In der neuen Sonderausstellung treffen erstmals Meisterwerke aus dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt auf Gemälde der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister (MHK). Ausgewählte Barockgemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts führen dabei den Reichtum der beiden Museen vor Augen. Die Gemälde werden jeweils einem Dialogpartner aus der anderen Sammlung gegenübergestellt, so dass sich unerwartete und spannende Beziehungen herstellen lassen. Der Zusammenhang kann dabei inhaltlich, motivisch oder künstlerisch begründet sein, wodurch sich neue Aspekte der Bilder eröffnen. Die Präsentation ordnet sich in vier aufeinanderfolgende Themenbereiche und setzt sich anschließend in der ständigen Sammlung fort. Im ersten Komplex „Künstlerdialoge - Wiederholung und Variation“ geht es um die Zusammenarbeit von Werkstätten und Künstlerfamilien sowie um die Verbreitung erfolgreicher Bildmotive, die in Kopie oder Variation aufgegriffen wurden. So inspirierte etwa der Landschaftstypus von Pieter Bruegel d. Ä., der mit dem berühmten Darmstädter Landschaftsgemälde „Die Elster auf dem Galgen“ vertreten ist, zahlreiche Künstler auch innerhalb der Familie. Typische Elemente seiner Darstellungen wurden über mehrere Generationen hinweg aufgegriffen, weiterentwickelt und variiert. Besonders verbreitet ist die Vermittlung auf der Werkstattebene. Während sich der Schüler innerhalb seiner Ausbildung an Stil und Motivik des Lehrmeisters orientiert, kommt es auch zu Kopien von Werkstattmitarbeitern, die von dem Meister höchstens noch einmal überarbeitet werden. So bilden sich insbesondere in Flandern große Werkstätten mit vielen Mitarbeitern heraus, die in hoher Stückzahl für den Kunstmarkt produziert haben, wie es beispielsweise bei Rubens der Fall war.
Der zweite, sich anschließende Teil „Menschenbilder- zwischen Repräsentation und Moral“, widmet sich dem unterschiedlichen Blick auf den Menschen in der Malerei. Dieser reicht vom vornehmen Standesporträt bis zur derben Bauerngesellschaft. Je nach Funktion des Gemäldes folgt der Blick auf den Menschen unterschiedlichen Konventionen. Bei Porträts etwa steht die repräsentative Darstellung der Person im Vordergrund, die den Rang und den Status vermitteln soll. Der gesellschaftliche Anspruch, der sich bei den Gemälden von Abraham van den Tempel zeigt, folgt dabei ganz bestimmten Normen. Ganz anders werden hingegen die Menschen in der Genremalerei dargestellt. Die realistisch wirkenden Alltagsszenen von Ostade zeigen etwa rauchende und trinkende Bauern, die häufig als satirische Darstellung der menschlichen Laster interpretiert werden können.
Verschiedene Aspekte der Antikenrezeption und der Historienmalerei begegnen dem Besucher im dritten Komplex der Ausstellung „Der Blick auf die Vergangenheit“. Neben Genrebildern mit pittoresken Tempelruinen aus der Antike, die versatzstückartig eingesetzt werden, sind es in erster Linie Allegorien und Historiengemälde, die eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Geschichte als Voraussetzung haben. Hierfür werden, wie beispielsweise bei Gerard de Lairesse, auch antike Skulpturen rezipiert, um eine möglichst große Authentizität der Darstellung zu erreichen. Der vierte Teil „Nähe und Ferne“ ist ganz der holländischen Stilleben- und Landschaftsmalerei gewidmet. Von den nahsichtigen Objekten, wie Blumen, Insekten und Gegenständen, die bis zur mikroskopischen Genauigkeit wiedergegeben werden, geht der Blick des Betrachters bis zum Horizont niederländischer Seestücke und Landschaften.
Sowohl in Darmstadt als auch in Kassel entstanden unabhängig voneinander umfangreiche Gemäldesammlungen, die auf eine sehr unterschiedliche Entstehungsgeschichte zurückblicken. Während der Kasseler Bestand vor allem auf die höfische Sammellust der Landgrafen im 18. Jahrhundert zurückzuführen und mit dem Namen Wilhelms VIII. in Verbindung zu bringen ist, wuchs die Darmstädter Gemäldesammlung erst im Laufe des frühen 19. Jahrhunderts, als Bestandteil eines durch Großherzog Ludewig I. gegründeten Universalmuseums. Beide Häuser beherbergen heute einen reichen Bestand an Barockmalerei, der in der Ausstellung „Dialoge“ in einen Zusammenhang gestellt wird.
Künstlernamen wie Breugel, Domenichino, Flegel, Rembrandt und Rubens versprechen in der Ausstellung hochkarätige Dialoge zwischen den Werken, die den Besucher einladen, sich auf die Schule des vergleichenden Sehens zu begeben. Ermöglicht wird diese einmalige Gelegenheit durch die sanierungsbedingte Schließung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt bis 2012. Begleitend zur Ausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm statt.
Ausstellung:
Dialoge – Barocke Meisterwerke aus Darmstadt zu Gast in Kassel
Leihgaben: Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Ausstellungsort: Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) Museum Schloss Wilhelmshöhe, Sonderausstellungsraum, 2. Obergeschoss 34131 Kassel Dauer der Ausstellung:
12. August bis 23. Oktober 2011 Pressekonferenz Donnerstag, 11. August 2011, 11 Uhr Konzeption der Ausstellung Dr. Justus Lange und Dr. Heidrun Ludwig unter Mitarbeit von Dr. des. Susanne Lang und Dr. Timo Trümper
Kurator: Dr. Justus Lange
Ausstellungsgestaltung: Kunstgriff – H. Tewes und D. Fuchs Aufbau MHK Kunstgriff – H. Tewes und D. Fuchs
Katalog zur Ausstellung: Dialoge – Barocke Meisterwerke aus Darmstadt zu Gast in Kassel, ca. 160 Seiten, ca. 80 Farbabbildungen, Hardcover, 29,95 Euro (ISBN 978-3-86568-682-4)