Die Architektur am Anfang des 21. Jahrhunderts steht in einem historischen Umbruch. Über Jahrhunderte hinweg war das Entwerfen von Architektur durch Prozesse des Zeichnens, Modellierens und andere Medien bedingt und begleitet, die materielle Spuren von der Arbeit des Architekten hinterlassen haben. Die in Nachlässen und Archiven bewahrten Skizzen, Planmaterialien und Modelle sind Grundlage architekturhistorischer Forschung und Darstellung. Mit der digitalen Revolution, der rasant fortschreitenden Umstellung der wesentlichen Entwurfs- und Ausführungsprozesse in die Welt der Computer, sind auch deren Spuren meist nur noch digital, d.h.: Zahlenkolonnen aus Bits und Bytes, die nur über spezielle Software gelesen werden können, deren Haltbarkeit ungewiss ist. Wie sieht damit aber die Zukunft einer Architektursammlung aus, die bislang ganz auf die realen, materiell greifbaren Objekte vertrauen konnte?Das Architekturmuseum der TU München gehört zu den größten Spezialsammlungen für Architektur in Europa. Die Ausstellung »Show and Tell – Architekturgeschichte(n) aus der Sammlung« nimmt das Archiv und seine verschiedenen Materialien zum Thema, deren Bedeutung nicht zuletzt darin besteht, dass jedes der hier aufbewahrten Objekte eine unmittelbar eingeschriebene Geschichte besitzt, die immer wieder erzählt und erforscht werden muss. Diese Geschichtshaltigkeit der Sammlung wird anhand von über vierzig prägnanten Beispielen dargestellt. Planmaterialien, Handskizzen, Modelle, Briefe, Tagebücher, Vorlesungsmanuskripte oder Gipsreliefs – jedes Objekt der Architektursammlung verweist auf einen Prozess, der sich auf Architektur richtet, erzählt aber auch seine eigene Geschichte: einmal geht es um die Geschichte eines Gebäudes und seiner Entstehung, um die Formen seiner Dokumentation, um den baulichen und kulturellen Kontext oder um die Biographie seines Entwerfers und die Stimmen der Architekten selbst, die über ihre Theorien, Ansätze, Konzepte und Ideen sprechen, sei es in Briefen, Manuskripten oder Videos.
Die Objekte und ihre Geschichten sollen die Neugierde auf diese einmalige Sammlung wecken: Sich auf die Suche machen, den Spuren der Geschichte zu folgen, an entlegenen Stellen neue Quellen aufzustöbern, sie zu interpretieren und ihnen Erklärungen für vergangenes Geschehen abzuringen – das alles macht die Faszination eines Archivs aus.
Jede museale Sammlung muss kontinuierlich erweitert und unter immer wieder neuen Gesichtspunkten aktiviert werden, um ein lebendiger Ort für Geschichte und Gegenwart, für Forschung, Lehre und Präsentationen zu sein. Daher wurden für »SHOW AND TELL« zeitgenössische Architekten wie etwa Johnston MarkLee, Grafton, Jürgen Mayer H., David Chipperfield oder Toyo Ito eingeladen, sich mit einem persönlichen Beitrag an der Ausstellung zu beteiligen.
In direktem Zusammenhang zur Ausstellung startet das Architekturmuseum ein Projekt, das der Sammlung künftig neue Quellen des Wissens erschließen soll. In vielen geschichtswissenschaftlichen Bereichen stellt die Dokumentation von Erlebtem und Erzähltem, die »oral history«, durch filmische Aufzeichnungen einen Bestandteil der Überlieferung dar. In der Ausstellung werden die ersten Aufnahmen von Zeitzeugenberichten von bedeutenden Architekten und Stadtplanern gezeigt.
Die Ausstellung ist damit sowohl ein Blick hinter die Kulissen als auch ein Ausblick mit dem Ziel, aus dem Dialog der historischen und zeitgenössischen Materialien Anregungen über die Frage nach Position, Ausrichtung und Perspektiven des Sammelns zu geben.