DANSK MØBEL DESIGN. ARNE JACOBSEN UND POUL KJAERHOLM FÜR FRITZ HANSEN. IM WAGNER:Im Rahmen seines Schwerpunktprogramms zur Designgeschichte des 20. Jahrhunderts und als Teilnahmeprojekt zur Vienna Design Week 2012 zeigt das WAGNER:WERK Museum Postsparkasse von 2. Oktober bis 17. November 2012 die Ausstellung DANSK MØBEL DESIGN. Arne Jacobsen und Poul Kjaerholm für Fritz Hansen.
Dänisches Möbeldesign steht weltweit für zeitlose Eleganz und perfekte handwerkliche Verarbeitung. Einfachheit, Funktionalität, Leichtigkeit, Materialgerechtigkeit und Komfort lassen sich aus der Tradition ursprünglich kleiner, oft über Generationen vererbter Tischlereibetriebe herleiten. Prägend für dieses Image sind meist die Entwürfe der 1950er- und 1960er-Jahre – heute oft Ikonen des modernen Designs, Ausdruck der organischen Formen der Nachkriegszeit und der Potenziale, die sich aus neuen Techniken und Materialien ergaben.
Die Geschichte des dänischen Designs beginnt aber wesentlich früher. Schon im 19. Jahr-hundert knüpften Tischlerbetriebe bewusst an lokale Traditionen an und entwickelten einfache, konstruktiv und funktional überzeugende (Sitz-)Möbel – nicht unähnlich den österreichischen Biedermeier-Möbeln, die ebenfalls auf neue Nutzergruppen, geänderte Bedürfnisse und kleinere Wohnräume reagierten und neue Produktionsweisen einführten: Nicht zufällig spielten beide Länder auch bei der Entwicklung von Bugholzmöbeln eine führende Rolle.
Neben Verner Panton waren insbesondere Arne Jacobsen und Poul Kjaerholm für den Welterfolg des dänischen Designs verantwortlich. Spätestens bei diesen Meistern des Möbeldesigns muss auch eine Firma genannt werden, die wie keine andere für die Kontinuität dieser Möbelproduktion steht: Fritz Hansen.
ARNE JACOBSEN (1902–1971): ARCHITEKTURDer 1902 im Kopenhagener Bezirk Østerbro in eine bürgerlich-jüdische Familie geborene Arne Jacobsen wollte zunächst Maler werden, studierte auf Drängen seines Vaters aber dann Architektur. Von 1929 bis zu seinem Tod im Jahr 1971 führte Jacobsen sein eigenes Architekturbüro. Zu Jacobsens frühen und zugleich bis heute visionärsten Projekten gehören die Bauten der „weißen Stadt“ Klampenborg (in Anlehnung an die traditionellen dörflichen Häuser der Umgebung waren weiße Fassaden zwingend vorgeschrieben), heute eine Ikone der Moderne. Hier erhielt Jacobsen die Möglichkeit, am selben Ort mehrere Bauten zu errichten, darunter den legendären Strandclub, das Bellevue-Theater (1935), die Texaco-Tankstelle (1937) und die Wohnsiedlung Bellavista (ab 1931).
Es sind jedoch vor allem zwei Gebäude, die Arne Jacobsens Weltruf als Architekt und zugleich als Möbeldesigner begründeten: allen voran das SAS-Hotel in Kopenhagen (1955–1960). Die tragende Konstruktion beruht auf einem Raster von 2,4 Metern und besteht aus einem Stahlbetonskelett mit einer Curtain Wall aus schlanken Aluminiumprofilen und blaugrünem Glas im Brüstungsbereich. Fast die gesamte Möblierung und alle Einrichtungsdetails, vom Besteck bis hin zu den Türgriffen, stammten von Jacobsen. Das SAS-Hotel wurde damit zum Gesamtkunstwerk des dänischen Designs der 1960er-Jahre.
Mit dem St. Catherine´s College in Oxford wurde mit dem Dänen Jacobsen erstmals ein nicht-britischer Architekt beauftragt. Die Anordnung der Gebäude folgt jener der traditionsreichsten Colleges, löst die Komposition jedoch in mehrere freistehende Gebäude auf. Die Stahlbetonskelette treten offen in Erscheinung und werden durch zwischengesetzte Curtain Wall-Elemente und ockerfarbenes Klinkermauerwerk rhythmisiert. Jacobsen entwarf auch die Außenanlagen und den Garten mit der ihm typischen Detailtreue: selbst die Auswahl der Pflanzen und der Plastiken erfolgte durch den Architekten.
