin zur Sorglosigkeit im Sinne einer Amateurtätigkeit ausgeführt sind, entstehen nun ästhetisierte und idealisierte, zugleich aber irreale Bilder. Die Zeichnungen tendieren regelrecht zu Chiffren, sie dokumentieren nicht, sondern verbildlichen gerade das Gegenteil dessen, was die Fotografie bereithält und für sich beanspruchen kann. Diese verleiht einem bestimmten Zeitpunkt, dem Zufälligen, dem Flüchtigen, dem Momentanen Dauer, hält Architekturen fest und zugleich all jene erzählerischen Einzelheiten, welche damit verbunden sein können, wie parkende Autos oder Wolken am Himmel. So setzt der Künstler mit den beiden Medien auch unterschiedliche Modi ein, um die Apartments von zwei Seiten her zu »beleuchten«. Dabei kommt den Zeichnungen traditionell die Seite der schönen Kunst zu. Den Fotografien jedoch haftet die Idee des Fotojournalismus und der Fotodokumen- tation an, nicht aber die eines auf Ästhetik bedachten, autonomen Kunstwerks. Das Stilmittel ist in beiden Fällen das der Parodie oder der Übertreibung. So wie die Fotografien in Ruschas Buch den Betrachter und dessen Erwartungen »enttäuschen«, weil sie nicht „schön“ sind, brechen die Zeichnungen mit der traditionellen Vorstellung von Zeichnung und Malerei. Die Graphitzeichnungen wirken vielmehr wie ideale Fotografien. Ihre Motive sind ausgewogen komponiert, in Ausschnitten nahe an den Betrachter herange- rückt, »gezoomt«, und alles »Störende«, Autos, Telefon- und Stromleitungen, ist entfernt. Die Fotografien hingegen, die ihre Motive weitgehend unangetastet lassen, können doch schonungslos sein im bildlichen Zugriff bis zur Respektlosigkeit, welche wiederum Züge von distanzierter Beliebigkeit annehmen kann. Bei- de Darstellungsweisen bringen so die Entfremdung der Menschen gegenüber ihrer Umwelt und sich selbst zum Ausdruck. Die Graphitzeichnungen sind abstrakte und realistische Bilder zugleich, die dem Reich der Imagination entstammen. Es sind entmaterialisierte Traumbilder, die sich dem Betrachter immer wieder ent- ziehen, obwohl sie sich auf die Fotografie berufen. Sie sind letztlich ungreifbar, scheinen nur aus Licht und Schatten zu bestehen, nur auf der Oberfläche des Papieres zu existieren. Ruschas Los Angeles Apartments werden so zu Zeichen einer Wohnkultur, die unter Vortäuschung von Individualität und mit uneinlösbaren Versprechungen der Austauschbarkeit und Beliebigkeit das Wort redet. Sie sind daher einfach das, was sie darstellen: Fassaden. »Los Angeles ist für mich wie eine Reihe von Ladenfronten – von der Strasse ausge- hende senkrechte Flächen –, und da ist fast nichts hinter diesen Fassaden. Es ist alles Fassade hier. Das ist es, was mich an dieser Stadt überhaupt interessiert, ihre Fassadenhaftigkeit.« (Ed Ruscha).
Insgesamt werden über 60 Arbeiten des Künstlers, Fotografien, Fotobücher und Zeichnungen, ausgestellt. Darunter befinden sich Leihgaben aus dem Whitney Museum of American Art, New York, dem Museum of Modern Art, New York, dem Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington D.C., der National Gallery Washington D.C., dem Cleveland Museum of Art, der Tate Millbank, London, den Tate and National Galleries of Scotland, von der Gagosian Gallery New York und anderen privaten Sammlern.
Zur Ausstellung erscheint das Buch Ed Ruscha. Los Angeles Apartments im Steidl-Verlag, Göttingen (deutsche und englische Ausgabe).