ARNE JACOBSEN: DESIGNDie Zusammenarbeit zwischen Arne Jacobsen und Fritz Hansen beginnt bereits 1934, als der Stuhl für das Restaurant in Klampenborg erstmals in Serie produziert wurde. Der Durchbruch kam jedoch mit dem Entwurf des Myren-Stuhls (dänisch für Ameise, 1952), dem die erfolgreiche Serie 7 folgte. Wie so oft bei Jacobsen steht die Entwicklung des Myren im Zusammenhang mit einem Architekturprojekt: für die kleinen Essküchen der neuen Wohnungen wurde ein kleiner, leichter Stuhl benötigt. Beim Entwurf konnte er auf den Erfahrungen der Firma Fritz Hansen mit dampfgebogenem Sperrholz aufbauen.
Der Myren wurde innerhalb kürzester Zeit zur Designikone – wohl auch, weil er perfekt dem Formgefühl der 1950er-Jahre entsprach. Zum meistverkauften Produkt von Fritz Hansen aber erwies sich die in der Nachfolge des Myren entwickelte Sesselserie 7 – die Sitzfläche ist etwas breiter und geschwungener als bei der „Ameise“ und dadurch auch bequemer. Mit dem Grand Prix (1957) und dem Lilien-Stuhl (1968), speziell für das von Jacobsen geplante Gebäude der Dänischen Nationalbank entworfen, wurden weitere Sperrholzstühle mit geschwungener Sitzfläche und breiteren Schultern auf den Markt gebracht.
Arne Jacobsen war mit diesen Entwürfen zum internationalen Designstar geworden. Zu Weltberühmtheit brachten es aber vor allem seine Schalenmöbel: das Ei (Aegget) und der Schwan (Svanen), beide für das SAS-Hotel 1957/1958 entworfen. Aegget dürfte dabei zu den am meisten fotografierten und zu Werbezwecken eingesetzten Möbeln überhaupt gehören – wozu zweifelsfrei seine unverwechselbare, zugleich dem Formenkanon der 1950er-Jahre angehörende und dennoch offenbar zeitlose Erscheinung beiträgt.
Der Aegget wurde zum bevorzugten Möbel für Hotellobbies und andere öffentliche Räume. Denn genau dafür hatte ihn Jacobsen konzipiert: als temporären Ruhe- und Rückzugs-bereich durch die hochgezogene Schale, als formgebendes Element kleiner schützender Inseln in stark frequentierten Räumen. Zugleich ist der Sessel aber drehbar und erlaubt die Teilhabe an sich rasch verändernden (Raum-)Situationen. Er spielt mit Versteckmöglich-keiten und Überraschungsmomenten, überwindet die Ernsthaftigkeit des Funktionalismus und wird zum vielschichtigen Symbol einer mehr und mehr in Bewegung geratenden Welt.
POUL KJAERHOLM (1929–1980): DESIGNPoul Kjaerholm stellt mit seiner Vorliebe für Stahl eine Ausnahme im dänischen Möbeldesign der Nachkriegszeit dar. Aber auch in seiner formalen Strenge scheint er dem Klassizismus eines Mies van der Rohe näher als seinen skandinavischen Zeitgenossen. 1929 in Øster Vrå in Nordjütland geboren, besuchte er die Kunstgewerbeschule in Kopenhagen. 1955 wurde Kjaerholm Lehrer an der Möbelschule der Kunstakademie, 1973 deren Leiter und schließlich 1976 Professor für Möbel- und Raumkunst.
Während seiner Zeit an der Kunstgewerbeschule hatte Kjaerholm bereits ein Jahr als Designer bei der Firma Fritz Hansen gearbeitet, wo er bemerkenswerte Prototypen von Sitzmöbeln schuf. Zum seinem bevorzugten Material wurde matt geschliffener Stahl, oft in Kombination mit Leder, Peddigrohr, Holz oder Marmor. Einer seiner berühmtesten Werke ist die Deckliege PK24 (1965), die aus Mattstahl in Kombination mit Peddigrohr und Leder besteht. Die mehrfach gebogene Liegefläche ruht frei auf zwei Kufenelementen; Verbindungen und Gelenke werden ab nun offen gezeigt, ja mitunter geradezu graphisch hervorgehoben. Funktionalität steht hier nicht im Widerspruch zur kompromisslosen minimalistischen Formensprache.
Diese schließt freilich Individualität und Witz mit ein: Beim berühmten Couchtisch PK61 (1956) platziert Kjaerholm die Glas- oder Steinplatte auf vier identische Stahlrahmen, die sichtbare Schraubenverbindungen aufweisen. Die klassische Konstruktion wird jedoch durch eine asymmetrische Anordnung der Tischbeine ironisiert, wodurch sich nicht nur funktional sinnvolle freie Eckbereiche ergeben, sondern auch eine - besonders im Fall der Glasplatte - „schwebende“, beinahe rotierende Leichtigkeit.
Mit diesen Entwürfen verweist der Designer auf historische, in ihrer Funktionalität jedoch zeitlos gewordene Einrichtungsgegenstände. Die Lederliege PK80 (1957) illustriert deutlich diese Weiterentwicklung historischer Möbel – Assoziationen an römisch-etruskische Vorbilder lassen sich ebenso herstellen wie solche zu Bauhausentwürfen. Die Liege wurde damit zu einer Designikone, deren Bedeutung weit über das 20. Jahrhundert hinaus reicht.
Für seine Arbeiten wurde Poul Kjaerholm mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Nach seinem Tod im Jahr 1980 wurde die Produktion der meisten Entwürfe von der Firma Fritz Hansen übernommen.
DIE MÖBELFIRMA FRITZ HANSENDas Unternehmen wurde 1872 vom Tischlermeister Fritz Hansen als Tischlerwerkstatt in Kopenhagen nahe dem königlichen Schloss Amalienborg gegründet. 1887 folgt die Gründung einer größeren Werkstatt in Christianshavn im Zentrum Kopenhagens. Schon die ersten Produkte – darunter der von Fritz Hansen selbst entworfene Office Chair (1878) –zeigten jene handwerkliche Sorgfalt und die Reduktion auf konstruktionsbedingte Details, die für die Firma in der Zukunft zur Leitlinie werden sollte.
1896 wurde eine Produktionsstätte mit Sägemühle nördlich von Kopenhagen in Lillerød errichtet. 1915 produzierte die Firma den ersten dampfgebogenen Holzstuhl in Dänemark. Poul Fritz Hansen, der Enkel des Gründers, begann 1934 mit den Architekten und Designern Kaare Klint und Arne Jacobsen zusammenzuarbeiten. Klint entwarf für Fritz Hansen verschiedene, in ihrer Simplizität revolutionäre Regalsysteme und Schrankwände. Laufend wird vor allem mit Bugholz und später mit verleimtem Schichtholz experimentiert. In zunehmendem Maße stattet die Firma Fritz Hansen auch komplett öffentliche Gebäudeaus, darunter Schloss Christiansborg, die Universitätsbibliothek und das Kopenhagener Rathaus.
1933 produzierte Fritz Hansen auch einen der typischen Freischwinger von Mart Stam, doch blieb der Schwerpunkt bei dänischen Künstlern und – bis auf wenige Ausnahmen von Kjaerholm und Jacobsen – bei Holzmöbeln. Einen Höhepunkt im dänischen Möbeldesign – und damit in der Produktion von Fritz Hansen – markieren die 1950er- und 1960er-Jahre.
Arne Jacobsen entwarf zunächst einen Stuhl für das Restaurant des Bellevue-Theaters in Klampenborg (1934). Daraus entwickelte sich eine jahrzehntelange Kooperation mit der Firma Fritz Hansen, die legendäre Entwürfe wie die „Ameise“, das „Ei“ und den „Schwan“ einschließt. Poul Kjaerholm lieferte 1952 seine ersten Modelle für Fritz Hansen.
Aber auch außerhalb der dänischen Holzmöbeltradition stehende Entwerfer brachten nun ihre Ideen ein, darunter Verner Panton (ab 1956). Im 21. Jahrhundert unterstreicht Fritz Hansen seine neue Produktphilosophie durch Einführung des Brandings „Republic of Fritz Hansen“. Die Produktion älterer Modelle – vor allem von Poul Kjaerholm und Arne Jacobsen – wird wieder aufgenommen. Neue Modelle beinhalten die Stuhlserie Ice von Kasper Salto (2002), den Loungechair Attitude von Morten Voss (2006), den Space-Loungesessel der Deutschen Jehs+Laub (2007), die Alphabet-Sofas von Piero Lissoni (2008), den T-No.1-Tisch des Amerikaners Todd Bracher (2008), die Stuhlserie HK10 von Hiromichi Konno (2009) und das Favn-Sofa des katalanischen Designers Jaime Hayon (2011). In all diesen Fällen kommt es zu einem interessanten Dialog zwischen internationalen und dänischen Designtraditionen.
Die Firma Fritz Hansen wurde 1979 mehrheitlich von der Skandinavisk Holding gekauft. Bereits in den 1960er-Jahren war die Produktion nach Allerød nördlich von Kopenhagen verlagert worden. Dort befindet sich seit 1965 auch die Firmenzentrale, der heute ein Museum mit Prototypen aller bisher produzierten Möbel angeschlossen ist. Die Produktion der Möbelklassiker findet heute zum überwiegenden Teil außerhalb Dänemarks – etwa in Polen – statt. Die handwerkliche Herstellung hat sich jedoch kaum verändert.